Das Forschungsprojekt
„Die deutschen Königspfalzen. Repertorium der Pfalzen, Königshöfe und übrigen Aufenthaltsorte der Könige im deutschen Reich des Mittelalters“
Der Beginn der systematischen Pfalzenforschung ist mit der Gründung des Göttinger Max-Planck-Instituts für Geschichte im Jahr 1956 verbunden. Wilhelm Berges und Walter Schlesinger planten in diesem Jahr am Rande des Historikertages in Ulm ein derartiges Forschungsvorhaben, das Hermann Heimpel, Direktor des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 1957/58 aufgriff. Schlesinger legte in seinem 1963 veröffentlichten Aufsatz zu Merseburg die methodischen Grundlagen. Eng mit dem Gesamtprojekt sind ferner die Namen Josef Fleckenstein, Adolf Gauert, Thomas Zotz, Otto Gerhard Öxle, Lutz Fenske und Caspar Ehlers verknüpft. Nach umfangreichen Vorarbeiten erschien 1983 die erste Lieferung des Bandes Hessen des auf mehrere Bände angelegten Gesamtwerkes. Der Band Thüringen wurde erstmals allein von Manfred Gockel bearbeitet und erschien im Jahr 2000.
Ehemals durch das Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen koordiniert, wird das Gesamtprojekt seit dem 1. Januar 2007 am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte unter Leitung von Caspar Ehlers betreut.
Zum Gesamtprojekt „Deutsche Königspfalzen“
Repertorium der Pfalzen, Königshöfe und übrigen Aufenthaltsorte der Könige im deutschen Reich des Mittelalters
Herausgegeben vom Max-Planck-Institut für Geschichte
Redaktion: Caspar Ehlers, Lutz Fenske und Thomas ZotzGliederung des Werkes
Band 1: Hessen
Band 2: Thüringen
Band 3: Baden-Württemberg
1. Teilband: Baden
2. Teilband: Württemberg
Band 4: Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein
Band 5: Bayern
1. Teilband: Altbayern
2. Teilband: Franken
3. Teilband: Bayerisch-Schwaben
Band 6: Nordrhein-Westfalen
1. Teilband: Rheinland
2. Teilband: Aachen
3. Teilband: Westfalen
Band 7: Rheinland-Pfalz und Saarland
Band 8: Sachsen-Anhalt
Band 9: Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und SachsenDer Band Westfalen des Repertoriums der Königspfalzen
Der von Peter Johanek, Manfred Balzer und Angelika Lampen herausgegebene Band „Westfalen“ erscheint 2017 als Teilband 6.3 des Kompendiums der „Deutschen Königspfalzen“. In diesem Teil des Gesamtwerks werden die Königsaufenthalte innerhalb der Grenzen des heutigen Westfalens erfasst.
Für das Bearbeitungsgebiet Westfalen wurden folgende Orte aufgenommen: Corvey, Dortmund, Eresburg (Marsberg), Erwitte, Herford, Herstelle, Lippspringe, Lügde, Minden, Münster, Paderborn, Rösebeck, Soest, Vreden und Wiedenbrück.
Die jeweiligen Aufenthaltsorte der Könige wurden von verschiedenen Wissenschaftlern unter Koordination des IStG bearbeitet, das auch das dazugehörige Kartenmaterial erstellt hat.
Das Teilprojekt Westfalen am IStG wird mit der Publikation des Bandes im Laufe des Jahres 2017 zum Abschluss kommen.Übersicht Autoren – Artikel
Corvey – Karl Heinrich Krüger
Dortmund – Angelika Lampen
Eresburg/Marsberg – Karl Heinrich Krüger
Erwitte – Birgitt Studt
Herford – Christof Spannhoff
Herstelle – Christof Spannhoff
Lippspringe – Christof Spannhoff
Lügde – Peter Johanek
Minden – Christof Spannhoff
Münster – Christian Helbich
Paderborn – Manfred Balzer
Rösebeck – Christof Spannhoff
Soest – Ulrich Löer
Vreden – Volker Tschuschke
Wiedenbrück – Karsten IgelWas ist eine Pfalz?
Im Mittelalter verfügten die Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches über keine feste Residenz, sondern übten ihre Herrschaft in verschiedenen Orten des Reiches aus. Die Forschung bezeichnet solche Orte, welche besonders oft aufgesucht wurden, Teil des Krongutes waren und sich durch eine repräsentative Architektur auszeichneten, als Pfalzen. Aufenthalte sind jedoch nicht nur in solchen Anlagen nachzuweisen; häufig machten die Könige und Kaiser auch in Bischofsstädten, Abteien und anderen kleineren Orten Station, um dort ihren Regierungsgeschäften nachzukommen oder Feste zu feiern.
Die Erkenntnisse
Im Verlauf des Mittelalters sind Wandlungen in der Itinerarplanung zu beobachten. Abgesehen davon, dass es Kernlande der Königsherrschaft gab, die sich von Herrscherfamilie zu Herrscherfamilie verschieben konnten, änderten sich auch die Schauplätze der großen Versammlungen und kirchlichen Feste. Waren die späten Karolinger zumeist im Westen unterwegs, so erhielt Sachsen – bedingt durch die Herkunft der Königsfamilie – unter den Ottonen den Status einer Kernlandschaft. Die Salier versuchten, neben ihren rheinfränkischen Stammlanden (dem Gebiet um Speyer und Worms), auch den sächsischen Raum in ihr Reisekönigtum zu integrieren. Den Staufern schließlich gelang es zunächst, auch den Norden einzubeziehen, doch sind die Konflikte zwischen Friedrich I. Barbarossa und Heinrich dem Löwen ein Indikator für weiterhin schwelende Differenzen innerhalb des Reiches. Heinrich VI. und Friedrich II. waren nur noch sporadisch nördlich ihrer schwäbischen Stammlande anzutreffen, eine politische Schwerpunktverschiebung nach Süden bis nach Italien hatte ihr Itinerar entscheidend geprägt. In die staufische Zeit fiel auch die Entwicklung hin zur Hausmachtpolitik, die unter Rudolf von Habsburg, mit dessen Wahl 1272 das Interregnum zu Ende ging, ein entscheidender Faktor königlicher Politik wurde. Dieses allgemeine Ergebnis lässt sich für Westfalen spezifizieren.
Man wird auf Basis der Königsaufenthalte des 8. bis 12. Jahrhunderts in Westfalen für das königliche Itinerar festhalten müssen, dass der Raum zwischen Rhein und Weser kein ‚Kernraum‘ des Königtums war. Die westfälischen Aufenthaltsorte erreichen bei Weitem nicht die Aufenthaltszahlen anderer deutscher Pfalzorte.
Wenn man jedoch auf die Qualität einzelner Stationen abhebt, wird deutlich, dass die bloße Statistik täuscht, weil sie die situativen und individuellen Aspekte bei der Gestaltung der Reisewege nicht erfasst. Wegen seiner Pfalz und der Ausstattung mit reichem Königsgut war z.B. Dortmund eben nicht nur Reisestation, sondern immer wieder auch Zielort. Bei den Bischofssitzen, der Reichsabtei Corvey und den Reichsstiften Herford und Vreden tritt die Stellung einzelner Bischöfe bzw. von Äbten oder Äbtissinnen im Reich und die persönliche Beziehung zum jeweiligen Herrscher deutlich hervor und bestimmte so die Aufenthalte des 11. und 12. Jahrhunderts.
Westfalen war also – obwohl man aufgrund der intensiven Nutzung des Hellwegs zu einem anderen Schluss gelangen könnte – nicht nur Durchgangsgebiet; treffender erscheint schon der Begriff des „Integrationsraums“ (Eckhard Müller-Mertens). Denn die nachgewiesenen Aufenthaltsorte erlebten immer wieder mit z.T. erheblicher Qualität der Kirchenfeste und Regierungshandlungen Schwerpunkte der praesentia regis, von Königsherrschaft und ihrer repräsentativen Darstellung in der Öffentlichkeit; sie waren besondere Ziele im königlichen Itinerar, die sicherlich in der Regel längerfristig geplant angesteuert wurden.Die Untersuchung der Orte
Breiten Raum nimmt im Repertorium „Deutsche Königspfalzen“ natürlich die Untersuchung des Ortes und der einzelnen Herrscheraufenthalte ein: Topographie und Baugeschichte der Gebäude sowie deren Ausstattung stehen im Mittelpunkt des archäologisch sowie architektur- und kunsthistorisch orientierten Abschnittes. Für Westfalen ist auffällig, dass es, abgesehen von den Aufenthaltsorten im 8. und frühen 9.Jahrhundert und vielleicht von Erwitte im 10./ 11. Jahrhundert, keine 'ländlichen' Pfalzen, sondern nur ausgebaute Königshöfe gab. Hier wirkten Pfalzen und Königsaufenthalte stadtbildend bzw. umgekehrt hielt sich der Herrscher zumeist in den „urbanen“ Zentren der Zeit auf. Daher wurden in den entsprechenden Artikeln auch immer die Wechselbeziehungen zwischen Aufenthaltsort und Stadt untersucht. Besonderes Augenmerk wurde dabei auch auf die Einbeziehung der neuesten archäologischen und stadtgeschichtlichen Ergebnisse gelegt.
Das Verhältnis zwischen Königtum und Pfalzort wird in jedem Artikel anhand der am Ort getätigten Ausstellung von Urkunden verdeutlicht. Die einzelnen Aufenthalte werden dokumentiert, indem Quellen über eine Anwesenheit des Königs oder Kaisers nicht nur angegeben, sondern zitiert werden. So verfügt der Benutzer des Repertoriums über nahezu alle auf den Ort bezogenen, erzählenden wie normativen Quellen. Die Ereignisse werden in knapper Form zusammengefasst und die in Berichten und Urkunden genannten Anwesenden aufgelistet. Letzters erlaubet, den Personenkreis um den Regenten zu identifizieren und auszuwerten.
Basis des Pfalzenprojektes ist die seit über einem Jahrhundert bearbeiteten „Regesta Imperii“, die die Handlungen und die (daraus resultierende) Reiseroute der Herrscher in chronologischer Folge seit der frühen Karolingerzeit abbilden.