Corvey - Kloster (B)
Mit insgesamt 25 Herrscheraufenthalten zwischen 889 und 1203 gehört das Kloster Corvey zu den wichtigen Orten königlicher Präsenz in Westfalen. Besonders unter den Ottonen, Saliern und Staufern wurde das Kloster recht regelmäßig aufgesucht. Beherbergt wurde der jeweilige Herrscher im Kloster selbst, möglicherweise in einem eigenen "Kaiserhaus". Die Bezeichnung eines solchen Gebäudes auf dem Klostergelände lässt sich seit dem 16. Jahrhundert nachweisen.
Gegründet wurde das Kloster Corvey zur Einführung des Mönchtums in Sachsen. Erst von der späten Karolingerzeit an wird es dann Aufenthaltsort der ‚reisenden‘ Könige. Denn sein Stifter Ludwig der Fromme kam als Kaiser nur einmal nach Sachsen: 815 zum Reichstag in Paderborn. Da Corvey sich 840 dessen Sohn Ludwig dem Deutschen offenbar zögernd anschloss, zog der neue König zwischen dem 10. und 14. Dezember des Jahres wohl weiter südlich am Kloster vorbei. Somit sind die einmaligen Besuche Arnulfs 889 und Konrads 913 die ersten bezeugten Aufenthalte. Noch die frühen Ottonen lassen sich dort selten nachweisen.
Die später zunehmenden Herrscheraufenthalte in ottonischer Zeit lassen sich auch dadurch erklären, dass Corvey für den reisenden König im werdenden deutschen Reich zwischen der wichtigen altkarolingischen Königslandschaft im Westen (Aachen, Rhein-Main-Gebiet) und den neuen ottonischen Reichsgutkomplexen im sächsisch-thüringischen Osten lag. Das Kloster diente gleichwohl nicht nur als Durchgangsstation zwischen Osten und Westen oder Süden und Osten und umgekehrt. Gelegenheiten, an denen Corvey als Endpunkt einer Reise eigens aufgesucht wurde, zeigen von 913 an das Eigengewicht der Abtei.
Heinrich I., der sich durchaus um das Vitusheiligtum sorgte, ist dort allerdings nicht nachzuweisen. Auch sein Sohn Otto I. ist nur einmal 940 in Corvey belegt, obwohl er in seinen deutschen Jahren ‚periodisch‘, d.h. etwa 28 Mal, die Region durchzog. Heinrich II. aber und die Salier nutzten das Kloster bei 8 von 15 nachweisbaren Besuchen als Station am Hellweg, die auch mehrere Tage bezeugt werden konnte (1011, 1025, 1051, 1060). Im Zusammenhang der Vergabe Corveys an Bremen sind Heinrich IV. und Erzbischof Adalbert im Spätjahr 1065 im Abstand von drei Wochen nur hier nachweisbar, sodass ein sehr langer Aufenthalt möglich ist.
Schon von Heinrich II. wurde das Fest des Corveyer Hauptheiligen Vitus bei der Itinerarplanung berücksichtigt (1019). Vielleicht ist damit ebenfalls der Abstecher Heinrichs IV. nach Norden 1060 zu erklären. Die Salier feierten aber in Corvey auch andere Heiligenfeste. Lothars III. Aufenthalt 1136 könnte mit seiner Beteiligung an der Stiftung des nahen Klosters Marienmünster zusammenhängen. Von drei Corveyer Abtsnachfolgen, in die Herrscher am Ort eingriffen, liegen zwei im Zug des periodischen Itinerars (1046, 1107). Als situationsbedingte Abstecher erweisen sich die Besuche Heinrichs II. beim Tod des Herzogs Bernhard von Sachsen 1011 und anlässlich der Reform 1015.
Während der Sachsenkriege Heinrichs IV. diente das Kloster als Treffpunkt bei Verhandlungen von Königsvertretern mit den Sachsen (1073, 1074). 1129 besuchte Lothar III. in Corvey einen Fürstentag, um sich mit dem Kölner Erzbischof zu versöhnen, und Konrad III. kam offenbar 1145 eigens hierher, um sich mit den Sachsen zu beraten. 1157 und 1162 sehen wir den Corveyer Hochvogt Heinrich den Löwen ohne den Stauferkaiser Friedrich I. in Corvey, das erste Mal in Sachen des Klosters, das zweite Mal mit Gästen aus größerer Entfernung. Möglicherweise war Corvey also auch ein regionaler Versammlungsort des sächsischen Adels.
Seit der Verlagerung der königlichen Reisetätigkeit unter den Staufern geriet Corvey unter die nördlichen Randstationen des deutschen Königsitinerars. Sogar ein Besuch des Welfenkönigs Otto IV. ist nur zu erschließen, obwohl hier 1201 und 1203 kirchliche Akte stattfanden. Insbesondere während des hohen Mittelalters aber hatte das Weserkloster der reisend ausgeübten Königsherrschaft als ein überdurchschnittlich wichtiger Stützpunkt gedient.
Christof Spannhoff
Literatur
Karl Heinrich Krüger, Art. Corvey, in: Die deutschen Königspfalzen. Repertorium der Pfalzen, Königshöfe und übrigen Aufenthaltsorte der Könige im deutschen Reich des Mittelalters, Bd. 7: Westfalen (in Vorbereitung).
Karl Heinrich Krüger, Zur Geschichte des Klosters Corvey, in: Die Klosterkirche Corvey, Bd. 1,1. Geschichte und Archäologie, hrsg. v. Sveva Gai u.a., Mainz 2012, S. 19–104.
Karl Heinrich Krüger, Studien zur Corveyer Gründungsüberlieferung, Münster 2001 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 10,9).