Soest Grundriss

Soest - Bischofsgut (B)

Die archäologischen Befunde vor allem der letzten drei Jahrzehnte, die Urkunden zu den Herrscheraufenthalten in Soest und die chronikalischen und biographischen Nachrichten, vor allem aber die mittelalterliche Sakralarchitektur mit ihrer hohen künstlerischen Ausstattung, ergeben zusammen das Bild einer Stadt, die seit dem 12. Jahrhundert zwischen Rhein und Weser eine hervorragende Stellung einnahm. Als erzbischöflicher Pfalzort und Stadt, ja als „quasi Kathedralstadt“ zeigte Soest die wechselnde Nähe und Ferne zur königlichen Herrschaftspraxis.

Die Lage am Hellweg brachte es mit sich, dass die Herrscher auf Reisen zu den hochmittelalterlichen Kernlandschaften in Ostsachsen auch immer wieder in Soest Station machten. Königliche Initiativen im Bereich der Metallverarbeitung, insbesondere der Messingproduktion, werden neuerdings diskutiert.

Ganz königsnah ist weiterhin die Initiative Erzbischofs Brun von Köln, des jüngsten Bruders König Ottos I., zu deuten, Soest mit einem Kollegiatsstift auszustatten, dem er selbst die Reliquien des hl. Patroklus für die Stiftskirche zukommen ließ.

Für die salische Zeit wird die Nähe zum Königtum, abgesehen von den zwei Kaiserbesuchen, am ehesten durch den Kölner Erzbischof und zeitweiligen Reichsverweser Anno II. sichtbar. Nachdem er der Kaiserin Agnes das Reichsregiment 1062 entrissen und Einfluss auf die Papstwahl 1064 genommen hatte, verlor er 1066 bei Heinrich IV. an Einfluss und widmete sich entschlossen den Klöstern und Kirchen seines Erzbistums. In Soest weihte er die Matthias-Kapelle, stellte Urkunden für seine Klöster Siegburg und Grafschaft aus und begünstigte durch Präbendenstiftung das Kollegiatstift St. Patrokli.

Die fortschreitende Stadtwerdung von Soest im 12. Jahrhundert, sichtbar an Verfassungstexten wie der Medebacher Rechtsmitteilung, der Meliores-Urkunde und der sogenannten Alten Kuhhaut, und die eigenständige Politik der Kölner Erzbischöfe in Westfalen seit 1180 ließen in staufischer Zeit den königlichen Einfluss verblassen. Wenn die Errichtung der repräsentativen Westwerk-Anlagen in St. Patrokli und St. Petri nicht als Elemente von „Kaiserkirchen“ anzusehen sind, wie Uwe Lobbedey neuerdings mehrfach betonte, sondern viel eher der Entfaltung liturgischer Handlungen dienten, so vermitteln aber doch die Ausmalung des Hochchors von St. Patrokli mit dem thronenden Christus in der Mandorla, das Walburgis-Antependium mit Maiestas Domini im Vierpass und die segnende Halbfigur Christi als Tympanonrelief im Nordportal von St. Patrokli eine herrschaftliche und endzeitliche Dimension. Die Stiftskirche, in ottonisch-salischer Zeit zum Triumphzeichen der Reichsbischöfe geworden, bewahrte mit der Patroklus-Verehrung die Initiative ihres Gründers, des Kölner Erzbischofs Brun, der als erster weltlicher (Herzog von Lothringen, Regent, königlicher Vormund) und geistlicher Herrscher nördl. der Alpen regierte. Ob der Figurenschmuck an der äußeren Nordapsis der Hohnekirche – Kopf eines Kaisers mit Krone und Kopf eines Bischofs mit Mitra – auf ein konkretes Ereignis anspielt oder die Stadt im profanen und sakralen Bezugssystem sieht, lässt sich nicht bestimmen.

Ulrich Löer

 

Literatur

Soest, bearb. v. Wilfried Ehbrecht u.a., Münster 2016 (Historischer Atlas westfälischer Städte 7).

Ulrich Löer, Art. Soest, in: Die deutschen Königspfalzen. Repertorium der Pfalzen, Königshöfe und übrigen Aufenthaltsorte der Könige im deutschen Reich des Mittelalters, Bd. 7: Westfalen (in Vorbereitung).

Soest TK25