Abtei Essen
Kartengrundlage: Nicolas Sanson d’Abbeville, Cercle de Westphalie, dat. 1659, erschienen 1675, Ausschnitt bearbeitet
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Reichsstift Essen

Reformierender Landesherr: /
Reformator: /
Jahr der Reformation: /
Kirchenordnung: /

Das Reichsstift Essen wurde im Hinblick auf die Reformation von den angrenzenden Herzögen von Jülich, Kleve und Berg beeinflusst, wohingegen die Stadt Essen in einem langwierigen Prozess versuchte, eine von der Äbtissin losgelöste Reformation der städtischen Kirchen durchzusetzen: Während sich in der Stadt Essen am Ende dieses Prozesses das lutherische und später das reformierte Bekenntnis durchsetzen konnte, verlieb das Stift Essen zum Ende des 16. Jahrhunderts offiziell beim katholischen Glauben.

  • Der Reformationsprozess bis 1565

    Anders als in der benachbarten Abtei Werden beeinflussten die Herzöge von Jülich-Kleve-Berg auch das Reichsstift Essen in der Reformationszeit. Die Via media des benachbarten Territorialkomplexes hielt in dem kleinen Stift Einzug, während sich die Stadt Essen gleichzeitig von der Abtei zu lösen versuchte und einen eigenständigen Weg einschlug. Die Beanspruchung des Status als Reichsstadt und die damit einhergehenden Konflikte zwischen Stadtrat und Fürstäbtissin traten in der konfessionellen Auseinandersetzung zwischen Stadt und Territorium offen zutage. Während sich die Stadt Essen für das Luthertum entschied und dieses in den Jahren zwischen 1560 und 1565 endgültig durchsetzen konnte, verblieb das Stift Essen, von den Herzögen von Jülich, Kleve und Berg beeinflusst, bei der Via media als einem reformkatholischen Sonderweg. Zuvor hatte die Stadt Essen vor allem aus steuerrechtlichen Gründen auf den Status als Reichsstadt verzichtet, als dieser ihr von Kaiser Karl IV. 1377 angeboten wurde. Sie begab sich stattdessen unter den Schutz der Abtei und des Herzogs von Kleve, konnte im Gegenzug aber in einem Vertrag von 1399 rechtliche und finanzielle Freiheiten vom Stift aushandeln. Mit Einführung der Reformation versuchte die Stadt, sich von dieser Regelung loszusagen und die eigenen Interessen innerhalb der Stadtmauern unabhängig von der Äbtissin durchzusetzen.
    Das Essener Stift blieb von den Ideen der Reformation nicht unberührt, als sich nach 1530 die neue Lehre in den westfälischen Territorien etablierte. Einige Stiftsdamen, unter ihnen auch mehrere, die Grafenhäusern entstammten, die selbst die Reformation eingeführt hatten, interessierten sich offen für die Ideen Luthers. Der Äbtissin Sibylla von Montfort, sie regierte von 1534 bis 1551, wurde ebenfalls eine Nähe zur Reformation nachgesagt. Sie verblieb jedoch beim alten Glauben, allerdings in Form der Via media Jülich-Kleve-Bergs. 1538 führte Sibylla in der Stiftskirche St. Gertrud in Essen die Kirchenordnung Kleves von 1533 ein und verpflichtete den Pfarrer auf die Einhaltung dieser Auslegung des katholischen Glaubens Herzog Johanns III. von Kleve. Das bedeutete unter anderem die Austeilung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt oder auch den Verzicht auf die Heiligenprozessionen. Als sich in der Stadt Essen ab 1540 eine eigenständige lutherische Gemeinde auszubilden begann, konnte die Äbtissin die Einführung der Reformation in der Stiftskirche abwenden, die Besetzung der Pfarrstelle an der Marktkirche jedoch nicht beeinflussen, sodass in der Folge eine gemischt-konfessionelle Stadt Essen dem offiziell altgläubigen Stift Essen gegenüberstand.

    Unter den Nachfolgerinnen Sibyllas, ab 1551 führte Katharina von Tecklenburg das Reichsstift, fand keine Änderung der Situation statt. Katharina, die Schwester Konrad von Tecklenburgs, der in seinem Herrschaftsbereich die Reformation eingeführt hatte, hing vermutlich selbst der neuen Lehre an. Dennoch führte sie das Augsburger Bekenntnis während ihrer Amtszeit im Stift Essen nicht ein – nicht zuletzt, weil sie als mögliche Folge der Einführung mit ihrer Amtsenthebung hätte rechnen müssen. Eine Reformation des Stifts Essen hätte zudem neben der zu befürchtenden Absetzung Katharinas auch die Existenz des Stifts selbst in Frage gestellt. Diese Überlegungen haben die Äbtissinnen von Essen sicherlich beeinflusst, als sie entschieden, mit dem Stift beim alten Glauben zu verbleiben. Aus diesen Gründen ist es verständlicherweise nicht möglich, eine eindeutige Aussage über die persönliche Glaubenshaltung der Äbtissinnen zu treffen. Selbstzeugnisse in Form von Briefen oder Testamenten mit klaren Positionierungen haben sich nicht erhalten, die wenigen überlieferten Quellen lassen eine eindeutige Zuschreibung nicht zu.

    Die Nachfolgerin Katharinas, Maria von Spiegelberg, führte das Stift Essen nur anderthalb Jahre lang von März 1560 bis September 1561. Über ihre konfessionelle Haltung ist ebenfalls wenig bekannt, in ihrer kurzen Amtszeit ergriff sie kaum Maßnahmen gegen die neue Lehre, förderte sie aber auch nicht. Ihr folgte Irmgard von Diepholz im Amt nach, der eine protestantische Überzeugung nachgesagt wurde. Als die Stadt Essen 1563 die Reformation einführte, klagte Irmgard jedoch beim Reichshofrat gegen diesen Schritt. Außerdem verhandelte sie mit den Kölner Jesuiten und versuchte, diese zur Einrichtung einer Niederlassung in der Stadt Essen zu bewegen. Nach außen hin agierte Irmgard nicht wie eine Vorkämpferin für die Sache Luthers.

  • Der Reformationsprozess bis 1650

    Nachdem die Äbtissin Elisabeth von Manderscheid-Blankenheim, 1575 gewählt, bereits 1578 aus dem Essener Konvent ausschied, um den Protestanten Wirich von Daun-Falkenstein zu ehelichen, war es Elisabeth von Sayn, die, 1578 als Nachfolgerin ins Amt gewählt, verstärkt Maßnahmen zur Rekatholisierung des Stifts einleitete, während ihre Vorgängerinnen eine eher liberale Religionspolitik betrieben hatten. Mit der Einführung neuer Statuten versuchte Elisabeth, die alte Lehre im Essener Stiftsgebiet wieder zu stärken.
    Den Höhepunkt der Rekatholisierung erlebte das Stift unter Maria Clara von Spaur, die in den Jahren von 1614 bis 1644 regierte und sich deutlicher als ihre Amtsvorgängerinnen der alten Lehre verpflichtet sah. Bei der Wahl Marias war eine deutliche Einflussnahme des Kölner Erzbischofs zu spüren, der die Rekatholisierungsmaßnahmen im Reichsstift entscheidend beeinflusste. 1616 erließ Maria eine Religionsordnung, die den Einwohnern des Territoriums eine Rückkehr zum alten Glauben verpflichtend auferlegte. Nach Einzug von spanischen Truppen 1623 konnte Maria Clara ihre Positionen auch in der Stadt Essen durchsetzen. Es folgte ein Verbot zur Teilnahme an protestantischen Gottesdiensten, untersagt wurde auch die Beisetzung von Protestanten auf geweihten Friedhöfen oder der Besitz protestantischer Bücher. 1628 gipfelten die Bemühungen der Gegenreformation in einer militärisch beschützten Prozession vom Essener Münster zur Marktkirche, in der die protestantische Lehre seit 1563 etabliert war. Diese Maßnahmen der Rekatholisierung mit militärischen Mitteln zeitigten allerdings in der Stadt Essen keine Wirkung mehr. Nach Abzug der spanischen Truppen 1630 kehrte die Gemeinde der Marktkirche wieder zum lutherischen Bekenntnis zurück. Das Stift Essen blieb hingegen auch nach Einmarsch niederländischer Soldaten, der eine Flucht Marias ins Kölner Exil zur Folge hatte, und nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges offiziell beim katholischen Glauben.

  • Fazit

    Im Reichsstift Essen sind verschiedene Phasen des Reformationsprozesses nachzuzeichnen. Abhängig von der jeweiligen Überzeugung lenkten die Äbtissinnen das Stift dabei teils in Richtung der neuen Lehre, teils wieder zurück zum katholischen Glauben. Während in der Frühphase der Essener Reformation vor allem versucht wurde, mithilfe der Via media eine Modernisierung der katholischen Kirche zu erreichen, zeichneten sich die Nachfolgerinnen Sibyllas von Montfort eher durch eine liberal-passive Haltung in Fragen der Reformation aus. Erste vorsichtige gegenreformatorische Maßnahmen erfolgten zum Ende des 16. Jahrhunderts, zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges wurde die protestantische Lehre in Essen dann schließlich mit militärischen Mitteln und unter politischem Zwang zurückgedrängt. Der katholische Glaube konnte sich dabei nur im Stiftsgebiet als offizielles Bekenntnis behaupten, in der Stadt Essen setzte sich letztendlich die lutherische Lehre durch.

Literatur:
Alois Schröer, Die Reformation in Westfalen. Glaubenskampf einer Landschaft, Münster 1979, S. 256f.

Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, Bd. 21: Nordrhein-Westfalen I, bearb. v. Sabine Arend, Tübingen 2015, S. 488 – 507.

Ute Küppers-Braun, Katholisch – Lutherisch – Calvinistisch – Katholisch. Das Stift Essen im Zeitalter der Konfessionalisierung, in: Katholisch – Lutherisch – Calvinistisch. Frauenkonvente im Zeitalter der Konfessionalisierung, hrsg. v. ders. u. Thomas Schilp, Essen 2010, S. 19 – 48.

URL zur Zitation: www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/reformation-in-westfalen/Reformation_in_Westfalen/territorienderreformation/abtessen/index.html