Die Konfessionslandschaft Westfalens wird häufig als ein bunter Flickenteppich beschrieben, geteilt in das katholische, lutherische und reformierte Bekenntnis. Dieser Flickenteppich wird mittels der interaktiven Karten besonders deutlich. Sie zeigen nicht nur die häufig wechselnden Konfessionsstände Westfalens in den Zeitschnitten 1517, 1545, 1565, 1590 und 1650, sondern geben darüber hinaus die Möglichkeit, sich gezielt über die jeweiligen Territorien und die Städte dieser Religionslandschaft zu informieren. Mittels Mouseover werden dem Benutzer Namen und erste Informationen zu den jeweiligen Territorien oder Städten geliefert, die, zusammen mit ausführlichen Hintergrundtexten eine umfassende Darstellung der Reformation in Westfalen über die Ausbreitung der Reformation in den frühen 1520er und 30er Jahren hinaus ermöglichen. Die verschiedenen Zoomstufen erleichtern dabei den Zugriff, indem sie eine übersichtliche Darstellung der Städtelandschaft Westfalens garantieren.
Neben der Darstellung der konfessionellen Entwicklung Westfalens lässt sich das moderne Nordrhein-Westfalen über die historische Karte blenden und erleichtert damit die Orientierung des Nutzers, egal ob lediglich die aktuellen Verwaltungsgrenzen oder die topographische Karte angewählt wird.
Bei aller Dynamik, welche die Karte darzustellen vermag, darf nicht übersehen werden, dass auch mit dieser Methode lediglich ein Teil der Konfessionslandschaft Westfalens abgebildet werden kann. Die einheitlich eingefärbten Territorien stellen selten den tatsächlichen, vielmehr den offiziellen Konfessionsstand des jeweiligen Landesherrn dar. Daher ist von einem weitaus differenzierteren Bild auszugehen – oftmals existierten in einem Territorium Gemeinden zweier oder mehrerer Glaubensausrichtungen, ebenso fand sich vielerorts ein Mix aus den verschiedenen Bekenntnissen. Katholische Gemeinden mit lutherischen Einflüssen existierten in den Territorien genauso wie umgekehrt Relikte der katholischen Liturgie in ansonsten lutherischen Kirchen.
1517
Konfessionsstand 1517: Westfalen vor der Reformation
Zu Beginn des Betrachtungszeitraums fällt auf, dass die Thesen Luthers, die in den Jahren ab 1517 in weiten Teilen Deutschlands die bisherige Ordnung erschüttern, Westfalen kaum zu berühren vermögen. Anstelle einer durch die Reformation früh veränderten konfessionellen Landschaft, ist in Westfalen in der Zeit der einsetzenden Reformation eine „heile katholische Welt“ vorzufinden, die kaum Anzeichen für eine Etablierung des Protestantismus zeigt. Dennoch häufen sich in den westfälischen Städten ab dem Jahr 1525 Beschwerden über die Lebensführung des Klerus, die sich in vermehrt auftauchenden Protesten und Gravamina, also Beschwerdeschriften, seitens der Stadtbevölkerung zeigen. Der Unterschied zur Reformation Luthers besteht in den westfälischen Gravamina allerdings darin, dass der Beschwerdegrund nicht in der christlichen Lehre, sondern vielmehr im weltlichen Lebenswandel des Klerus zu verorten war. Die Menschen Westfalens kritisierten die mangelnde Seelsorge der Pfarrer, die Beteiligung des Klerus an den wirtschaftlichen Unternehmen der Städte und das Konkubinenwesen der Priester, deren Geliebte vielerorts den gesellschaftlichen Status einer Ehefrau für sich beanspruchten.
Die institutionelle Schwäche der Bischofskirche, die vielerorts eine mangelnde Kontrolle des Bischofs über die Besetzung der Pfarrstellen zur Folge hatte, die Privilegien der Kirche, vor allem aber die seelsorglichen Defizite der Priester schürten auch in Westfalen Unmut, der aber nicht auf eine umfassende Veränderung der Kirche abzielte. Deshalb kann für die frühen 1520er Jahre in Westfalen nicht von einer generellen Ablehnung der katholischen Lehre ausgegangen werden. Vielmehr finden sich, belegt beispielsweise durch Kirchenneubauten oder ein erstarkendes Prozessionswesen, Hinweise, auf eine tiefe Verwurzelung der alten Kirche in der Bevölkerung.URL zur Zitation: www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/reformation-in-westfalen/Reformation_in_Westfalen/index.html
1545
Konfessionsstand 1545: Die Etablierung der lutherischen Lehre in Teilen Westfalens
Mit ungefähr zehnjähriger Verspätung fasste die Reformation in Westfalen in den späten 1520er Jahren Fuß. Nachdem erste Prediger die Lehre Luthers verkündeten, führten zwischen 1530 und 1533 erste westfälische Autonomiestädte, etwa Minden und Lemgo, eine Kirchenordnung ein, zum lutherischen Bekenntnis wechselten in diesem Zeitraum auch Herford, Höxter, Lippstadt, Münster und Soest; 1538 folgte mit der Grafschaft Lippe das erste Territorium. Bis 1545 hatten sich große Teile Westfalens der neuen Lehre zugewandt. Die Reformation erfasste dabei nicht nur weltliche Landesherren - wie etwa Konrad von Tecklenburg mit seinen Grafschaften Tecklenburg, Lingen und der Herrschaft Rheda - sie fand auch innerhalb des Klerus, beispielsweise mit Franz von Waldeck als Fürstbischof von Münster, Minden und Osnabrück einen einflussreichen Unterstützer aus den Reihen der katholischen Kirche. Anhand dieser Fürstbistümer Franz von Waldecks zeigen sich aber die Grenzen der bischöflichen Macht, denn während es ihm gelang, die Reformation im Fürstbistum Osnabrück durchzusetzen, war ihm dies in Münster nur im Niederstift möglich, in welchem er die geistliche Obrigkeit darstellte. In seinem weltlichen Herrschaftsbereich, dem Oberstift, konnte er die altgläubigen Vertreter der Stände nicht für seine Überzeugung gewinnen. Die westfälische Landkarte von 1545 zeigt neben den katholischen und den lutherischen Territorien noch eine weitere Einfärbung: In Form eines reformkatholischen Mittelwegs versuchten die Herzöge von Jülich-Kleve-Berg in ihrem Herrschaftsbereich die katholische Lehre im Sinne des Humanismus zu reformieren, ohne die katholische Kirche dabei abzuschaffen. Mit ihrer Via media schafften Herzog Johann V. und seine Nachfolger einen Mittelweg zwischen katholischer und lutherischer Lehre und trugen ihre Reform der Kirche über die ihnen zugehörige Grafschaften Mark und Ravensberg in das westfälische Gebiet.URL zur Zitation: www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/reformation-in-westfalen/Reformation_in_Westfalen/index.html
1565
Konfessionsstand 1565: Nach dem Schmalkaldischen Krieg und dem Augsburger Religionsfrieden
Der Blick auf die Karte um 1565 zeigt eine im Vergleich zu 1545 stark veränderte Konfessionslandschaft Westfalen: Als Folge der Niederlage des protestantischen Lagers im Schmalkaldischen Krieg finden sich das Niederstift Münster und das Bistum Osnabrück wieder der katholischen Kirche zugehörig. Bischof Franz von Waldeck konnte, obwohl er kein offizielles Mitglied des Schmalkaldischen Bundes war, nach dessen Niederlage seine Reformationspläne in den ihm unterstellten Bistümern nicht weiter vorantreiben und musste sich schon 1547 dem Druck des altgläubigen Domkapitels beugen. Im Bistum Osnabrück war jedoch das Gedankengut der Reformation so verbreitet, dass seine Rekatholisierung nur in Teilen möglich war. Graf Konrad von Tecklenburg verlor die Grafschaft Lingen an den katholischen Kaiser Karl V. Während also die Niederlage des Schmalkaldischen Bundes eine Schwächung der lutherischen Kirche bedeutete, konnten die übrigen evangelischen Landesherren, gestärkt durch den Augsburger Religionsfrieden von 1555, die lutherische Konfession in ihren Territorien verankern. Der in Augsburg festgelegte Grundsatz cuius regio, eius religio erlaubte dem jeweiligen Landesherrn die freie Ausübung seiner Religion, die für seine Untertanen verpflichtend wurde. Die Folge der rechtlichen Gleichstellung von katholischer und lutherischer Kirche zeigte sich in neue Kirchenordnungen, die nach dem Jahr 1555 erlassen oder revidiert wurden. Mit Dortmund und Essen finden sich 1565 auch zwei Städte mit lutherischem Bekenntnis, die vorher unter dem Einfluss des Herzogs von Jülich-Kleve-Berg offiziell einen reformkatholischen Mittelweg beschritten hatten. Andere Städte, wie Höxter konnten sich in der Ausübung ihrer Konfession weiterhin erfolgreich gegen ihren Landesherrn durchsetzen. Die Beschlüsse des Augsburger Interims, einem Versuch Karls V. zur Wiederherstellung der kirchlichen Verhältnisse und die damit eingeleitete Rekatholisierung der ehemals protestantischen Gebiete, fanden in Westfalen kaum Anwendung.URL zur Zitation: www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/reformation-in-westfalen/Reformation_in_Westfalen/index.html
1590
Konfessionsstand 1590: Beginn des konfessionellen Zeitalters nach der zweiten Reformation
Um das Jahr 1590 erfuhr die westfälische Konfessionslandschaft einen erneuten Umbruch mit der Einführung des reformierten Bekenntnisses um 1588 in den Grafschaften Bentheim, Steinfurt und Tecklenburg im Nordwesten sowie Nassau-Dillenburg und Wittgenstein im Süden Westfalens. In der Grafschaft Lippe erfolgte die Einführung des reformierten Bekenntnisses mit einiger Verzögerung im Jahre 1605. Im Fürstbistum Minden hingegen setzte sich 1583 das lutherische Bekenntnis durch. Die bisherige protestantische Glaubensgemeinschaft teilte sich endgültig in die Anhänger der Lehre Luthers und der Calvins; letzteren fehlte in Luthers Lehre die Konsequenz und die klare Abgrenzung zur katholischen Kirche. Während Luther in der Kirche Bilder und damit Schmuck als Werkzeuge der Religionsausübung zuließ, forderte die reformierte Gemeinschaft eine Abkehr vom Bild und eine Konzentration auf das Wort in der Predigt. Damit veränderte sich das konfessionelle Gefüge um ein drittes Bekenntnis, das nun neben dem katholischen, dem lutherischen und der Via media als einer Zwischenform in den Territorien Westfalens Einzug hielt. Dabei ist festzuhalten, dass auch in den übrigen Territorien nicht von einer geschlossenen Glaubensgemeinschaft ausgegangen werden kann, es sich also meist mehr als eine Konfession in den Ämtern und Gemeinden nachweisen lassen. Selbst dort, wo offiziell nur eine Konfession existierte, ließen Mischformen eine breite Vielfalt religiösen Lebens entstehen. Die protestantischen Konfessionen begann sich erst herauszubilden, gleichzeitig hatten protestantische Einflüsse längst Einzug in die katholische Liturgie gehalten, wie überlieferte Visitationsprotokolle der katholischen Kirche deutlich machen.URL zur Zitation: www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/reformation-in-westfalen/Reformation_in_Westfalen/index.html
1650
Konfessionsstand 1650: Nach Ende des dreißigjährigen Krieges und der Festlegung auf das Normaljahr 1624
Mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 und dem ab 1642 verhandelten Westfälischen Frieden endete auch der Kampf um die vorherrschende Konfession in Westfalen. Auf dem Nürnberger Exekutionstag legten die Großen des Reiches die Verhandlungsergebnisse des Westfälischen Friedens 1650 verbindlich fest und veröffentlichten diese in den Nürnberger Rezessen. Damit folgte die offizielle Anerkennung der im Friedensvertrag formulierten Akzeptanz des Normaljahres 1624 hinsichtlich der konfessionellen Ausrichtung der jeweiligen Territorien innerhalb des Reiches. Nach zähen Verhandlungen war man dazu übereingekommen, die 1624 in den einzelnen Gebieten vorherrschende Konfession als die rechtmäßige Glaubensausrichtung des Landesherrn anzuerkennen. Mit der Akzeptanz des Status von 1624 verlor der bis dato verbindliche Grundsatz der Religionsfreiheit des Landesherrn, wie er 1555 im Augsburger Religionsfrieden formuliert worden war, seine Gültigkeit. Der katholischen Seite gelang es so, einen Teil der 1590 noch als lutherisch bezeichneten Territorien wieder der alten Kirche zuzuführen. Auf der anderen Seite fanden sich 1650 einige zuvor katholische oder lutherische Territorien nun der reformierten Konfession zugehörig. Andere konfessionelle Veränderungen innerhalb Westfalens sind hingegen unabhängig vom Dreißigjährigen Krieg festzustellen: So fielen 1609/14 die Grafschaften Ravensberg und Mark an das Kurfürstentum Brandenburg. Der neue Landesherr gewährte in den Grafschaften das Nebeneinander aller Bekenntnisses und beendete damit die Zeit der Via media in Westfalen. Im kurkölnischen Herzogtum Westfalen und den Fürstbistümern Münster, Osnabrück und Paderborn wirkte sich hingegen stärker die tridentinische Reform der katholischen Kirche aus, welche ein Zurückdrängen der Mischformen in den Kirchengemeinden zur Folge hatte. Als ein Sonderfall des Westfällischen Friedens ist die Einigung auf die alternierende Sukzession im Fürstbistum Osnabrück zu nennen, die keine Gleichberechtigung der katholischen und lutherischen Konfession, sondern ein abwechselndes Nacheinander dieser beiden in der Leitung des Fürstbistums bedeutete.URL zur Zitation: www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/reformation-in-westfalen/Reformation_in_Westfalen/index.html