In der Grafschaft Bentheim, die seit 1530 zusammen mit der Grafschaft Steinfurt von derselben Familie regiert wurde, begann 1544 die Einführung der Reformation unter Graf Arnold II. von Bentheim-Steinfurt (1497–1553). Dessen Sohn Everwin III. (1536–1562) heiratete 1553 Anna von Tecklenburg (1530–1582), die Erbtochter des ebenfalls dem Luthertum anhängenden Grafen Konrad von Tecklenburg (1501–1557). Dadurch wurden Bentheim, Tecklenburg und Steinfurt seit 1557 in Personalunion regiert. Als Everwin III. 1562 starb, übernahm Anna bis 1573 die Regierung als Vormund für den Sohn Arnold IV. (1554–1606), der ab 1588 das reformierte Bekenntnis in den einzelnen Territorien einführte.
Die Einführung der Reformation prägte auch das Stadtbild des heutigen Bad Bentheim, in dem sich Spuren dieses historischen Prozesses erhalten haben.
Reformierte Kirche
Die heute reformierte Kirche in Bad Bentheim befindet sich am Standort einer 1321 erbauten Vorgängerkirche. Zwar stammt das heutige Kirchengebäude erst aus dem Jahr 1696, allerdings handelt es sich um einen dezidiert reformierten Kirchenbau. Die Kirche besitzt keinen Chor. Alle Sitzbänke sind auf die an der Südwand befindliche Kanzel gerichtet. Taufbecken und Abendmahlstisch befinden sich unterhalb der Kanzel. Diese Einrichtung zeigt, dass beim reformierten Bekenntnis das Wort Gottes und dessen Auslegung im Zentrum des Gottesdienstes stand und steht.
Epitaph Everwins III.
Im Innern der reformierten Kirche in Bad Bentheim kann das Grabmal des Grafen Everwin III. von Bentheim-Steinfurt (1536–1562) aus dem Jahre 1562 besichtigt werden. Es wurde erst bei der Renovierung des Gotteshauses im Jahr 1961 wiederentdeckt. Das Epitaph zeigt halbplastisch den Verstorbenen kniend vor dem an das Kreuz geschlagenen Christus. Dieses Bild versinnbildlicht die Lehre Luthers von der Gerechtigkeit Gottes (iustitia dei): Gott, der ein persönlicher Gott für jeden ist, vergibt, so Luther 1520, dem Menschen trotz all seiner Sündhaftigkeit; dadurch macht er den Menschen gerecht, d.h. er nimmt ihn trotz Schuld an. Der Grund ist Christus, der Gottessohn, der für alle Menschen am Kreuz gestorben ist. Dieser Botschaft soll sich der innerliche Mensch, die Seele, mit „festem Glauben“ ergeben.
Über der Szene findet sich ein Spruchband mit einem weiteren Bekenntnis zur lutherischen Reformation: SOLI DEO GLORIA – „Allein Gott sei Ehre“, darunter die Inschrift NASCENDO MORIMUR – „Geboren, um zu sterben“. Die unauflösbare Verbindung von Leben und Tod war ein beliebtes Thema im 16. und im 17. Jahrhundert. In der Umschrift findet sich zudem der Wunsch, dass Gott der Seele des Grafen gnädig sei:
"Jm Jaer vnses Heren 1562 den 19 Februarij is in Godt vorstorven de Edel vnd wolgeborn Her Euerwyn Graue tho Benthem, Tecklenborch vnd Stenvorde Her tho Rede vnd Weuelinchaue sines olders int 26 Iaer heft regeret int 9 Iaer der Sele Godt genadt."
Ähnliches besagt die ebenfalls enthaltene lateinische Inschrift:
NOBILIS HOC TVMVLO COMES EBERWINVS HVMAT[VS] IN BENTHEM AC TECKLENBURG VIVE[N]S EXTITIT ILLE RECTOR, SED PARCE, PROH, TEMPORA PAVCA DEDERV[N]T OMNIPOTENS HVI[VS] FATVM REGAT ATQUE RELICTA.
„In diesem Grab ist der edle Graf Eberwin bestattet, der zu Lebzeiten als Regierender in Bentheim und Tecklenburg hervortrat; aber ach, die Parzen [Schicksalsgöttinnen der römischen Mythologie] gaben ihm nur wenig Zeit; möge der Allmächtige sich seines Geschickes und dessen, was er hinterlassen hat, annehmen.“ (Übersetzung: Peter Veddeler).
Epitaph der Anna von Tecklenburg
Ebenfalls im Innern der reformierten Kirche in Bentheim, neben dem Epitaph ihres Gemahls, findet sich das Grabmal der Gräfin Anna von Tecklenburg (1530–1582), Tochter Konrads von Tecklenburg, einem Anhänger der lutherischen Reformation. Ihr Epitaph enthält folgende Inschrift, die von den Wappen der Vorfahren umgeben ist:
IM IAHR 1582 AM 23 AVGVSTI IS DIE WOL GEBORNE FRAW FRAW ANNA GEBORNE GRAVIN VON TECKLENBURG ETC. WIDWE WEILANDT DES AUCH WOLGEBORNE HERN H[E]R EBERWIN GRAVE ZU BENTH[EIM] TECKLENB[URG] VND STEINF[URT] HERN ZU RHEDA VND WEVELINCKH[OVEN] ETC. WOLSELIGER GEDECHTNVS ALS IRE G[NADEN] 53 IHAR ERLEBT VND 20 IHAR IM WIDWEN STANDT ZVGEBRACHT ZV MVNSTER GODT SELIG ENTSCHLAFEN DARVF ALHIR NEBEN IRER G[NADEN] GODTSELIGEN HERN BEGRABEN VND VON IRER BEID[ER] G G [GNADEN] SOHN VND ERBEN DEM WOLGEBORN HERN H[E]RN ARNOLDT GRAVE ZU BENTH[EIM] TECKLENB[URG] VND STEINF[URT] HERN ZU RHEDA VND WEVELINCKH[OVEN] DIS MONUMENT BEIDEN GRAFLICHEN STAMMEN ZU EHREN VND EWIGER GEDECHTNVSZ GESETZT WORDEN
Lingerstiege (ehemals Loeninger Stiege)
Die heutige Lingerstiege hieß vermutlich seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die "Loeninger Stiege". Sie trug ihren Namen nach dem ersten lutherischen Pfarrer in Bentheim, Johann von Loen, der auch das Bentheimer Grafenpaar zum Übertritt zum lutherischen Bekenntnis 1544 veranlasst haben soll. Von Loen wohnte im Pfarrhof, der sich an dieser Straße (Ecke Kirchstraße/Lingerstiege) befand. Da man den Straßennamen später nicht mehr verstand, wurde er zu "Lingerstiege" umgedeutet.
Burg Bentheim
Katharinenkirche
In der Burgkapelle, die auch Katharinenkirche genannt wird und erstmals 1415 urkundlich erwähnt ist, wurde ab 1544 lutherischer Gottesdienst gefeiert, nachdem sich Graf Arnold I. von Bentheim zur neuen Lehre bekannt hatte.
Herrgott von Bentheim
Der sogenannte Herrgott von Bentheim, ein frühromanisches Steinkruzifix aus dem 11. Jahrhundert, befindet sich heute in der Katharinenkirche auf der Burg Bentheim. Es gilt als Wahrzeichen der Grafschaft und ist eines der ältesten Zeugnisse christlichen Lebens der Region. Es wurde 1828 als umgestürztes Wegkreuz in der Nähe der Burg in einem Acker ("Kreuzkamp") gefunden. Vermutlich war es im Zuge der Einführung des reformierten Bekenntnisses in der Grafschaft Bentheim nach 1588 vergraben worden, als auch andere Bilder und Statuen aus den Kirchen entfernt wurden. Davon berichtet die Lebensbeschreibung des Grafen Arnold von Bentheim Tecklenburg-Steinfurt (1554–1606), die sogenannte Vita Arnoldi comitis, die kurz nach 1609 abgefasst worden sein dürfte: "In diesem Jahr [1592] ahm 15. Aprilis hatt Graff Arnoldt die Pfarrkirchen zu Bentheim von allen Bäpstlichen reliquien reinigen, die Altaren abbrechen und die steinere Crucifixen, so rings umb den Kirchhoff aufgerichtet, waran in steinernen tafelen die passionhistori außgehauwen, imgleichen auch das groß Crucifixwerck, so nach der strassen unter einem hiezu sonderlich gebauweten hause aufgerichtet stant und mit schweren Unkosten kunstreich in stein geschnitten wahr, herunter werffen laßen." Bei diesem großen Kreuz soll es sich um den "Herrrgott von Bentheim" gehandelt haben.
Lafettengeschütz Burg Bentheim
Auf der Burg Bentheim findet sich neben dem Pulverturm noch ein Lafettengeschütz aus der Reformationszeit. Es wurde von Graf Everwin von Bentheim in Auftrag gegeben. Es trägt folgende Inschrift:
Everwin Grave To Benthem
Teklenborch Und Stenvorde Her To
Rede Und Wevelinckhove Ec.
Rueme das Velt das Rade ich
Wen ich spreck so hoet dich
Hans Wideman goet mich
Anno D(omi)ni 1557
Übersetzung:
Everwin Graf zu Bentheim
Tecklenburg und Steinfurt, Herr zu
Rheda und Wevelinghoven etc.
Räume das Feld, das rate ich
Wenn ich spreche [also: schieße], so hüte Dich
Hans Wideman goss mich
Im Jahr des Herrn 1557
Diese Inschrift enthält zwar keinen dezidierten Bezug zur Reformation. Allerdings soll dieses zeitgenössische Geschütz stellvertretend für andere Waffen stehen, die im Zuge der konfessionellen Auseinandersetzungen gefertigt wurden. Sie zeigen, dass das Ringen um die richtige Lehre nicht nur mit Wort und Schrift, sondern durchaus auch militärisch ausgefochten wurde. So sind etwa Geschütz-Inschriften von der Tecklenburg überliefert, die eindeutig auf die Reformation Bezug nehmen. Konrad von Tecklenburg, Everwins Schwiegervater, ließ die Geschütze anfertigen und mit den folgenden Schriftzügen versehen. So trugen zahlreiche Tecklenburger Geschütze den Wahlspruch der Reformation Verbum Domini manet in Aeternum oder dessen Abkürzung VDMIE („Das Wort des Herrn währt in Ewigkeit“) sowie den Spruch „Gott füg es zum Besten“. Eine weitere sogenannte Doppel-Kartaune war mit einem sehr martialischen Bekenntnis zur Reformation versehen: „Der Kautze heiß ich, Mönche und Pfaffen haße ich, Conradt Grave deß bin ich. Last Euch nichtt verdriessen. Ich will Euch Thürn und Maurn umbschießen.“ Mit Kanonen für das Evangelium.
Literatur
Werner Freitag, Reformation in Westfalen. Regionale Vielfalt, Bekenntniskonflikt und Koexistenz, Münster 2016, S. 173–192, S. 286–298.
Peter Veddeler, Das Grabmal des Grafen Everwin III. von Bentheim in der reformierten Kirche zu Bentheim, in: Bentheimer Jahrbuch 1985, S. 149–152.
Hans-Jürgen Schmidt, Die Kirchengemeinden in Bad Bentheim von den Anfängen bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts, in: Bad Bentheim. Aspekte einer Stadtgeschichte, hg. v. d. Volkshochschule des Landkreises Grafschaft Bentheim, 1. Aufl., Bad Bentheim 1996, S. 90–106.
Georg Dehio. Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bremen. Niedersachsen, bearb. v. Gerd Weiß u.a., München/Berlin 1992, S. 208–211.