Höxter
© Merian, Topographia Westphaliae, Sammlung IStG

Stadtreformation Höxter

Stadtherr: Fürstabt von Corvey
Reformator: /
Beginn der Reformation: 1533
Kirchenordnung: /

Der Reformationsverlauf zwischen 1533 und 1536 in der Autonomiestadt Höxter, die formal dem Kleinstterritorium des Fürstabtes von Corvey angehörte, seit 1434 vertraglich aber an den Landgrafen von Hessen und den Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel als Schutzherrn gebunden, ist aufgrund der Quellenlage nur unzureichend darzustellen.
Darüber, wie lutherische Ideen in die Stadt kamen, berichtet der Geschichtsschreiber der Reformation in Westfalen, Hermann Hamelmann, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Er schreibt, dass bereits in den 1520er Jahren die Lehre über Kaufleute, die andernorts Predigten gehört und Bücher Luthers und anderer Reformatoren gekauft haben, nach Höxter gekommen sei. In der Heimatstadt haben sich die Handelsleute dann untereinander ausgetauscht und die neue Lehre diskutiert.

  • Beginn des Reformierungsprozesses

    Auffallend am Reformationsprozess in Höxter ist, dass sich kein Prädikant als Anführer der Bewegung ausmachen lässt. Auch die Einführung einer Kirchenordnung unterblieb. Auslöser für die öffentliche Hinwendung zum neuen Glauben scheint ein Besuch des hessischen Landgrafen Philipps in der Stadt gewesen zu sein. Im Januar 1533 weilte dieser in der Stadt, um einen Fürstentag abzuhalten. Im Zuge dessen predigte ein Geistlicher aus dem Gefolge des Landgrafen. Es scheint daraufhin der Wunsch der Bürgerschaft entstanden zu sein, einen eigenen Prediger zu bekommen. Zunächst weigerte sich der Rat, da er die Rechte des Petri-Stifts verletzt sah. Dieses geistliche Institut war Patronatsherr über die drei Pfarren der Stadt: die Stiftskirche St. Petri sowie die Kilians- und Nikolaikirche. Philipp von Hessen als Verfechter der Reformation gab dem Rat allerdings auf, dem Begehren nachzukommen und dem Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana) entsprechend predigen zu lassen. Doch der Rat verwies auf das Besetzungsrecht des Petri-Stifts.
    Die Bürger wandten sich nun selbst an den Landgrafen, der eine Delegation schickte. Auf einer daraufhin einberufenen Bürgerversammlung, die vor dem Rathaus stattfand, wurde der Wunsch nochmals artikuliert. Nach Hamelmann erscholl ein Ruf aus der Menge, wer das Evangelium wolle, möge es mit erhobener Hand bezeugen. Die Mehrzahl der Bürger stimmte zu; der Rat musste nachgeben. Auch scheint in diesem Zusammenhang die Forderung erhoben worden zu sein, die Geistlichen sollten „ihre Mägde“, also Konkubinen, „in die Ehe führen oder umgehend entlassen“.

  • Einführung der Reformation

    Unter Einbeziehung der anwesenden hessischen Gesandtschaft wurde die Reformation vom Rat eingeführt und mit festen Strukturen versehen. Dies war möglich, weil der Rat vom Petri-Stift am 8. Juli 1533 vertraglich das Patronatsrecht an St. Kilian und St. Nikolai zugewiesen bekam. Für die Stiftskirche sicherten die Kanoniker zudem zu, einen evangelischen Prädikanten einzustellen. In allen drei Kirchen sollten lutherische Gottesdienste eingeführt, das Evangelium gepredigt und unter beiderlei Gestalt das Abendmahl empfangen werden. Erlaubt wurde den Stiftskanonikern aber weiterhin das Chorgebet. Laut Vertrag konnte das katholische Petri-Stift also weiter existieren; es musste jedoch die räumliche Trennung von Kirchenschiff (lutherischer Gottesdienst) und Chor (katholisches Messopfer) akzeptieren. 1534 oder 1535 kam es diesbezüglich zu Spannungen, die sogar in einer Entfernung von Kirchenausstattung mündeten. Hierauf jedenfalls lässt die Beschwerdeschrift des Konvents im Jahr 1549 schließen, in der beklagt wurde, dass „zirath“, der einst von „frommen leuten“ gespendet worden war, „hinweg genommen“ und anderweitig genutzt worden sei.
    Nach der Einführung der Reformation in Höxter fehlte noch der Prädikant, der die Leitung des lutherischen Kirchenwesens übernehmen konnte. Dieser wurde aus Einbeck geholt: Johannes Wenigenstedde/Winnigstedt wurde auf Geheiß des Rates an der Kilianskirche eingesetzt. Ihm zur Seite standen der aus Paderborn verwiesene Prädikant Polhenne an St. Nikolai und der Prädikant Coci an St. Petri. Wenigenstedde scheint zu Ostern 1534 in sein Amt eingeführt worden zu sein.

  • Absicherung der Reformation

    Am 15. September 1536 sicherte ein weiterer von den hessischen Räten vermittelter Vertrag zwischen Stadtrat und Stift die Reformation ab, indem der evangelische Gottesdienst in der Petrikirche bestätigt und der Stadt das Recht, dort Pfarrer und Schulmeister zu benennen, gewährt wurde. Im Gegenzug war es den Kanonikern weiterhin gestattet, ihre Stundengebete zu halten; der Zugang zu Kirche und Chor dürfe ihnen nicht verwehrt werden. Die Messe zu halten, sei ihnen aber nur im nahen Corvey gestattet. An dem Weg dorthin sollten sie nicht gehindert werden, wie auch die Prädikanten generell von den Räten aufgerufen wurden, die altgläubigen Kanoniker nicht zu schmähen. Bis zum Jahre 1550 hielt diese bikonfessionelle Konstellation.

  • Rekatholisierungsversuch

    Als 1550 der Bischof von Paderborn, Rembert von Kerssenbrock, im Rahmen der Umsetzung der kaiserlichen Formula reformationis versuchte, das Petri-Stift wieder in seine alten Rechte einzusetzen, berichtete er dem Kaiser, dass in Höxter „der gemeine Man in der Neuerung mehr geübt“ sei als in der katholischen Praxis. Rembert erreichte, dass das Petri-Stift am 31. März 1550 wieder in seine Pfarrrechte eingesetzt wurde. Doch schon 1552 übernahm der Rat erneut das Kirchenregiment; 1568 wurde das Luthertum im Petri-Stift eingeführt.

Literatur
Werner Freitag, Die Reformation in Westfalen. Regionale Vielfalt, Bekenntniskonflikt und Koexistenz, Münster 2016, S. 97 – 99, 106 – 109.

URL zur Zitation: www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/reformation-in-westfalen/Reformation_in_Westfalen/staedtederreformation/hoexter/index.html