Stadtreformation Soest
Stadtherr: Herzog von Kleve
Reformator: Thomas Borchwede, Gerdt Oemeken
Beginn der Reformation: 1531
Kirchenordnung: 1532
Das reformatorische Potential in Soest wurde durch die Aktion einer Person und ihres Umfelds entfesselt: Thomas Borchwede, Angehöriger des Soester Dominikaner-Konvents, heizte das reformatorische Klima in der Stadt an, indem er am 14. September 1531 am Kaak, dem Pranger der Stadt, ein Spottgedicht gegen den Ablass anschlug. Bei diesem Gedicht handelt es sich um eines der wenigen Zeugnisse aus Westfalen, das den Ablass in den Mittelpunkt der reformatorischen Kritik rückte.
Thomas Borchwede — der Reformator Soests
Borchwede setzte hinsichtlich der Einführung der Reformation auf die Unterstützung durch die Handwerkerschaft, während der patrizische Rat altgläubig blieb. Warum der Reformator von seinem Orden 1530 nach Soest entsandt worden war, ist umstritten. Möglicherweise handelte es sich bereits um die Strafversetzung eines schon reformatorisch gesonnenen gelehrten Mönches. Mit ihm kam auf jeden Fall der Glaubenskonflikt in die Stadt, denn auf seine reformatorische Predigt reagierte der Dominikanerorden. Dieser beklagte, dass Borchwede großen Irrtum in der Bürgerschaft erreicht habe. Es gebe Aufruhr und Unfrieden. Die Reformationsgegner forderten die Dominikaner auf, Borchwede durch einen katholischen Prediger zu ersetzen. Daraufhin verboten die Mönche Borchwede die Kanzel. Gleichzeitig wurde Johann Host von Romberg in die Stadt geschickt. Dieser Dominikaner war einer der wichtigsten Gegner der Reformation in Westfalen und hatte auch gegen Dr. Johannes Westermann in Lippstadt gepredigt. Romberg, gebürtig aus der Grafschaft Mark und damit Kenner Soests, begann sofort nach seiner Ankunft, wohl im September 1531, in der Petrikirche seine Predigttätigkeit, nahm also die Predigtstelle Borchwedes ein. Dieser saß selbst in der Kirche und störte die Ausführungen Hosts durch Zwischenrufe. Um den Stadtfrieden zu sichern, verbot der Rat beiden die Predigt in den Stadtkirchen und bat den Stadtherrn, den Herzog von Kleve, um Schiedsrichter. Romberg erkannte dies als Hinhaltetaktik und verließ die Stadt. Borchwede hingegen widersetzte sich einer vom Orden erwünschten Versetzung nach Leipzig. Die im Oktober erschienenen Schiedsrichter empfahlen das Verbot deutscher Lieder und der reformatorischen Predigt sowie die Ausweisung Borchwedes, doch ihre Ratschläge fanden kein Gehör. Denn noch am Sonntag, dem 29. Oktober, vier Tage nach der Ankunft der herzoglichen Räte und entgegen ihrer Empfehlung, wurden die deutschen Lieder „mit Freuden“ in den beiden Kirchen St. Petri und St. Pauli gesungen. Die Ausweisung Borchwedes unterbleibe, so der Rat, weil die Handwerker als Teil der Stadtverfassung dies nicht bewilligen wollten; die Räte verließen die Stadt wieder. Dies hieß nichts anderes, als dass nun die Reformation zur innerstädtischen Angelegenheit geriet: Parteien waren weite Teile der Bürgerschaft auf der einen, der patrizisch dominierte Rat auf der anderen Seite.
Im November 1531 rief Borchwede dann zur Disputation mittels Thesenanschlag auf. Seine handschriftlich verfassten 22 Thesen lehnten sich in ihren Formulierungen an die Confessio Augustana an. Sie wurden an die Türen der Dominikanerkirche, der Pauli-Kirche und des Patrokli-Münsters geheftet. Abschließend luden Borchwede und seine Mitunterzeichner, die in Soest tätigen Prediger Kelberg und Mollner, zu einer Disputation in das Patrokli-Münster ein. Diese sollte am nächsten Tag stattfinden. Doch die Kapitelherren sahen die Vorbereitungszeit als zu kurz an. Zudem sei dem Kapitel vom Klever Herzog verboten worden, eine Disputation durchzuführen, welche deshalb nicht zustande kam. Doch schon der Aufruf zu einem Streitgespräch stärkte die Reformationswilligen in Soest.Thomasauflauf und Bundbrief
Den eigentlichen Durchbruch der Reformation markiert dann der sogenannte Thomasauflauf. Am 21. Dezember (Thomastag) ließ der Rat den Prädikanten Johann van Kampen verhaften. Dieser war kurz zuvor nach Soest gekommen und hatte trotz Ratsverbot die Frühpredigt in St. Pauli übernommen. Als er aber in St. Petri predigen wollte, kam es zur Verhaftung. Deren Folge war ein bewaffneter Auflauf in den bekannten Formen der Stadtkonflikte: Sturmgeläut und Trommelschlag riefen die Bewohner – angeblich 3000 bis 4000 Bürger und Einwohner – auf dem Petrikirchhof zusammen, die dann das Stadtweinhaus besetzten, die Stadtschlüssel an sich nahmen und die beiden Bürgermeister Gropper und Greve gefangen setzten. Danach plünderten die Aufrührer Häuser von Geistlichen. Am folgenden Freitag kamen die Bürger auf dem Petrikirchhof zusammen und ernannten einen 24er-Ausschuss. Der Ausschuss war also nun ein neues Organ der gesamten Bürgerschaft. Jeder Stadtbezirk (Hove) entsandte vier Vertreter; damit war analog zu früheren Stadtkonflikten ein Organ geschaffen worden, das die Bürgergemeinde repräsentierte und in ihrem Namen legitim handeln konnte.
Ziel der Verhandlungen des neuen Ausschusses mit dem Rat war die Einführung des neuen Bekenntnisses. Am Samstag kamen die Bürger erneut auf dem besagten Kirchhof zusammen, zogen aber dann in die Stiftskirche um. Hier gelobten die beiden Bürgermeister öffentlich, nichts gegen die Aufrührer zu unternehmen und „by dem wort gotz to blyven levendich und doit“. Der Rat erhielt die Stadtschlüssel zurück, während die Bürger in Zweierreihen, Stadtbezirk für Stadtbezirk, zum Rathaus gingen, um gegenüber dem Rat den Bürgereid zu erneuern. Entsprechend antwortete der Rat den Bürgern in seinem Eid, sie in ihren Rechten zu erhalten. Damit war also das Einvernehmen wieder hergestellt – nun aber mit zwei gravierenden Veränderungen: zum einen war dem Rat der 24er-Ausschuss der Stadtbezirke und damit aller Bürger an die Seite gestellt worden. Viel bedeutsamer aber war, dass die Erneuerung der Bürgereide die Einführung der Reformation zur Voraussetzung hatte. Denn im Anschluss an die Eidesleistung hieß es: „An demselben (wurde) gegeben Siegel und Brief, wie man es mit dem Wort Gottes halten soll in den Kirchspielskirchen“.Soester Bundbrief
Welcher Art die Verhandlungen am zweiten und dritten Tag waren und inwiefern der Rat einbezogen war, wird nicht ganz klar. Offensichtlich aber bestätigten die Ratsherren durch ihre Unterschrift diese Verhandlungen. Bei dem „Brief“, den sie unterschrieben, scheint es sich um den sog. Bundbrief gehandelt zu haben. Dieser wird in der Forschung als Ausdruck der zwischen Rat und Gemeinde wiederhergestellten Eintracht bezeichnet. Schaut man sich diesen Bundbrief genauer an, so stellt man fest, dass es sich formal um einen Forderungskatalog handelte, der einen drohenden Unterton aufwies und keine Kompromisse zuließ. Das wohl von Borchwede im Namen der gesamten Handwerkerschaft und nicht im Namen der Stadtbezirke formulierte Schreiben entwickelt am Anfang ein endzeitliches Szenario: Im Reich sei das göttliche Wort „klar und hell“ erschienen. Deshalb sei in der Stadt eine „große Zwietracht“ zwischen dem Rat und der ganzen Gemeinde entstanden. Aus diesem Grunde seien „Ämter und ganze Gemeinheit“ zusammengekommen, um die Eintracht herzustellen, die von Gottes Wort komme. „Und da das Wort nicht ist, da ist Gott nicht vorhanden, und deshalb ist dort der Teufel und wenn da der Teufel [ist], dann gibt es keine Eintracht mehr, sondern Zwietracht, Zwist und Bosheit. Wir aber wollen das Reich der Eintracht und des Friedens. So haben wir uns besprochen, Ämter und ganze Gemeinheit, und einträchtig beschlossen, dass wir Gottes Wort in allen Kirchen dieser löblichen Stadt Soest wollen recht behandelt haben und gepredigt wird mit allen Dingen, [die] das göttliche Wort mit sich bringt, wie in Nürnberg, Straßburg, Augsburg, Wittenberg, Magdeburg, Braunschweig, Stralsund, Rostock, Lübeck, Hamburg, Stade, Bremen und Lüneburger Land und Livland gehandelt wird.“ Es seien in den Kirchen Soests „unerfahrene Prediger, Mönche und Pfaffen“ tätig, die nach dem päpstlichen Gesetz und nicht nach Christus gepredigt hatten. Diese solle der Rat ab- und Prediger einsetzen, die das Wort Gottes „klar und ohne alle menschlichen Sätze“ verkündeten. Auch eine Kirchenordnung wurde gefordert. Der Verweis auf den einmütigen Beschluss aller wurde mit dem Verweis auf den geleisteten Eid unterstrichen. Man habe Leib und Gut dem Rat anvertraut. Es sei „ernsthaftes Begehr“ aller, dass der „Rat dasselbe mit uns annehme und uns besiegelt“. Doch solle er dabei auch bestätigen, dass er „all dies gutwillig und nicht aus Zwang [druwen] mit uns angenommen hat“: Die Durchsetzung der Reformation mittels Drohung, Verhaftung und Tumult wurde also durch Konsensfassaden übertüncht.Einführung der Kirchenordnung
Unmittelbar nach dem Thomasaufstand bestellte der Ausschuss Johann van Kampen zum Prediger an der Hauptkirche der Stadt, also der Petrikirche, ignorierte dabei jedoch die Rechte des Patrokli-Stifts. Borchwede erhielt durch die 24er die Pfarrstelle an der Wiesenkirche zugeteilt; der Vizekurat wurde aus dem Pfarrhaus gewiesen. Die Rechte der eigentlichen Pfarrstelleninhaber wurden aber noch nicht berührt. Folge dieser Neubesetzung war, dass am Weihnachtstag 1531 „deutsche Psalmen“ während der Messe gesungen wurden. Zudem verlangte der Bürgerausschuss vom Rat, dass Gerdt Oemeken aus Lippstadt nach Soest geholt werden sollte, was dann auch erfolgte.
Nach seiner Ankunft am Neujahrstag 1532 machte sich Oemeken umgehend daran, eine Kirchenordnung zu erarbeiten. Am 5. Januar wurde die Reformation dem Stadtherrn mitgeteilt. Rat, alter Rat, Ämter und Gemeinheit – also die regulären Organe der Stadtverfassung – schrieben dem Herzog, dass sie beschlossen haben, das Wort Gottes in der Stadt dem Volk lauter und rein zu predigen.
Im Frühjahr 1532 wurden sukzessive auch die anderen Pfarrkirchen mit Predigern besetzt, die Vizekuraten vertrieben. Am 13. März schloss Oemeken die Kirchenordnung ab und legte sie dem Rat vor. Am 16. April 1532 wurde sie durch Rat und Bürgerschaft angenommen; die Reformation war damit formal abgeschlossen. Der nächste Schritt war die Übernahme der Patronatsrechte durch den Rat.Übernahme der Patronatsrechte durch den Rat
Faktisch geschah die Übernahme der Patronatsrechte durch den Rat am 25. Oktober, als er die sechs Inhaber der Pfarrstellen – die Stiftsherren des Patrokli-Stifts – aufforderte, entweder selbst zu residieren und das „Wort Gottes“ zu verkünden – was diese natürlich ablehnten – oder einen tauglichen Vertreter zu schicken, der vom Superintendenten vorgeschlagen werden und statt des Pfarrers die Pfründe genießen sollte. Da die Stiftsherren auch dieser Weisung nicht nachkamen, wurden die Pfarren mit ihren Pfründen nun endgültig der Verfügungsgewalt des Patrokli-Stifts entzogen. Der innerstädtische Druck auf die Katholiken erhöhte sich. Der sog. Laetare-Aufstand begann am 23. März 1533 mit Schmähungen gegen den Superintendenten Johannes de Brune, der in der Münsterkirche predigen wollte. Dieser fand auf der Kanzel einen Beutel, der ein angekohltes Holzstück, zwei Steine und ein faules Ei enthielt, was de Brune als einen auf ihn gemünzten Verweis auf die Todesstrafe für Ketzerei interpretierte.
Als Verantwortliche wurden die Katholiken der Stadt angesehen. Es kam zu ähnlichen Protestverläufen, wie sie beim Thomasauflauf beschrieben worden sind: Versammlung der Stadtbezirke (Hoven), Ausschussbildung und ein Forderungskatalog (die Laetare-Artikel), der auf die völlige Zurückdrängung der katholischen Partei abzielte. Im Zuge der Auseinandersetzungen verließen die Katholiken die Stadt, an ihrer Spitze altgläubige Ratsherren und die Stiftsherren von Patrokli. Ein neuer lutherischer Rat wurde eingesetzt.Pastorengezänk
Die Besetzung der Pfarrstellen barg ebenfalls Konfliktpotential. Dem katholischen Klerus war im Zuge der Reformation immer wieder vorgeworfen worden, die Seelsorge zu vernachlässigen. Tatsächlich residierten viele „Pfarrherrn“ nicht selbst, sondern ließen sich von anderen Klerikern vertreten. Zudem wurde von den Reformatoren das Pfründenjägertum beklagt, das seine Voraussetzungen in der ungleichen Ausstattung der Pfarrstellen hatte. Diese strukturelle Schwäche des Nebeneinanders von gut und schlecht dotierten Pfarrstellen in der alten Kirche konnten auch die Reformatoren nicht überall beseitigen, wie auch der Soester Streit zwischen Thomas Borchwede und Gerdt Oemeken zeigt. Als Letzterer Anfang Januar 1532 das Angebot des Rates annahm und in die Stadt kam, arbeitete er die Kirchenordnung aus und besetzte die Pfarrstellen. Aufgrund des Umstandes, dass Borchwede im Zuge der reformatorischen Abläufe vermutlich eigenmächtig die Predigerstelle an der bedeutenden Wiesenkirche eingenommen hatte, geriet er mit Oemeken aneinander. Dieser versetzte den Reformator Borchwede daraufhin an die kleinste Pfarrstelle der Stadt, an die Kirche Maria zur Höhe. Dadurch hätte sich Borchwedes Einkommen und Einfluss verringert, weshalb sich der Reformator weigerte und die Wiesenkirche nicht verließ; Oemeken betrachtete dies als Ungehorsam und beschwerte sich am 20. Januar 1532 beim Rat. Doch der Rat stellte sich hinter Borchwede und bestätigte ihm die größere Pfarrei. Zwar sind in den Quellen die Formen der Auseinandersetzung zwischen den Prädikanten (und auch innerhalb der Bürgerschaft) nicht belegt, doch müssen diese heftig gewesen sein, denn zum einen hörte man selbst in Münster davon und zum zweiten flossen sie in katholische Polemiken ein. In Bezug auf die katholischen Polemiken ist auf das Werk Daniels von Soest, Pseudonym eines Soester Klerikers, zu verweisen. Dieser deutet in seinen Versen den Konflikt an und fügt hinzu, dass Borchwede dem Alkohol ergeben gewesen sei und den Huren der Stadt hinter dem Altar die Beichte abgenommen habe; (auch) deshalb sei es zum Streit gekommen.
Politisches Taktieren des Rates
In Bezug auf den Stadtherrn agierten die Soester Ratsherren dann äußerst geschickt: Sie spielten auf Zeit, verweigerten die Zustimmung zur herzoglichen Kirchenordnung und versicherten sich auswärtiger Bündnispartner. Den aufgrund der jährlichen Abgaben teuren Weg zur Reichsstadt aber schlugen sie nicht ein.
Hinzu kam, dass der hohe Autonomiegrad im herzoglichen Territorium auch viele Vorteile bot: Am 20. August 1533 folgte die Aufforderung Herzog Johanns an die Stadt Soest, von ihrem „Aufruhr“ abzulassen und die von ihm verordnete Kirchenordnung anzunehmen. Dieser Appell blieb ungehört. Mehrmals versuchte der Herzog, die Soester zu Verhandlungen über die klevische Kirchenordnung zu bewegen, allerdings vergeblich. Zu Beginn des Juli 1534 fand ein Vergleichstermin statt. Dabei hörten sich die Soester Deputierten die Klagen der Klever Räte an, erklärten dann aber, sie seien nicht autorisiert, die Ordnung anzunehmen. Dies wurde von den Räten als Verschleppungstaktik betrachtet. Wenige Tage später zeigte eine Bürgerversammlung in Soest die Ablehnungsfront auf; die Bürger verweigerten dem Herzog den Gehorsam. Alle Bürger kamen auf einem Platz zusammen. Dort gaben sie sämtlich eine Erklärung ab, beim Evangelium zu bleiben und den Bundbrief zu halten.Erneute Ablehnung der Kirchenordnung Herzog Johanns
Diese erneute Schwureinung gab dem Rat das Mandat, dem Herzog die Annahme der Kirchenordnung erneut zu verweigern. Die Annahme des Evangeliums sei nicht um die Verkleinerung der Macht des Herzogs, sondern um der Seelen Seligkeit geschehen. Deshalb solle er die Stadt dabei belassen. Aufruhr habe es deswegen nicht gegeben. „Jetzt aber hätten sich alle miteinander verbunden, Gewalttaten zu strafen und lebendig oder tot zueinander zu halten.“
In dieser Situation bot sich Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen als Vermittler an; er war der Schwiegersohn Herzog Johanns, hatte er doch als Kurprinz 1527 die Herzogstochter Sibylle geheiratet. Auf seiner Reise nach Düsseldorf lud er zum 2. November 1534 den Rat zu einem Vermittlungsgespräch nach Essen ein. Er erinnerte die Stadt daran, alle aus der Stadt geflohenen Kleriker – das waren die Kapitelherren von Patrokli – nach Soest zurückkehren zu lassen. Auf der Rückreise nach Sachsen kam der Kurfürst dann persönlich nach Soest, wo er am 12. November 1534 einen Vergleich mit den Soestern schloss. Sie mussten versprechen, keine Bündnisse mit auswärtigen Mächten einzugehen. Dies war der Wunsch des Herzogs; vielleicht dachte dieser an den Schmalkaldischen Bund. Die entscheidende Frage aber, ob Soest den Anspruch des Herzogs auf geistliches Regiment anerkennen würde, wurde nicht beantwortet.
1537 ging die Stadt einen Schritt, der in Bezug auf die Soester Privilegien als außenpolitische Grenzüberschreitung zu sehen ist. Die Stadt zog nämlich die Karte des Schmalkaldischen Bundes, einem protestantischen Bündnis, das gegen den Kaiser gerichtet war. Genau diesen Eintritt aber wollte der Herzog verhindern, hatte die Stadt doch auf seinen Wunsch hin im November 1534 versprochen, keine Bündnisse einzugehen. Am 24. Dezember 1536 wandten sich Kurfürst Johann Friedrich und Landgraf Philipp von Hessen an die Stadt, zur Sitzung von Fürsten, Grafen und Ständen nach Schmalkalden am 7. Februar 1537 zu kommen, um über Maßnahmen gegen das für Mai 1537 ausgeschriebene Konzil zu beraten. Die von Luther ausgearbeiteten Schmalkaldener Artikel waren beigegeben. Diese sollten überdacht werden. Der Rat bestimmte drei Gesandte, zwei Ratsherren und den neuen Superintendenten thon Norde, die Handlungsvollmacht hatten.Zögerliche Verhandlungen mit dem Schmalkaldischen Bund
Allerdings gab es eine wichtige Einschränkung: Man müsse, so der Beglaubigungsbrief, auch in Schmalkalden Rücksicht auf die Rechte des Landesherrn, Herzog Johann, nehmen; gleiches gelte für alle Privilegien der Stadt. Superintendent thon Norde setzte dann seine Unterschrift
unter die von Luther ausgearbeiteten Schmalkaldischen Artikel. Zu den eigentlichen Beitrittsverhandlungen kam der hessische Vizekanzler Georg Nuspicker am 16. April 1537 nach Soest. Er forderte von den Soestern gemäß der Bundesverfassung einen Eintritt von 3.000 Gulden; dieses Geld war für Rüstung bestimmt und galt nur für den Friedensfall, im Konflikt sollten weitere 4.500 Gulden bereitgestellt werden. Nuspicker gewährte einen Zahlungsaufschub bis Ende Juli 1537 für die ersten 3.000 Taler, doch die Soester erbaten weitere Bedenkzeit und betonten gegenüber dem Landgrafen von Hessen, der „Steuerpfennig“ sei zu schwer. Zudem wolle man sich mit dem Landesherrn ins Benehmen setzen. Tatsächlich aber war dies eine diplomatische Meisterleistung: Soest nutzte nämlich den angedachten Beitritt als Trumpf in den Verhandlungen mit dem Herzog.Einigung mit dem Landesherrn
Am 15. Mai 1537 schrieb man dem Herzog. Anlass waren Verhandlungen in Düsseldorf (24.–26. Februar 1537), bei denen erneut die Beschwerden der Kleriker des Patrokli-Stifts zur Sprache gekommen waren. Diese sollten vor das Reichskammergericht gebracht werden. Die Stadt fragte deshalb beim Herzog an, wie er zu einem solchen Prozess stehe und ob er sie – die Soester – bei ihrem Bekenntnis lassen wolle. Im Übrigen sei man gerade in Beitrittsverhandlungen mit dem Schmalkaldischen Bund – die Beitrittsbedingungen seien akzeptabel, behaupteten die Soester!
Das aber wäre aber für den Herzog eine Katastrophe gewesen, wenn sich eine Stadt seines Herrschaftsbereiches gegen den Kaiser, den Gegner des Bundes, stellte. So lud der Herzog zu erneuten Verhandlungen nach Dinker ein. Dort sicherte am 6. August 1537 der herzogliche Gesandte, Johann Schmeling, der Stadt Soest zu, sie bei ihrem Bekenntnis zu belassen. Die Soester versprachen ihrerseits, alle Pläne hinsichtlich eines Beitritts zum Schmalkaldischen Bund aufzugeben. Daraufhin brach Soest alle weiteren Kontakte zu den Schmalkaldenern ab. Die Freiheit in der Religionsfrage im Territorium des katholischen Herzogs war den Soestern also wichtiger als das reichspolitische Bündnis für das Luthertum. Das neue Soester Kirchenwesen erlebte sechs Jahre nach der erfolgreichen Reformation die landesherrliche
Anerkennung. Auch das Interim, das unter dem Druck des Herzogs 1548 angenommen wurde, änderte auf lange Sicht nichts daran.
Literatur
Werner Freitag, Die Reformation in Westfalen. Regionale Vielfalt, Bekenntniskonflikt und Koexistenz, Münster 2016, S. 97 – 99, 106 – 109.
URL zur Zitation: www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/reformation-in-westfalen/Reformation_in_Westfalen/staedtederreformation/soest/index.html