Der christliche Islam-Experte und Religionswissenschaftler Adel Theodor Khoury verstarb am 14. Juli 2023
Nachruf von Mouhanad Khorchide
Adel Theodor Khoury war nicht nur Priester und Professor für Religionswissenschaft, sondern einer der bedeutendsten Islamexperten über den deutschsprachigen Raum hinaus, der sich unermüdlich für den christlich-islamischen Dialog eingesetzt hat. Seine deutsche Koranübersetzung sowie sein 12-bändiger Korankommentar machten den Koran für viele deutschsprachige Forscherinnen und Forscher sowie Interessierte zugänglich. Seine Koranübersetzung wurde 2009 im Iran als „Buch des Jahres“ in der Kategorie „Islamische Studien“ ausgezeichnet.
Khoury wurde 1953 zum Priester der griechisch-katholisch-melkitischen Kirche geweiht. Er war von 1970 bis zu seiner Emeritierung 1993 Professor und Leiter des Seminars für Allgemeine Religionswissenschaft an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. 1985 wurde er zum Berater des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog ernannt.
Nach dem Studium der Philosophie, Theologie und Orientalistik in Beirut und Lyon habilitierte er sich mit einer Arbeit über den byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaiologos. Beachtung jenseits der Wissenschaft fand diese Publikation vor allem deshalb, weil Papst Benedikt XVI. 2006 in einer Rede in Regensburg aus ihr zitierte. Dies zeigt die internationale Bedeutung der Arbeiten von Khoury.
Ich durfte Adel Theodor Khoury schon als Student bei einem Abendvortrag in Wien kennenlernen. Ich war beeindruckt, wie er als Christ bemüht war, ein differenziertes Bild vom Islam zu vermitteln. Ihm war es wichtig, nicht alle Muslime pauschal für alle Herausforderungen im Namen des Islams verantwortlich zu machen. Gleichzeitig war es ihm ein Anliegen, die positiven Potentiale des Islams hervorzuheben und daran zu erinnern, dass der Islam einst eine Hochkultur war, die ganz Europa geprägt und bereichert hat.
Und wie das Schicksal es wollte, durfte ich Professor Khoury vor etwa vier Jahren in Münster, wo ich zurzeit lehre, erneut begegnen. Er betreute gemeinsam mit mir eine Doktorarbeit zum christlich-muslimischen Dialog im Libanon. Khoury war Begründer und Leiter der Forschungsstelle für den christlich-islamischen Dialog in Harissa (Libanon). Diese gemeinsame Betreuungsarbeit ermöglichte es mir, in einen intensiven fachlichen Austausch mit Herrn Khoury zu treten. Er war davon überzeugt, dass die Grenze nicht zwischen Islam und Christentum verläuft, sondern zwischen menschenfreundlichen und menschenfeindlichen Interpretationen unserer Religionen. Er war in seinen Arbeiten darum bemüht, die Gemeinsamkeiten dieser beiden Religionen zu betonen, ohne jedoch die Unterschiede kleinzureden. Den Dialog zwischen Christentum und Islam bezeichnete er als "einzige annehmbare Alternative zu einer verlustreichen Konfrontation": "Ihr gemeinsames Anliegen ist die Beseitigung der vielen Missverständnisse und Vorurteile, die ihre gemeinsame Geschichte bis in unsere Tage hinein belasten, das Gewinnen gegenseitigen Vertrauens, das Erzielen einer tieferen Verständigung und einer allmählichen Annäherung der Partner, endlich die Überwindung einer Vergangenheit und einer Gegenwart voller Entfremdung, Konfrontation, Feindschaft und Hass."
In einem Zitat aus dem Jahre 2007 betont Khoury: "Der Westen ist nicht das Christentum; die Muslime sind nicht alle Anhänger der aggressiven Islamisten; nicht alle Christen nehmen eine ablehnende Haltung gegenüber dem Islam ein, und auch nicht alle Muslime gegenüber dem Christentum." Diese versöhnliche Haltung Khourys machte aus ihm einen Brückenbauer zwischen den Religionen.
Neben der Koranübersetzung und dem Korankommentar schrieb Khoury zahlreiche Bücher über den Islam, wie „Die Weisheit des Islams“ und „Der Islam und die westliche Welt: Religiöse und politische Grundfragen“. In diesem letztgenannten Buch vergleicht Khoury zentrale Elemente der beiden Religionen Islam und Christentum miteinander und zeigt auf, wo die Gemeinsamkeiten und wo die Unterschiede liegen. Am Ende seiner Ausführungen zeigt sich Khoury vorsichtig optimistisch, dass ein Dialog zwischen beiden Religionen gelingen könnte, wenn auf beiden Seiten die Bereitschaft wachse, den anderen Glauben zu verstehen.
Adel Theodor Khoury war der jüngere Bruder des libanesischen Religionsphilosophen und Islamwissenschaftlers Paul Khoury (1921–2021), der sich ebenfalls stark im christlich-muslimischen Dialog engagierte.
Adel Theodor Khoury verstarb im Juli 2023 im Alter von 93 Jahren in Bonn. Mit seinem Tod haben wir einen der ausgewiesensten Kenner nicht nur des Islams, sondern auch des spannungsreichen Verhältnisses zwischen der christlichen und der muslimischen Religion verloren.
Möge Gott seiner Seele gnädig sein.