Internationale Konferenz in Oujda zum Thema „Neue Diskurse in ʿilm al-kalām (Islamische Systematische Theologie)“
Oujda, Marokko
12. und 13. Juli 2019
Im Rahmen seiner internationalen akademischen Aktivitäten veranstaltete das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT Münster) der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in Zusammenarbeit mit dem „Forschungslabor für Islamische Studien und die Themen der Zukunft“ an der Universität Mohammed I. in Oujda, Marokko, am 12. und13. Juli 2019 ihr erstes gemeinsames internationales Symposium mit dem Titel „Neue Diskurse in der islamischen systematischen Theologie" unter Beteiligung von Fachexperten und Nachwuchswissenschaftlern aus Marokko und Deutschland.
Die Veranstalter wollten die Aufmerksamkeit der akademischen Gemeinschaft für die Bedeutung und Relevanz neuer Ansätze der islamischen systematischen Theologie für die Reformierung des gegenwärtigen islamischen Diskurses wecken. So kam es im Rahmen dieser Initiative zu einem der ersten internationalen Symposien, die der Diskussion des Themas gewidmet sind. Ziel der Initiative ist es u.a., die „Neue islamische systematische Theologie“ als eine neue eigene Disziplin innerhalb der islamischen Theologie zu entwickeln und akademisch zu etablieren.
Die moderne theologische Lehre zwischen Angaben der Wirklichkeit und Herausforderungen der Zukunft
Prof. Dr. Muhammad Tamsamani, Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Tétouan, Marokko hielt den Eröffnungsvortrag mit dem Titel: „Die moderne theologische Lehre zwischen Konditionen der Wirklichkeit und Herausforderungen der Zukunft: am Beispiel der Fakultät für systematische Theologie“. In seinem Vortrag versuchte Prof. Tamsamani, die Merkmale dogmatischer Lehre im maghrebinischen Kontext zu zeigen. Dabei unterschied er zwischen dogmatischer Lehre, Glauben und systematischer Theologie. Er betonte die Gefahren der Verwechslung dieser Konzepte im gegenwärtigen sozialen und akademischen Kontext. Ebenfalls unterstrich er die Notwendigkeit für eine Erneuerung der systematischen Theologie. Die neuesten Ansätze der Gegenwart sollen in die systematische Theologie integriert werden.
Göttliche Barmherzigkeit: ein neuer Horizont für die islamische systematische Theologie
Der Vortrag von Prof Dr. Mouhanad Khorchide befasste sich mit dem Thema „Göttliche Barmherzigkeit: Ein neuer Horizont für die islamische systematische Theologie“. Seinen Vortrag entwickelte Prof. Khorchide auf der Tradition deutscher Philosophie – insbesondere Kants, die versuchte, die Verwurzelung der Rationalität religiöser Glauben zu etablieren, anstatt deren Authentizität zu beweisen. Damit wird die Suche in der Manifestation der Göttlichen Barmherzigkeit zu einer Suche in der Angemessenheit der Idee und ihrer Gültigkeit. Dies erlaube es, einen neuen Horizont für die islamische systematische Theologie zu öffnen. Viele Herausforderungen können so wahrgenommen werden, wie die Verwirklichung des globalen Friedens und die Konsolidierung neuer islamischer Interpretationen, die den islamischen Grunddogmen nicht widersprechen, einem guten Auskommen mit ihrer Umwelt förderlich sind und gleichzeitig der derzeitigen Entfremdung unter den Muslimen entgegenwirkt.
Lesung in den Anfängen der neuen islamischen systematischen Theologie
Shibli al-Nu'mani ist einer der Ersten, der den Begriff „Neue islamische systematische Theologie“, auch als Titel seines berühmten Buches, zu Beginn des 20. Jahrhunderts geprägt hat. Er verwendete damals diesen neuen Begriff, um die Modernität dieses theologischen Ansatzes zu rechtfertigen. Angesichts der Bedeutung dieses Buches bot Prof. Dr. Abdelkader Bettar in der zweiten Sitzung über „Die systematische Theologie und Fragen der Gegenwart“ eine kritische Lektüre des Inhalts und des historischen Kontexts von Nu'manis Buch an. Der Vortrag trug den Titel „Lesung im neuen islamischen systematischen theologischen Projekt von Habibullah Shibli Al-Nu'mani“.
Systematische Theologie: Lesung eines Konzepts
Prof. Dr. Khaled Zuhri befasste sich mit dem Konzept der neuen islamischen systematischen Theologie. In seinem Vortrag „Erneuerung der gegenwärtigen systematischen Theologie: Konzeptdiskussion und thematische Annäherung“ betonte er die Notwendigkeit der Offenheit gegenüber der deutschen Akademie und ihren Leistungen in Bezug auf die Forschung der systematischen Theologie. Denn es sei kein Geheimnis, dass die deutsche orientalistische Schule für ihre ausgezeichnete Forschung in diesem Bereich bekannt ist, insbesondere für die Editierung und Veröffentlichung islamischer systematisch theologischer Texte (Helmut Ritter, Van Ess, Sabine Schmidtke usw.). Er diskutierte auch das Konzept der Erneuerung, die er als kein zufälliges Attribut, sondern als inhärentes Merkmal der systematischen Theologie sieht. Aus dieser Sicht schlug der Referent einen anderen Begriff vor, „Die zeitgenössische islamische systematische Theologie“. Anschließend erklärte er, dass die Erneuerung in der islamischen systematischen Theologie auf vier Ebenen geschehe:
– Inferenzielle Ebene.
– Methodologische Ebene.
– Ebene des Verstehens der Fragen und ihrer Erläuterung.
– Ebene der dringenden und neu aufkommenden Fragen.
Gegenwärtige islamische systematische Theologie
Dr. Yassine Yahyaoui präsentierte in der dritten Sitzung „Die islamische systematische Theologie und die Methodologie“ ein Forschungspapier mit dem Titel „Die Etablierung einer zeitgenössischen Theologie auf der Grundlage des Erbes der islamischen systematischen Theologie“.
Dabei versuchte er, die Merkmale traditioneller Paradigmen zu definieren, um zwei Grundideen zu prüfen:
1. die Richtigkeit des Anspruchs auf eine methodologische Entfremdung und
2. inwieweit die islamische systematische Theologie auf der Grundlage des islamischen theologischen Erbes erneuert werden kann.
Der Referent ging davon aus, dass Ibn Khaldun Recht gehabt hatte, als dieser seinerzeit die systematische Theologie als überholt bezeichnet hatte, was verständlicher in der heutigen Zeit werde, die uns erlaube, die islamische Ideengeschichte zu beobachten. Dies sei strukturell bedingt und von der Art und Weise abhängig, wie der arabische/muslimische Geist die Welt um sich herum darstellt sowie von den Leitideen, die das Denken der Gesellschaft steuern und deren Entwicklung bestimmen. Die Erkenntnisse des Referenten erlauben es – seiner Hypothese zufolge – die Natur der Einschränkung des Horizonts der islammischen systematischen Theologie zu erklären, die Ibn Khaldun beschrieb und die das Entstehen einer religiösen Philosophie verhinderte, die sich mit der Beziehung Gottes zum Menschen in der Dimension der Barmherzigkeit befasste.
In der gleichen Sitzung präsentierte Dr. Abdalrahman Zaatari seine Arbeit zum Thema „Die islamische systematische Theologie in der zeitgenössischen marokkanischen Lehre“. In seinem Beitrag stellte er die wichtigsten marokkanischen intellektuellen Projekte vor, die sich mit der islamischen systematischen Theologie befassten. Diese beabsichtigten entweder die Wiederbelebung und Erneuerung oder die selektive Bearbeitung oder die methodologische Ablehnung. Der Referent analysierte die Schule von Prof. Taha Abdulrahman und die von Abdalmagid al-Saghir als die führenden Verfechter der Erneuerung der systematischen Theologie, sowie die Schule von Prof. Abdallah al-Aroui und dessen Nachschlagewerk „Das Konzept des Geistes“ und seine Kritik der systematischen Theologie im zeitgenössischen und modernen Kontext.
Das Symposium endete mit einer Runde, in der alle Ansätze und Thesen aus den drei Sitzungen gemeinsam diskutiert wurden.