Das Forschungsprojekt "Speicherstadt Münster"

Bis Dezember 2008 wurde am IStG durch die Unterstützung der Westfälisch-Lippischen Vermögensverwaltungsgesellschaft die Geschichte der "Speicherstadt Münster" erforscht. Dabei ging es um die Entwicklung des ehemaligen Heeresverpflegungsamtes und um die dort seit den 1990er Jahren vollzogenen Konversionsmaßnahmen.
Die Unterschutzstellung des ehemaligen Heeresverpflegungshauptamtes in Münster im Jahr 1998 offenbarte den Denkmalwert der Gesamtanlage und die besondere Bedeutung des Areals für die städtebauliche Entwicklung. Die Anlage, in der mit neun Speichergebäuden und einer Heeresbäckerei die Versorgung des Militärs sichergestellt werden sollte, steht als 'Dokument der Aufrüstung' für die intensiven Kriegsvorbereitungen der 30er Jahre und besitzt zugleich Modellcharakter für zahlreiche weitere, auf Normierung und Wirtschaftlichkeit ausgerichtete Reichstypenspeicher dieser Zeit. Aufgrund der Gebäudenutzung nach 1945 durch die Britische Rheinarmee als Verpflegungs- und Möbellager (Winterbourne-Kaserne) wurde das Ensemble vor dem Verfall bewahrt und ist heute eines der besterhaltenen seiner Art, für das durch den neuen Eigentümer, die WLV, ein sinnvolles Konversionskonzept umgesetzt werden konnte. Dieses hat trotz notwendiger baulicher Veränderungen den Charakter der "Speicherstadt" erhalten und ermöglicht heute ihre Nutzung als Dienstleistungs- und Kommunikationszentrum mit Verwaltungs-, Büro- und Archivräumen.
Ziel des am IStG angesiedelten Projektes war es, die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Gesamtanlage, ihre ehemalige Bedeutung und ihr heutiges durch die erfolgreiche Konversionsmaßnahme entstandenes Erscheinungsbild zu dokumentieren. Hierfür wurden acht Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen herangezogen, die das Thema unter alltags-, militär-, architektur-, denkmal-, sozial- und agrargeschichtlichen Aspekten vergleichend betrachteten. Die Forschungsergebnisse wurden sowohl in der Publikation als auch in der begleitenden Ausstellung präsentiert und ermöglichen somit einen öffentlichen Diskurs über Stadtentwicklungsprozesse und einen angemessenen Umgang mit den Spuren der Vergangenheit.

... zur Publikation

Das Online-Projekt

Im Anschluss an Forschungsprojekt, Publikation und Ausstellung wurde ein Internet-Portal errichtet, das auf der Grundlage einer digitalen Verbreitungskarte sämtliche, bislang bekannten Standorte von Heeresverpflegungsämtern kartiert und darüber hinaus Zusatzinformationen anbietet. So sind Texte und Bildmaterial abrufbar, die den Katalogteil der Publikation ergänzen und fortführen. Das Portal ist als Open-Access-Ressource konzipiert: Neue Informationen zu bislang unbekannten Standorten werden nach einer redaktionellen Prüfung und Bearbeitung am IStG eingepflegt. Sollten Sie über Text- und/oder Bildmaterial verfügen, wenden Sie sich bitte an die unten angegebene Kontaktadresse.

Projektseite Speicherstadt Muenster
Screenshot des Internetauftritts zur Speicherstadt Münster

Verbreitungskarte "Heeresverpflegungsämter"

Verbreitungskarte Heeresverpflegungsaemter
interaktive Verbreitungskarte der Heeresverpflegungsämter im ehem. Dt. Reich

Als ein wesentliches Ergebnis des Projektes ist die Entwicklung einer Architekturtopographie der Reichstypenspeicher zu sehen, die in einer digital realisierten "Verbreitungskarte" die flächendeckende Errichtung dieser militärisch funktionalen Bauformen im Deutschen Reich und somit das Ausmaß der Kriegsvorbereitungen verdeutlicht. Zudem bietet der Vergleich mit den übrigen Standorten ehemaliger Heeresverpflegungsämter einen Blick auf den differenten Umgang mit architektonischen Altlasten, der das Spektrum von Abriss, allmählichem Verfall über weitere militärische Nutzungen hin zu anderen erfolgreichen Konversionsmaßnahmen offenbart. Die historische und architekturgeschichtliche Aufarbeitung der "Speicherstadt Münster" beschreibt eine gelungene Umnutzung und Neubelebung brachliegender Wirtschaftsflächen innerhalb der Stadt; sie dient als Anregung für neue innerstädtische Entwicklungskonzepte und zeigt den Weg für moderne Konversionsmaßnahmen ohne Verlust der Denkmalsubstanz auf.

Die Ausstellung zur Publikation

Speicherstadt Ausstellungseroeffnung Dez2008
Ausstellungseröffnung am 17.12.2008 (Foto: IStG)

Vom 18. 12. 2008 bis zum 9. 1. 2009 wurde in der LWL-Bürgerhalle des LWL-Landeshauses eine Ausstellung zur Publikation präsentiert, die im Anschluss daran bis Februar 2009 in der Speicherstadt in Münster Coerde zu sehen war.
Im Mittelpunkt stand die Geschichte des ehemaligen Heeresverpflegungs-hauptamtes in Münster, wobei der zeitliche Rahmen durch die jeweiligen Nutzungsphasen gesetzt wurde:

-Die Bau- und Nutzungsgeschichte des Heeresverpflegungshauptamtes 1938-1945
-Die britische Besatzungs- bzw. Stationierungszeit 1945-1994
-Die zivile Umnutzung durch die WLV seit 1998 bis heute mit der Schaffung eines modernen Kommunikations- und Dienstleistungs-zentrums

Zudem konnte der direkte Vergleich zu weiteren derzeit bekannten Reichstypenspeichern des ehemaligen Deutschen Reiches unter Einbeziehung der entsprechenden Konversionsmaßnahmen gezogen werden. Ein Bilderfries zeigte andere Heeresverpflegungsämter von Aalen bis Tübingen, die einer erfolgreichen Neunutzung zugeführt wurden (z.B. Stendal), aber auch solche, die nach mehreren Jahren des Leerstands abgerissen werden mussten (z.B. Paderborn-Neuhaus) oder derzeit noch auf Investoren warten, um dem drohenden Verfall entkommen zu können (z.B. Halle/Saale). Umfangreiches Material ergänzte die Texte – wie z.B. ein Architekturmodell der Anlage, Getreidesäcke der Silospeicher oder Fotos aus der Zeit der Britischen Besatzung – und untermauerte sehr anschaulich die Berichte der Zeitzeugen aus der Frühzeit des ehemaligen Heeresverpflegungshauptamtes. Für Technikbegeisterte wurde das System der Kornförder- und Speicheranlagen erläutert, das heute noch in einem Speichergebäude in Münster-Coerde erhalten und am Tag des offenen Denkmals zugänglich ist.