Vorkehrungen und Regeln. oder: Kollektive Antworten auf Epidemien
Dossier "Epidemien. Kulturwissenschaftliche Ansichten"
Vorkehrungen und Regeln im Zusammenhang mit der Bewältigung epidemischer Notlagen werden insbesondere dieser Tage heftig diskutiert: Die Berichterstattung zitiert Umfrage- und Zustimmungswerte zur Wahrnehmung der Angemessenheit bestimmter Maßnahmen; Alltagsmasken werden als ‚Maulkorb‘ polemisch zum Symbol obrigkeitsstaatlicher Repression erklärt; Gerichte reagieren auf Privatklagen gegen parlamentarische Beschlüsse – die Pandemie und unser Umgang mit ihr im Spannungsfeld von individuellen Rechten und kollektiven Erforderlichkeiten ist nicht nur ein sensibles Politikum, sondern berührt ebenso ethische Fragen.
Die Diskussionen um die Verhältnismäßigkeit, Effizienz und Effektivität der getroffenen Vorkehrungen und Regeln zur Eindämmung und Bewältigung der Pandemie lässt zwei Dinge sehr klar werden: Zum einen, dass individuelle – und bisweilen auch existenzielle – Bedürfnisse teilweise in diametralem Gegensatz zur kollektiven Dimension gesamt-gesellschaftlicher Notwendigkeiten stehen können. Zum Zweiten zeigt sich zugleich die unbedingte Gewissheit, dass Reaktionen, dass kollektive Antworten auf die enormen Herausforderungen, die Pandemien für Gesellschaften darstellen, notwendig sind und gefunden werden müssen.
Im aktuellen Dossier der ‚Kulturwissenschaftlichen Ansichten‘ widmen sich die beteiligten WissenschaftlerInnen gewohnt interdisziplinär und aus verschiedensten Perspektiven nicht nur den alltagspraktischen Maßnahmen und Vorkehrungen im Umgang mit Pandemien, sondern zugleich auch der Frage, welche Werte-, Norm- und Regelvorstellungen der pandemische Bewältigungsprozess berührt und offenlegt.