Epidemien: Bilder, Metaphern, Allegorien
Dossier "Epidemien. Kulturwissenschaftliche Ansichten"
Seit schwere Infektionskrankheiten beobachtet und beschrieben werden, stellt sich das Problem ihrer Darstellung in den unterschiedlichen Medien. Da sie bzw. ihre Erreger als solche sich der sinnlichen Wahrnehmung entziehen bzw. entzogen, solange keine entsprechenden Hilfsmittel zur Verfügung standen (s. Dossier „Sichtbarkeit“), war man auf andere Strategien der Darstellung angewiesen. Eine davon ging davon aus, die Symptomatik von Infektionen zum Gegenstand zu machen, indem man etwa Menschen mit Pestbeulen darstellte oder in der Rede vom ‚Schwarzen Tod‘ eine metonymische Bezeichnung aufgrund einer klinischen Erscheinung konstruierte. Allgemeiner konnte auch das Phänomen einer dramatischen Mortalität als begriffliche Grundlage dienen („gran morìa“/„großes Sterben“).
Ein anderer Ansatz konnte darin bestehen, mit symbolischen oder allegorischen Darstellungsmodi zu operieren. Für Covid-19 wird immer wieder mit der Wellenmetapher gearbeitet, jüngst wurde die Metapher des Waldbrandes vorgeschlagen. Älter sind Bildformeln wie der Sensenmann oder die Pfeile sowie Metaphern wie die „Gottesgeißel“, der „morbus gallicus“ (‚Franzosenkrankheit‘ als Bezeichnung für die Syphilis) oder die „Lustseuche“ (ebenfalls für Syphilis oder in der jüngeren Vergangenheit für AIDS). Solche Symbole oder Begriffe brachten und bringen nicht allein Krankheiten zur Darstellung, sondern bieten vielfach Ansatzpunkte für die Verknüpfung mit anderen Diskursen, tatsächlichen oder gefühlten Bedrohungsszenarien oder Konzepten sozialer Abgrenzung (‚othering‘). Überdies können Epidemien und Infektionskrankheiten ihrerseits zur Metapher oder zum Bild für andere Phänomene werden.
Die Beiträge des vorliegenden Dossiers beleuchten einige Facetten der hier umrissenen Problematik – in einem Spektrum, das, wie gewohnt, von der Alten Geschichte bis zur Kunst- und Literaturgeschichte.