Einen weiteren Kadenztyp, die dreisilbig klingende Kadenz, findet man in Vers 47:
47 Sîn name was gnuoc erkennelich
Zur Unterstützung hören sie hier einen geschulten Sprecher:
Die Akzente sind leicht zu verteilen:
o o o p
47 Sîn name was gnuoc erkennelich
In metrischer Notation mit gespaltener Hebung im zweiten Takt:
o o o p 47 Sîn name was gnuoc erkennelich r °wq r ° t r° t r°z ^°
Neu ist, dass hier ein klingender Reim drei Silben hat (‚kén-ne-lìch'). Verschiedene Metriker bestreiten die Existenz einer solchen Kadenz, da sie der männlich einsilbigen recht ähnlich ist. Wir sind aber der Auffassung, dass Ähnlichkeit in diesem Fall nicht Gleichheit bedeutet und setzen daher (mit Heusler u.a.) eine dreisilbig klingende Kadenz an. Der Unterschied zur männlich einsilbigen besteht darin, dass es hier eine Nebenhebung ist, die den Vers beschließt.
Der Grund dafür liegt in der Natur der germanischen Sprachen. Anders als etwa ihre romanischen Verwandten haben die germanischen Sprachen nur einen Hauptakzent für jedes Wort (z.B. ‚erkénnen') (vgl. Kohler: S. 191-196.). Das schließt nicht aus, dass andere Silben einen Nebenakzent tragen, doch der Unterschied in der Betonung ist in jedem Falle hörbar: Die letzte Haupthebung des Verses liegt auf ‚kén'. Daher muss die Hebung auf der Silbe ‚lìch’ eine Nebenhebung sein. Hieraus ergibt sich eine dreisilbige Kadenz.
Man vergleiche dagegen den Schluss des zweiten Verses im ›Armen Heinrich‹, der mit den Wörtern ‚buochen las' endet. Hier wird die Kadenz durch ein einsilbiges Reimwort gebildet, das den Hauptton trägt. In metrischer Notation: °tr°t^°.