In Vers 34 tritt erstmals im ›Armen Heinrich‹ das Phänomen der gespaltene Senkung auf. Analysieren Sie den Vers zunächst wie gehabt (die Kadenz ist männlich zweisilbig).
o o o o 34 die ein ritter in sîner jugent ° t r °t r r°t r°wq ^ °
Zur Unterstützung hören Sie hier unseren Sprecher:
Man sieht auf den ersten Blick, dass der zweite Takt überfüllt ist. Die naheliegende und bereits bekannte Lösung wäre, eine gespaltene Hebung anzunehmen. Allerdings müsste die erste Silbe die Bedingung erfüllen, kurz und offen zu sein. Bei der Trennung des Wortes ‚rit- ter' in Sprechsilben erkennt man, dass die erste Silbe zwar kurz ist, aber nicht offen (sie schließt mit einem Konsonanten). Damit kann hier keine gespaltene Hebung vorliegen. In diesen eher seltenen Fällen setzt man eine gespaltene Senkung an. Es ergibt sich folgende Umschrift:
o o o o 34 die ein ritter in sîner jugent ° t r °tq q°t r°wq ^ °
Der geschulte Sprecher realisiert die gespaltene Senkung folgendermaßen:
Gibt es phonetische Bedingungen für das Ansetzen einer gespaltenen Senkung? Hier streiten sich die Metriker. Helmut Tervooren u. a. sind der Ansicht, eine gespaltene Senkung brauche keine Bedingung (vgl. Tervooren: S. 5 (3.2.3)).
Andere – dieser Gruppe schließen wir uns an – sehen aber sehr wohl phonetische Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um eine gespaltene Senkung anzusetzen. Und zwar muss entweder die erste Silbe der Senkung kurz und offen sein, oder es muss eine kurze Endsilbe auf ‚er’, ‚el’, o.ä. vorliegen, sodass das ‚e’ leicht "geschluckt" werden kann.
Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass in der mittelhochdeutschen Metrik die gespaltene Senkung °tq q° relativ selten vorkommt. |