Cornelis Cornelisz., Hl. Antonius von Dämonen gepeinigt, Detail
© Leiden, Museum de Lakenhal

Dämonen. Spiritualität – Erscheinung – Materialität

Ringvorlesung am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ im Wintersemester 2024/25

Der Exzellenzcluster lädt im Wintersemester 2024/25 zu einer Ringvorlesung unter dem Titel „Dämonen. Spiritualität – Erscheinung – Materialität“ ein. ,Dämonen‘ sind schwer fassbaren Wesenheiten, die seit der Antike den Menschen heimsuchen und selbst noch im Diskurs der Moderne präsent sind. Das große Wort ,daimon‘ konnte im antiken Griechenland als Synonym für ,theos‘ (Gott) gebraucht werden, bezeichnete aber häufiger die Macht des Göttlichen im Allgemeinen. Dämonen sind im Denken der Antike Mittler zwischen Gott und den Menschen; sie stellen gleichsam das Band zwischen der sinnlichen und der übersinnlichen Welt dar. Der christlichen Philosophie dienen Dämonen als Ankerpunkte für die Diskussion über den Ursprung des Bösen und dessen Status in der Welt.

Für die Menschen der Frühen Neuzeit waren Dämonen eine Realität. Grundsätzlich war es für jeden Menschen denkbar, mit Dämonen in Kontakt zu kommen. Nachdem im Zuge der ‚wissenschaftlichen Revolution‘ der Glaube an Dämonen zurückging, kam es zur Ausbildung eher abstrakter Konzepte des Dämonischen sowie zur Vorstellung des dämonischen Menschen. Auch wenn Dämonen in der Moderne vielfach metaphorisch verstanden werden, haben sie in Kunst und Literatur nichts von ihrer Faszinationskraft verloren.

Vortragende aus Literaturwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte beleuchten das Thema ,Dämonen‘, indem sie Theorien und Konzepte des Dämonischen diskutieren und die historisch sich wandelnde Beschaffenheit dämonischer Wesen in den Blick nehmen. In einer fächerübergreifenden Perspektive zeigen die Vorträge, wie Menschen vom Mittelalter bis in die Gegenwart hinein die Idee der Existenz eines latent bedrohlichen weder menschlichen noch göttlichen ‚Anderen‘ in ihren jeweiligen kulturellen Medien verarbeiten. Konkret beobachtet wird dies an Erzählungen von Beziehungen, die Menschen mit Teufeln, Dämonen, Feen und Hexen eingehen, an der dramaturgischen Inszenierung des Dämonischen im Theater und an Beispielen spätmittelalterlicher Baukunst. Ein gemeinsamer Fluchtpunkt ist die Frage, wie sich in den jeweiligen Entwürfen des Dämonischen historische Vorstellungen vom Wesen des Menschen spiegeln.

Silvia Reuvekamp (Münster)

Dämonen im Kontext. Literatur, Religion, Politik und Recht

Im 12. Jahrhundert entsteht eine neue, bis in die gegenwärtige Popkultur hinein wirksame literarische Gattung, die von Beziehungen zwischen Menschen und Dämonen handelt. Zeitgleich wird beim dritten Laterankonzil (1179) die Realexistenz von Dämonen dogmatisch bestätigt, und zeitgleich richtet sich die kirchliche und weltliche Führungselite mit militärischen und rechtlichen Mitteln gegen neue Häresien, die den Teufel und seine Dämonen als eine von Gott unabhängige eigenständige Macht verstehen. Der Vortrag fragt nach den übergreifenden Interessen von Literatur, Religion, Politik und Recht in der Auseinandersetzung mit Dämonen und profiliert mit einem Seitenblick auf jüdische Dämonenerzählungen deren Zeit und Kulturen übergreifendes Faszinationspotenzial.

Referent*in: Silvia Reuvekamp (Münster)
Ringvorlesung „Dämonen. Spiritualität – Erscheinung – Materialität“, Dienstag, 22.10.2024, 18-20 Uhr
JO 1, Johannisstraße 4, 48143 Münster

Stefan Bürger (Würzburg)

Kann Architektur Dämonisches verkörpern? Überlegungen zu ikonischer Baukunst um/nach 1500

Kann Architektur überhaupt etwas verkörpern – und wenn ja was und wie? Es geht um nichts Geringeres als die Sinnfrage, bezogen auf die Medien spätmittelalterlicher Baukunst. Diesbezügliche Überlegungen zu Sinn und Ausdrucksformen des Dämonischen in gebauten Räumen als Verkörperungen sozialer Räume sind durchaus auf andere Bereiche – z.B. die Filmkunst – übertragbar.

Referent*in: Stefan Bürger (Würzburg)
Ringvorlesung „Dämonen. Spiritualität – Erscheinung – Materialität“, Dienstag, 5.11.2024, 18-20 Uhr
JO 1, Johannisstraße 4, 48143 Münster

Tobias Bulang (Heidelberg)

Die Tiere der Hexen und Zauberer

Der Vortrag befasst sich mit dem im frühneuzeitlichen Hexendiskurs umstrittenen Vorstellung der Tierverwandlung des Menschen sowie mit jener vom spiritus familiaris, den dämonischen Helfer in Tiergestalt, der die Hexen und Zauberer begleitet. Aus literaturwissenschaftlicher Perspektive soll dabei gezeigt werden, wie in den historischen Dokumenten die theologischen und juristischen Konzepte literarisch überformt werden.

Referent*in: Tobias Bulang (Heidelberg)
Ringvorlesung „Dämonen. Spiritualität – Erscheinung – Materialität“, Dienstag, 19.11.2024, 18-20 Uhr
JO 1, Johannisstraße 4, 48143 Münster

Jan Machielsen (Cardiff)

The Bodies of Witches and Demons: Corporality and the Origins of the European Witch-Hunt

Witchcraft was a crime people heard about rather than saw. It was the confessions of witches that made real a reality that could not be seen. This lecture suggests that the bodily experience of witchcraft was much more important than historians have realized, and that changing ideas about the devil’s corporality significantly contributed to the witch-hunt’s origins.

Referent*in: Jan Machielsen (Cardiff)
Vortrag in englischer Sprache
Ringvorlesung „Dämonen. Spiritualität – Erscheinung – Materialität“, Dienstag, 3.12.2024, 18-20 Uhr
JO 1, Johannisstraße 4, 48143 Münster

Nikolas Funke (Münster)

„Wunderbahre Secreta“ oder „Neue Teufels Stücklein“: Popularisierung und Dämonisierung der frühneuzeitlichen Alltagsmagie.

Bei aller Faszination für Hexen lässt sich leicht vergessen, dass in der Frühen Neuzeit Menschen aller sozialen Schichten und Konfessionen Magie nutzten, um alltäglichen Gefahren zu begegnen. Es bestanden viele Möglichkeiten, sich Kräften der Natur oder des Sakralen zu bemächtigen und sie in zur Heilung, zum Schutz, oder zur Unterhaltung einzusetzen. Im Laufe des sechzehnten Jahrhunderts setzte sich unter Theologen die Überzeugung durch, dass solche Praktiken mindestens ‚abergläubisch‘, wenn nicht gar ‚dämonisch‘ waren. Denn auch wenn viele magische Praktiken völlig legitim wirkten, ließ sich nicht völlig ausschließen, dass der Teufel doch irgendwo die Finger im Spiel hatte. Der Popularität und der Popularisierung magischer Praktiken tat dies jedoch wenig Abbruch. Im Gegenteil häuften sich im siebzehnten Jahrhundert Publikationen, die ihren Leser:innen magische Mittel und Rezepte für den Gebrauch in allen Lebenslagen vermittelten. Der Vortrag thematisiert somit einen oft übersehenen Bereich der Kultur der Frühen Neuzeit und untersucht dieses Spannungsfeld zwischen Popularität und Dämonisierung der Alltagsmagie.

Referent*in: Nikolas Funke (Münster)
Ringvorlesung „Dämonen. Spiritualität – Erscheinung – Materialität“, Dienstag, 17.12.2024, 18-20 Uhr
JO 1, Johannisstraße 4, 48143 Münster

*Hinweis: Der ursprüngliche Vortrag von Rita Voltmer "Zum Lachen? Die Ver-Körperung von Teufeln und Hexen auf frühneuzeitlichen Theaterbühnen" entfällt.

Martina Wagner-Egelhaaf (Münster)

Dämonen der Moderne

Man sollte meinen, dass es in der säkularisierten Moderne keine Dämonen mehr gibt. Doch stehen der Berufung auf Dämonen im öffentlichen Diskurs, z. B. wenn die ,Dämonen der Vergangenheit‘ beschworen werden, eine Vielzahl von Dämonen-Auftritten in der Literatur der Moderne und der Gegenwart zur Seite. Mit Dämonen sind offensichtlich Kräfte verbunden, die den Menschen heimsuchen, ohne dass er sie konkret fassen kann. Die Vorlesung spürt deren literarischen Formen und Funktionen nach.

Referent*in: Martina Wagner-Egelhaaf (Münster)
Ringvorlesung „Dämonen. Spiritualität – Erscheinung – Materialität“, Dienstag, 14.01.2025, 18-20 Uhr
JO 1, Johannisstraße 4, 48143 Münster