Ringvorlesung „Dämonen“ am Exzellenzcluster „Religion und Politik“

Die sechsteilige Ringvorlesung „Dämonen. Spiritualität – Erscheinungen – Materialität“ des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ im Wintersemester 2024/25 hat anhand von Fallbeispielen aus Architektur, Literatur und Geschichte herausgearbeitet, wie Menschen vom Mittelalter bis in die Gegenwart hinein die Idee der Existenz eines latent bedrohlichen, weder menschlichen noch göttlichen ‚Anderen‘ in ihren jeweiligen kulturellen Medien verarbeiteten.
Vortragende aus Literaturwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte beleuchteten das Thema ,Dämonen‘, indem sie Theorien und Konzepte des Dämonischen diskutierten und die historisch sich wandelnde Beschaffenheit dämonischer Wesen in den Blick nahmen, etwa in Erzählungen von Beziehungen, die Menschen mit Teufeln, Dämonen, Feen und Hexen eingehen, der dramaturgischen Inszenierung des Dämonischen im Theater oder an Beispielen spätmittelalterlicher Baukunst.
Wie Historikerin Ulrike Ludwig ausführt, galten Dämonen in der Antike als Mittler zwischen Göttern und Menschen. Sie bildeten das Band zwischen der Wirklichkeit und der übersinnlichen Welt. Im Mittelalter dienten Dämonen als Ankerpunkte für das Nachdenken über den Ursprung des Bösen und dessen Status in der Welt. „In dieser Zeit haben Dämonen oft etwas zu bieten: Sagen und Märchen erzählen immer wieder von Menschen, die einen Pakt mit dem Teufel eingehen, um daraus Vorteile zu ziehen, und Naturphilosophen sprachen Dämonen ein fast vollkommenes Wissen über die Natur zu“, so Ludwig. Nachdem in der Frühen Neuzeit, mit der Entstehung der modernen Wissenschaft, der Glaube an Dämonen zurückging, kam es zur Ausbildung eher abstrakter Konzepte des Dämonischen sowie zur Vorstellung des dämonischen Menschen. Es sei erstaunlich, so Kunsthistorikerin Eva Krems, wie präsent das Dämonische gerade in visuellen Medien auch heute noch ist: „Dämonen sind zwar schwer fassbare Wesenheiten, jedoch findet man immer wieder bildliche Manifestationen, sei es im romanischen Bauornament oder in der Popkultur“, so Krems. Die Vorträge gehen der übergreifenden Leitfrage nach, wie sich in den jeweiligen Entwürfen des Dämonischen historische Vorstellungen vom Wesen des Menschen spiegeln. Weiterlesen
Dämonen im Kontext. Literatur, Religion, Politik und Recht
Im 12. Jahrhundert entsteht eine neue, bis in die gegenwärtige Popkultur hinein wirksame literarische Gattung, die von Beziehungen zwischen Menschen und Dämonen handelt. Zeitgleich wird beim dritten Laterankonzil (1179) die Realexistenz von Dämonen dogmatisch bestätigt, und zeitgleich richtet sich die kirchliche und weltliche Führungselite mit militärischen und rechtlichen Mitteln gegen neue Häresien, die den Teufel und seine Dämonen als eine von Gott unabhängige eigenständige Macht verstehen. Der Vortrag fragt nach den übergreifenden Interessen von Literatur, Religion, Politik und Recht in der Auseinandersetzung mit Dämonen und profiliert mit einem Seitenblick auf jüdische Dämonenerzählungen deren Zeit und Kulturen übergreifendes Faszinationspotenzial.
Referent*in: Silvia Reuvekamp (Münster)
Ringvorlesung „Dämonen. Spiritualität – Erscheinung – Materialität“, Dienstag, 22.10.2024, 18-20 Uhr
JO 1, Johannisstraße 4, 48143 MünsterKann Architektur Dämonisches verkörpern? Überlegungen zu ikonischer Baukunst um/nach 1500
Kann Architektur überhaupt etwas verkörpern – und wenn ja was und wie? Es geht um nichts Geringeres als die Sinnfrage, bezogen auf die Medien spätmittelalterlicher Baukunst. Diesbezügliche Überlegungen zu Sinn und Ausdrucksformen des Dämonischen in gebauten Räumen als Verkörperungen sozialer Räume sind durchaus auf andere Bereiche – z.B. die Filmkunst – übertragbar.
Referent*in: Stefan Bürger (Würzburg)
Ringvorlesung „Dämonen. Spiritualität – Erscheinung – Materialität“, Dienstag, 5.11.2024, 18-20 Uhr
JO 1, Johannisstraße 4, 48143 MünsterDie Tiere der Hexen und Zauberer
Der Vortrag befasst sich mit dem im frühneuzeitlichen Hexendiskurs umstrittenen Vorstellung der Tierverwandlung des Menschen sowie mit jener vom spiritus familiaris, den dämonischen Helfer in Tiergestalt, der die Hexen und Zauberer begleitet. Aus literaturwissenschaftlicher Perspektive soll dabei gezeigt werden, wie in den historischen Dokumenten die theologischen und juristischen Konzepte literarisch überformt werden.
Referent*in: Tobias Bulang (Heidelberg)
Ringvorlesung „Dämonen. Spiritualität – Erscheinung – Materialität“, Dienstag, 19.11.2024, 18-20 Uhr
JO 1, Johannisstraße 4, 48143 MünsterThe Bodies of Witches and Demons: Corporality and the Origins of the European Witch-Hunt
Witchcraft was a crime people heard about rather than saw. It was the confessions of witches that made real a reality that could not be seen. This lecture suggests that the bodily experience of witchcraft was much more important than historians have realized, and that changing ideas about the devil’s corporality significantly contributed to the witch-hunt’s origins.
Referent*in: Jan Machielsen (Cardiff)
Vortrag in englischer Sprache
Ringvorlesung „Dämonen. Spiritualität – Erscheinung – Materialität“, Dienstag, 3.12.2024, 18-20 Uhr
JO 1, Johannisstraße 4, 48143 Münster„Wunderbahre Secreta“ oder „Neue Teufels Stücklein“: Popularisierung und Dämonisierung der frühneuzeitlichen Alltagsmagie.
Bei aller Faszination für Hexen lässt sich leicht vergessen, dass in der Frühen Neuzeit Menschen aller sozialen Schichten und Konfessionen Magie nutzten, um alltäglichen Gefahren zu begegnen. Es bestanden viele Möglichkeiten, sich Kräften der Natur oder des Sakralen zu bemächtigen und sie in zur Heilung, zum Schutz, oder zur Unterhaltung einzusetzen. Im Laufe des sechzehnten Jahrhunderts setzte sich unter Theologen die Überzeugung durch, dass solche Praktiken mindestens ‚abergläubisch‘, wenn nicht gar ‚dämonisch‘ waren. Denn auch wenn viele magische Praktiken völlig legitim wirkten, ließ sich nicht völlig ausschließen, dass der Teufel doch irgendwo die Finger im Spiel hatte. Der Popularität und der Popularisierung magischer Praktiken tat dies jedoch wenig Abbruch. Im Gegenteil häuften sich im siebzehnten Jahrhundert Publikationen, die ihren Leser:innen magische Mittel und Rezepte für den Gebrauch in allen Lebenslagen vermittelten. Der Vortrag thematisiert somit einen oft übersehenen Bereich der Kultur der Frühen Neuzeit und untersucht dieses Spannungsfeld zwischen Popularität und Dämonisierung der Alltagsmagie.
Referent*in: Nikolas Funke (Münster)
Ringvorlesung „Dämonen. Spiritualität – Erscheinung – Materialität“, Dienstag, 17.12.2024, 18-20 Uhr
JO 1, Johannisstraße 4, 48143 Münster*Hinweis: Der ursprüngliche Vortrag von Rita Voltmer "Zum Lachen? Die Ver-Körperung von Teufeln und Hexen auf frühneuzeitlichen Theaterbühnen" entfällt.
Dämonen der Moderne
Man sollte meinen, dass es in der säkularisierten Moderne keine Dämonen mehr gibt. Doch stehen der Berufung auf Dämonen im öffentlichen Diskurs, z. B. wenn die ,Dämonen der Vergangenheit‘ beschworen werden, eine Vielzahl von Dämonen-Auftritten in der Literatur der Moderne und der Gegenwart zur Seite. Mit Dämonen sind offensichtlich Kräfte verbunden, die den Menschen heimsuchen, ohne dass er sie konkret fassen kann. Die Vorlesung spürt deren literarischen Formen und Funktionen nach.
Referent*in: Martina Wagner-Egelhaaf (Münster)
Ringvorlesung „Dämonen. Spiritualität – Erscheinung – Materialität“, Dienstag, 14.01.2025, 18-20 Uhr
JO 1, Johannisstraße 4, 48143 Münster