Münze des Monats

Juni 2024
© Museum Abtei Liesborn

Kreuzverehrung to go – Die Gedenkmünze zum Coesfelder Kreuz

Bistum Münster: Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen (1650-1678)
Reichstaler (Coesfelder Kreuztaler), 1659
Vs. CHRISTOPH · BERN · D · G · EP · MON · SR · I · P · BURGG · STR · D‘ · IN · BORKELO. Fünffach behelmter, sechsfeldiger Wappenschild mit Herzschild, dahinter Krummstab und Schwert
Rs. * PROTEGE · POPULUM · TUUM · DOMINE · CRU – CIS · PER · SIGNACULUM. Darstellung des Coesfelder Kreuzes, zu den Seiten geteilte Jahreszahl 16 – 59, umher CR – UX MIRACULOSA – COESFELDIENSIS
Durchmesser: 4,1 cm; Gewicht: 26,85 g
Museum Abtei Liesborn, Inv.-Nr. 2023/8
Literatur: Dav. 5601; Schulze 102 a

Beeindruckend ist es, wenn man direkt unter ihm steht und zu dem noch im Tod schmerzverzerrten Gesicht hochschaut (Abb. 1 und 2). Der Christus des Coesfelder Kreuzes hat gelitten, er hat die ganze Brutalität einer Kreuzigung erfahren. Er hat am eigenen Leib die dunkelsten Seiten menschlichen Lebens gespürt. Was die Menschen bei der Betrachtung des Kruzifixes, das zudem eine Partikel des Kreuzes Christi verwahrt, am Beginn des 14. Jahrhunderts dachten und fühlten, kann man nur vermuten. Doch wird es sie auf eine ganz besondere Weise berührt haben. Bis heute pilgern Gläubige zu diesem Passionsbild, um an der ältesten Kreuztracht des Bistums Münsters teilzunehmen, die erstmals 1312 schriftlich erwähnt ist.

Abb. 1: Coesfelder Kreuz. Der Corpus ist mit knapp 2 Metern Höhe und 1,8 Meter Spannbreite beinahe überlebensgroß. Das Kreuz zu Coesfeld ist somit das größte Gabelkreuz Deutschlands.
© Museum Abtei Liesborn

Mit Maßen von 3,24 Meter Höhe und 1,94 Meter Breite ist jenes Gabelkreuz, das in der Kirche St. Lamberti in Coesfeld steht, das größte seiner Art in Deutschland. Der Typus des Y-förmigen Kreuzes entwickelte sich im späten 13. Jahrhundert ausgehend von einer wachsenden Passionsfrömmigkeit. Das auch Crucifixus dolorosus genannte Kreuz stellt besonders ausdrucksstark das Leiden Jesu Christi dar, dessen Arme durch die Gabelform weit nach oben gestreckt werden. Zugleich erinnert die Gabelform auch an eine Astgabel, die wiederum auf die Deutung des Kreuzes als Baum des Lebens verweist.

Ein bedeutender Verehrer des Coesfelder Kreuzes war der Münsteraner Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen (1606-1674, amt. ab 1650), der 1659 den Großen Kreuzweg als Prozessions- und Andachtsweg stiftete, wobei dies vermutlich als Maßnahme zur katholischen Konfessionalisierung seiner Bevölkerung und der Frömmigkeitsförderung nach den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges gedeutet werden kann. Nicht zuletzt ließ er im selben Jahr Münzen prägen, die das Bild des Coesfelder Kreuzes tragen. Die umfangreiche Prägung von Memorialmünzen (Gedenkprägungen) im Talergewicht auf verschiedene Anlässe (Geburt und Tod, Krieg und Frieden, Hochzeit und Taufe) und damit die intensive Nutzung der Münze als Nachrichtenträger ist eine Besonderheit der deutschen Münzgeschichte der Frühen Neuzeit. Geprägt wurde der Taler nach den Verordnungen der Reichsmünzordnung von Augsburg (1566) im 9 Taler-Fuß, bei dem 9 Taler aus der Mark Feinsilber (233,812 g) gemünzt werden sollten (25,99 g Feinsilber). Einen dieser sogenannten Kreuztaler konnte das Museum Abtei Liesborn 2023 für seine umfangreiche Sammlung von Kreuzigungsdarstellungen und anderen Passionsbildern erwerben.

Auf der Vorderseite ist das Wappen von Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen zu sehen. Die Umschrift CHRISTOPH BERN D G EP MON SR I P BURGG STR D IN BORKELO identifiziert den Münzherrn als »Christoph Bernhard, von Gottes Gnaden Bischof von Münster, Fürst des Heiligen Römischen Reiches, Burggraf von Stromberg, Herr zu Borkeloh«.

Auf der Rückseite ist das Bild des Coesfelder Kreuzes zu sehen, was auch die innere Umschrift CRUX MIRACULOSA COESFELDIENSIS (= »Wundersames Coesfelder Kreuz«) bestätigt. Die äußere Umschrift ist ein Bittruf an Gott: PROTEGE POPULUM TUUM DOMINE CRU CIS PER SIGNACULUM (= »Schütze dein Volk, Herr, durch das Zeichen des Kreuzes«). Es muss sich dabei, trotz der sich leicht unterscheidenden Begriffe um den gregorianischen Messgesang während der Gabenbereitung (Offertorium) aus der tridentinischen Liturgie zum Fest der Kreuzerhöhung am 14. September handeln: Protege, Domine, plebem tuam per signum sanctae Crucis ab omnibus insidiis inimicorum omnium. Ut tibi gratam exhibeamus servitutem et acceptabile tibi fiat sacrificium nostrum (= »Schütze, Herr, dein Volk, durch das Zeichen des heiligen Kreuzes vor allen Nachstellungen all seiner Feinde. Damit wir dir einen dankbaren Dienst erweisen, und dir unser Opfer gefallen möge«). Das Prägejahr wird zu den Seiten des Kreuzes mit 16 – 59 angegeben.

Abb. 2: Coesfelder Kreuz: Detail. In Höhlungen in der Brust und im Schädel, die mit Metallplatten verschlossen sind, werden Splitter des Kreuzes Christi verwahrt, die Bischof Liudger im Jahr 800 von Kaiser Karl dem Großen für Coesfeld erhalten haben soll.
© Museum Abtei Liesborn

1633 eroberte Landgraf Wilhelm von Hessen-Kassel die Stadt Coesfeld. In der Folge plünderten hessische Soldaten die Stadt und nahmen die katholischen Kirchen für ihre reformierten Gottesdienste in Besitz. Am 25. Februar 1634 entfernten hessische Soldaten das Coesfelder Kreuz aus St. Lamberti um ihren Spott ›den Offizieren zum Gefallen‹ damit zu treiben. Am 28. Februar 1635 erhielten es die Coesfelder zurück und versteckten das Kreuz daraufhin. Wo es aufbewahrt wurde, ist nur legendarisch überliefert. Die Geistlichen entnahmen jedoch zuvor die Kreuzpartikel und die Reliquien (Abb. 2) und bewahrten sie bis zur Wiedererrichtung des Kreuzes in der Kirche an einem anderen Ort auf. Die Stadt blieb durch die hessischen Truppen besetzt, bis Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen sie 1651 freikaufte. Da er in seiner Wahlkapitulation von 1652 der Stadt Münster Herrschaftsrechte und Freiheiten der Landstände einschränkte, wogegen die Bürger rebellierten, verlegte der Fürstbischof daraufhin seine Residenz von Münster nach Coesfeld.

Abb. 3: Kopie des Coesfelder Gabelkreuzes am Coesfelder Kreuz in Münster; im Hintergrund jetzt die Baustelle für den Erweiterungsbau des UKM. Die ursprüngliche Kopie befindet sich heute im Baumberger Sandsteinmuseum in Havixbeck; sie wurde 1999 durch einen Abguss ersetzt.
© Michael Fehlauer

Wann die Kreuztaler in den Umlauf kamen und ob ein konkretes Ereignis den passenden Rahmen bot, ist noch ungeklärt. Möglicherweise wurden die Münzen erstmals bei der Einweihung der Befestigungen der fürstbischöflichen Ludgerusburg in Coesfeld am 6. Oktober 1659 ausgegeben, allerdings gibt es keine Berichte über das Fest. Zumindest Georg Wagners These, dass die Taler im Zusammenhang mit der Erbauung des Coesfelder Jesuitenkollegs ständen, konnte von Gerd Dethlefs plausibel entkräftet werden mit dem Verweis auf den tatsächlichen Baubeginn der Schule erst fünf Jahre später.

Nachweislich wurde der Kreuztaler mehrfach nachgeprägt. Insgesamt unterscheidet Dethlefs vier Varianten der Münze, die aus vier Vorder- und zwei Rückseitenstempeln geschlagen worden sind. Münzmeister war der Münsteraner Goldschmied Johann Scharlaken gewesen, der bis zu seinem Tod, nur wenige Tage vor dem des Fürstbischofs, die Münzen von Christoph Bernhard von Galen, darunter auch den Kreuztaler, prägte. Noch im Juli 1677 wurden neue Ober- und Unterstempel für den Kreuztaler graviert. Die fürstbischöflichen Sterbemünzen prägte dann Scharlakens Neffe Gottfried Storp.

Eine Nachbildung des Coesfelder Gabelkreuzes wurde übrigens 1689 in Münster aufgestellt und gab der heute vielfrequentierten Straßenkreuzung zwischen Uniklinikum und der ›Mensa am Ring‹ ihren Namen (Abb. 3).

(Yvonne Püttmann und Sebastian Steinbach)

 

Literatur

Zu den Stempelkombinationen und Varianten ausführlich bei: G. Dethlefs, Der münsterische Paulustaler und der Coesfelder Kreuztaler 1659, Numismatisches Nachrichtenblatt (NNB) Nr. 41 (1992), S. 34-41

  • J. S. Davenport, German Church and City Talers 1600-1700 2(Galesburg 1975)
  • A. Hüsing, Das heilige Kreuz der St. Lambertikirche zu Coesfeld. Geschichtliche Nachrichten zur Feier des elfhundertjährigen Jubiläums desselben im Jahr 1900 1(Coesfeld 1899)
  • Y. Püttmann, Das Bild des Coesfelder Kreuzes auf einer fürstbischöflichen Münze. Coesfelds Kreuztaler des Christoph Bernhard von Galen (1659): online unter https://doi.org/10.58079/vunr
  • I. Schulze – W. G. Schulze, Die fürstbischöflich-münsterschen Münzen der Neuzeit (Münster 1973)
  • G. Wagner, Barockzeitlicher Passionskult in Westfalen, Forschungen zur Volkskunde 42/43 (Münster 1967)

Siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Coesfelder_Kreuz_(Münster) oder auch https://www.stadtwerke-muenster.de/blog/verkehr/haltestellennamen-mehr-als-eine-kreuzung-darum-heisst-es-coesfelder-kreuz