
Wieso – weshalb – warum? Offene Fragen zur Schwangerschaft der Crispina
Bruttia Crispina (178-191/192 n. Chr.)
AR Denar; 3,02 g; 11 h; 18,6 mm
Rom, geprägt vermutlich 178-180 n. Chr.
Vs.: CRISPINA - AVGVSTA. Gewandbüste der Crispina n. r.
Rs.: DIS / GENITAL-IBVS. Rechteckiger flammender Altar
Inv. M 2294 (Zeno I Nr. 1366)
RIC III (Commodus) S. 399 Nr. 281b; MIR 18, 173 Nr. Cr9; R. Tomassoni, Cultura antiquaria ed erudizione tra Venezia e Vienna nel settecento. La collezione numismatica di Apostolo Zeno (2022) 197 Nr. 276 (dieses Stück)
Von kaum einer römischen Kaiserfrau wissen wir so wenig wie von Bruttia Crispina, der Gattin des Commodus. Wir kennen ihren Vater und ihren Bruder, die beide in Staatsdiensten standen und öffentliche Ämter bekleideten, wir wissen von ihrer Heirat 178 n. Chr. und dass sie irgendwann (vermutlich erst in den 190er Jahren) in Ungnade fiel, nach Capri in Verbannung geschickt und schließlich getötet wurde.
Diese Unkenntnis über eine Person der kaiserlichen Familie fällt auf, besonders nach der medial zelebrierten Ehe von Marc Aurel und Faustina minor, die sich als ideales Paar präsentierten und ihr Familienleben u.a. über die Münzprägung geradezu expressiv nach außen trugen. So wurden die Geburten aller Kinder mit neuen Münzserien gefeiert, denn diese würden die Nachfolge und die Etablierung der Dynastie sichern. Von den vielen Kindern des Paares starben viele früh, und es war schließlich Commodus, der 177 n. Chr. zum Mitregenten wurde und 180 n. Chr. die Nachfolge seines Vaters antrat.
Commodus war mit Crispina verheiratet worden und erwartungsgemäß setzte eine „weibliche“ Münzprägung für sie ein (s.u. Tabelle 1). Diese entsprach den Erwartungen, indem sie mit Göttinnen und Personifikationen die weiblichen Tugenden einer Kaisergattin feierte: Concordia („Eintracht“) und Pudicitia („Anstand und Schamhaftigkeit“). Venus (Göttin der Schönheit und Liebe) stand für das Idealbild einer kaiserlichen Ehe. Gleichzeitig wurden mit Fecunditas („weibliche Fruchtbarkeit“) Erwartungen an Crispina gestellt. Salus („Gesundheit“), Laetitia („Freude“) und Hilaritas („Fröhlichkeit“) waren/sind immer gut, aber auch vom Erfolg der kaiserlichen Ehe abhängig.
Anderseits liefert uns diese nahezu unbekannte Kaiserin zwei eher abstrakte Gold- und Silbermünztypen, die einzigartig sind: Abgebildet sind zwei Altäre, die laut rahmender Aufschrift den Dii Coniugales, den Gottheiten der Ehe (auf Aurei: Abb. 1, RIC III 280A-B und MIR 18, 173 Nr. Cr 7) und den Dii Genitales, den Göttinnen von Geburt und Entbindung (auf Denaren) geweiht sind.

Unsere Münze des Monats zeigt den auffallend einfachen und ungeschmückten Altar für die Dii Genitales, für die nicht näher benannten Gottheiten, die sinnbildlich für die zahlreichen natürlichen Kräfte standen, die bei einer Geburt zum Tragen kommen. Während der Altar für die Dii Coniugales auf Crispinas Heirat mit Commodus 178 n. Chr. weist, lässt sich der den Dii Genitales geweihte Altar nicht so einfach erklären, denn literarisch oder epigrafisch sind keine Kinder aus der Verbindung überliefert. Das heißt, die beiden Altäre könnten als eine Art abstrakter Anrufung an die Ehe- und Geburtsgötter zu verstehen sein mit der Bitte um eine gute Ehe mit reichem Kindersegen. Oder steckt in den Dii Genitales-Münzen doch der numismatische Beleg für ein gemeinsames (aber dann offenbar früh verstorbenes) Kind?
Das scheint nicht unmöglich, denn auch Diana Lucifera und Juno Lucina tauchen im Münzspektrum auf (s. Tabelle) – Göttinnen, die einen konkreten Bezug zum Geburtsvorgang haben. Ihre Beinamen lucina und lucifera weisen auf die Funktion des „ans-Licht-Bringens“ eines Kindes. Sie werden im Buntmetall thematisiert, auf dem bronzenen „Kleingeld“, sind also näher an der Bevölkerung Roms und am Alltag (der Nutzerinnen) als die höherwertigen Edelmetallprägungen. Während Fecunditas ein allgemein verwendeter frommer Wunsch bleiben mag, scheinen Juno Lucina und Diana Lucifera auf eine (anstehende) Geburt, also immerhin auf eine Schwangerschaft zu deuten – was zur Anrufung der Geburtsgötter auf den Denaren passt.
Metall | Nominal | Themen (Legende) |
Gold | Aureus | DIS CONIVGALIBVS (Rundaltar), CERES, PVDICITIA, VENVS, VENVS VICTRIX |
Quinar | VENVS | |
Silber | Denar | DIS GENITALIBVS (Altar), CERES, CONCORDIA (Personifikation & Handschlag), HILARITAS, IVNO, VENVS |
Buntmetall | Sesterz | CONCORDIA, DIANA LVCIFERA, FECVNDITAS, HILARITAS, LAETITIA, PVDICITIA, ROMA AETERNA, SALVS, VENVS FELIX |
Dupondius | CERES, CONCORDIA, FECVNDITAS, HILARITAS, IVNO / IVNO LVCINA / IVNO REGINA, LAETITIA, VENVS | |
As | CERES, CONCORDIA, DIANA LVCIFERA, FECVNDITAS, HILARITAS, IVNO / IVNO LVCINA / IVNO REGINA, LAETITIA, VENVS |
Während alle anderen Münzlegenden im Nominativ stehen, also der Bezeichnung und Erläuterung der dargestellten Göttinen und Personifikationen dienen, werden die Dii Coniugales und Dii Genitales im Dativ angesprochen: Es handelt sich um eine Anrufung an die Götter von Eheschließung und Geburt, ihnen wird sozusagen mit diesen Münzen ein Opfer dargebracht.
Plautus spricht in seiner Komödie Truculentus (Vers 474 f.) davon, ein Feuer auf dem Altar anzuzünden, um Lucina als Geburtshelferin herbeizurufen – so zeigt es auch unsere Münze. Nach einer Geburt wurde Juno Lucina im Haus zum Dank traditionell eine mensa aufgestellt (Tertull. de anim. 39). Der Begriff steht für einen (Ess-)Tisch, eine Theke oder auch einen Opferaltar. Vielleicht ist auf unserem Münzbild auch eine derartige mensa wiedergegeben, die im Privatbereich, hier also im Kaiserpalast aufgestellt wurde bzw. werden sollte? Die merkwürdig flache Form des Altars (im Gegensatz zum rund ausgearbeiteten Altar der Aurei) mag dafür sprechen.
Das Fehlen außernumismatischer Hinweise für ein Kind spricht für ein nur kurzes Leben. Vielleicht war diese traurige Entwicklung einer der Gründe, warum Crispina von der Geschichtsschreibung ignoriert und dann vergessen wurde – ihre dynastische Funktion als Gebärerin eines Nachfolgers war nicht erfüllt. Wer auch immer (und warum?) dieses geradezu spektakulär unspektakuläre Münzbild konzipierte hatte, das auf Crispinas Rolle als Frau und Schwangere weist, wissen wir nicht. Uns bleibt aber ein nur scheinbar langweiliges Münzbild, das uns eine kaum bekannte Kaiserin ein wenig näherbringt.
(Katharina Martin)
Weiterführende Literatur
- J. Aymard, La conjuration de Lucilla, REA 57, 1955, 85-91 (plädiert bes. S. 88-91 aufgrund der numismatischen Zeugnisse – jedoch ohne die Altarprägungen für die Dii Genitales – für die Geburt eines Kindes, was bei Lucilla, der Schwester des Commodus und Witwe des Lucius Verus, Eifersucht ausgelöst habe und Grund für die Verschwörung gegen Commodus von 181 n. Chr. Gewesen sei)
- G. Alföldi, Commodus und Crispina in einer Inschrift aus Sabratha, Faventia 20/1, 1998, 39-47 (für eine Spätdatierung von Verbannung und Tod der Crispina auf 192 n. Chr.)
- R. P. Duncan-Jones, Crispina and the Coinage of the Empresses 166, NumChron 2006, 223-228 (zu quantitativen Verhältnissen von Kaiser- und Kaiserinnenprägungen, Anlass ist die Spätdatierung ihres Todes und damit eine Ausweitung des Prägezeitraums von Crispinas Münzen)
- K. Fittschen, Die Bildnistypen der Faustina minor und die Fecunditas Augustae, AbhGöttingen Phil.-hist. Klasse 126 (Göttingen 1982) 82-88 (zu den numismatischen und rundplastischen Bildnistypen der Crispina)
- M. große Beilage, Bruttia Crispina, s. https://pecunia.zaw.uni-heidelberg.de/NumiScience/crispina
- W. Szaivert, Die Münzprägung der Kaiser Marcus Aurelius, Lucius Verus und Commodus (161–192) (Wien 1986) (MIR 18)
- RE VII,1 (1910) Sp. 1155 s. v. Genitales (O. Jessen)
- RE X,1 (1918) Sp. 1115 f. s. v. Iuno §3. Iuno Lucina (C. O. Thulin)
- Roscher, ML I (1890-1897) 1612 s. v. Genitales di (W. Drexler)
Bildnachweis:
MdM 05/2025: Robert Dylka; Abb. 1: Numismatica Genevensis SA, Auktion 4 (11.12.2006) Nr. 189