Drei Medaillen auf das Leid der Stadt Frankfurt im Dreißigjährigen Krieg (1635, 1636, 1637)
a) 1635: Silber, geprägt; Gew. 4,85 g, Dm. 26 mm (Joseph/Fellner 415/16)
Münster, LWL-Museum für Kunst und Kultur, Inv.-Nr. 24741
b) 1636: Gold, geprägt; Gew. 7,96 g, Dm. 27 mm (Joseph/Fellner Nr. 420)
Frankfurt, Historisches Museum, Inv.-Nr. MJF 420
c) 1637: Silber, geprägt; Gew. 6,74 g, Dm. 27 mm (Joseph/Fellner Nr. 426)
Frankfurt, Historisches Museum, Inv.-Nr. MJF 426
Der Dreißigjährige Krieg, dieser gesamteuropäische Konfessions- und Hegemonialkonflikt in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, ging mit der Landung des Schwedenkönigs Gustav II. Adolf (reg. 1611–1632) auf Usedom im Juli 1630 in seine dritte Phase. In dieser generationenlangen Abfolge von Kriegen löste der schwedische Krieg bis 1635 den böhmisch-pfälzischen Krieg (1618–1623) und den dänisch-niedersächsischen Krieg (1623–1629) ab und mündete direkt in den schwedisch-französischen Krieg (1635–1648), flankiert vom spanisch-niederländischen Krieg (1568–1648), vom französisch-spanischen Krieg (1635–1659) und vom schwedisch-dänischen Krieg (1643–1645). Mit dem Sieg in der Schlacht bei Breitenfeld (bei Leipzig) im September 1631 gegen Tilly (1559–1632) blieb der Vormarsch Schwedens im Reich nicht mehr aufzuhalten. Gustav Adolf, der aus konfessioneller Sicht natürlich den Protestanten in einer nach dem kaiserlichen Restitutionsedikt von 1629 schwierigen Phase zu Hilfe kam, verfolgte in erster Linie allerdings eigene, herrschaftspolitische ebenso wie wirtschaftspolitische, Absichten. Frankfurt, der alten Reichsstadt, seit 1356 Wahl- und 1562 auch Krönungsort des römisch-deutschen Königs bzw. Kaisers und eine der wichtigsten europäischen Handels- und Messestädte, sollte dabei eine besondere Rolle zukommen. Die Stadt, klar protestantisch geprägt, deren Stadtherr freilich der katholische Kaiser war, hatte bisher wohlweislich Neutralität gewahrt, doch erreichte Gustav Adolf nach zähen Verhandlungen Ende November 1631 den Abschluss eines Schutz- und Verteidigungspakts. In der Mitte Deutschlands am unteren Main verkehrsgeografisch bevorzugt gelegen, war Frankfurt geostrategisch ideal als militärische Hauptoperationsbasis – ideal aber auch als Ankerpunkt für die schwedischen Großmachtpläne, ideal mit ihrer Wirtschafts- und Finanzkraft für Gustav Adolfs wirtschaftspolitische Visionen. Mit dem Schlachtentod des Königs bei Lützen (bei Leipzig) im November 1632 gegen Wallenstein (1583–1634) erlitt diese Dominanz Schwedens im Reich jedoch einen empfindlichen Dämpfer. Reichskanzler Axel Oxenstierna (1583–1654), Mitglied der Vormundschaft für Königin Christina (reg. 1632/44–1654), übernahm nun die Regierung und auch den militärischen Oberbefehl. Unter seiner Führung wurde im Frühjahr 1633 der Heilbronner Bund, ein gegen Habsburg gerichtetes Militärbündnis der Protestanten der fränkischen, schwäbischen und rheinischen Reichskreise, geschlossen. Frankfurt wurde Sitz von Direktorium, Bundesrat und Verwaltungsbehörden und so – im Duett mit Mainz, dem nicht minder symbolträchtigen Sitz des Reichserzkanzlers, des Stellvertreters des Kaisers in Deutschland – gleichsam zur Hauptstadt der Schweden im Reich. Im September 1634 kam es bei Nördlingen zur Entscheidungsschlacht, die für die unter Schweden vereinten Protestanten in der Katastrophe endete; Schweden ging seiner Vormachtstellung auch im deutschen Südwesten verlustig. Am 30. Mai 1635 schlossen Kaiser Ferdinand II. (reg. 1619–1637) und die katholische Liga mit dem Kurfürstentum Sachsen den Prager Frieden, dem bald alle anderen protestantischen Reichsstände folgten. Umkämpfte Bundesfestung in der Endphase des schwedischen Krieges, kam es hier – am 10. Juli 1635 war auch Frankfurt dem Prager Frieden beigetreten – zum Showdown: Im sogenannten Gefecht an der Alten Brücke im August 1635 wurde die fast vierjährige Schwedenzeit in der Stadt gewaltsam beendet und die schwedische Hegemonialstrategie für Europa endgültig beerdigt. Schweden und das katholische Frankreich bildeten nun die Feinde im Reich, der Dreißigjährige Krieg war jetzt endgültig kein Konfessionskrieg mehr.
Frankfurt war in den ersten beiden Kriegen des Dreißigjährigen Krieges zwar von direkten Kriegseinwirkungen verschont geblieben, doch wirkte der Krieg, der 1620/22 im Umland durchaus tobte, auch in die Stadt hinein. Wie überall zog der Krieg mit Blick auf die breite Bevölkerung auch in Frankfurt und Umgebung durch seine Folgen mehr Menschen in Mitleidenschaft und Tod als in Form unmittelbarer Kriegstoter. Die Verheerung fruchtbaren Landes infolge des Durchzugs marodierender Soldaten und des Kampfgeschehens resultierte in massiven Ernteausfällen, Lebensmittel – die auch und zuerst die Soldaten zu versorgen hatten – wurden knapp; die Preise stiegen, es kam zu Hungersnöten. Das geschwächte Immunsystem chronisch unterernährter Menschen war der perfekte Nährboden für Krankheiten, die die Soldaten ohnehin im Gepäck hatten: Typhus, Rote Ruhr und Pest, aber auch Dysenterie, Angina, Skorbut, Faulfieber, Rheuma. In Frankfurt starben so 1622 1.785 statt normal im Jahresdurchschnitt 700 bis 800 Menschen; auch 1625 waren es 1.871 Tote, speziell wohl Tote an der Pest, der Beulenpest. Die Pest, im sogenannten Schwarzen Tod Mitte des 14. Jahrhunderts nach Europa gekommen, blieb bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts in Europa endemisch, brach also immer wieder regional und lokal aus, auch in Frankfurt; zwischen 1605 und 1607 gab es über 2.000 Tote. Bald nach Eintreffen der Schweden Ende 1631 grassierten Pest und weitere Krankheiten grausam in den Garnisonen, ein schwerer Ausbruch datiert in den Juli 1632, der heftigste in den Juli 1634, und aus den Garnisonen kam der Tod in die Gassen der Stadt. Der Krieg an sich traf Frankfurt und das gesamte Rhein-Main-Gebiet vor allem ab Herbst 1634, als sich nach der Schlacht bei Nördlingen die protestantischen Kriegsparteien, verfolgt durch kaiserliche Truppen, hierher, um die Bundesfestung des Heilbronner Bundes, zurückzogen. Doch auch nach Abzug der Schweden im August 1635 blieb die Umgebung Frankfurts Kriegsschauplatz, Frankfurt selbst Standort kaiserlicher Truppen, und die allgemeine Situation blieb ebenso katastrophal: Das Umland war verödet, 1637 herrschte die schlimmste Hungersnot, Seuchen wüteten. Es war diese Trias aus Krieg, Hunger und Krankheiten – der Krieg gleichsam als Vater des Hungers, der Hunger als Mutter der Krankheiten –, die in Frankfurt, in den früheren 1630er Jahren eine Stadt von ca. 15.000 Einwohnern, für folgende Todeszahlen verantwortlich war: 1630: 1.131, 1631: 2.900, 1632: 762, 1633: 3.512, 1634: 3.421, 1635: 6.943, 1636: 3.152, 1637: 1.079 – zwischen 1625 und 1646 insgesamt 34.678 Sterbefälle bei nur 20.204 Geburten.
Die Zahl von 3.421 Toten im Jahr 1634 findet sich nun auch auf einer Frankfurter Medaille von 1635, die auf das Vorjahr zurückblickt: GROS | STERBEN · WAR · | VER·SHINEN · IAR · | 3421 · AN · DER · ZAHL · WAR | KRIEG · TEVRVNG · GAR · | MIT · VOLLER · MASS · | VNS · EINSCHENCKT · | GOTT · IM · GRIMME · DAS · | THVT · BVES · MEYD · SVND · | FORCHT · GOT · FVRWAR · | IESVS · GIBT · DAN · EIN | BESER · IAR ·. Die Jahreszahl 16-35 steht zu Seiten des Wortes GROS in der ersten Zeile und ist von anderem Duktus; da es auch Exemplare ohne die Jahreszahl gibt, ist diese offensichtlich erst nachträglich in den Stempel geschnitten worden. Sie bezeichnet das Entstehungsjahr der Medaille, nicht – wie manchmal bei ungenauer Interpretation kolportiert – das Jahr der 3421 Toten AN DER ZAHL, das durch VERSHINEN IAR eindeutig auf 1634 bestimmt ist. Die Totenzahl übrigens umfasst nur die protestantischen Toten, denn die Register des sogenannten Kastenamts der protestantischen Reichsstadt, denen diese Zahl entnommen ist, verzeichneten die auf den protestantischen Friedhöfen der Stadt Bestatteten; der Hauptfriedhof von St. Peter war im Oktober voll belegt. Insgesamt muss es mit Katholiken, Juden und Fremden – und den Soldaten, die höchstwahrscheinlich noch gar nicht mitgerechnet sind – deutlich mehr Tote in Frankfurt 1634 gegeben haben. Für das GROS STERBEN macht der einigermaßen unbeholfen reimende und rhythmisierende Text, der in zwölf wohlgefüllten Zeilen das gesamte Feld der einen Medaillenseite einnimmt, KRIEG und TE-VRVNG verantwortlich. Angesprochen sind damit zwei Elemente der Trias Krieg, Hunger und Krankheiten, wobei Teuerung mit Hunger gleichzusetzen ist; Krankheiten, Pest und andere, fehlt zwar, sie waren aber natürlich letztlich für die meisten Todesfälle verantwortlich. GOTT wird hier als derjenige identifiziert, der im Zorn, IM GRIMME, Frankfurt MIT VOLLER MASS dieses Leid EIN-SCHENCKT hat; als Gegenmittel wird empfohlen: THVT BVES, MEYD SVND, FORCHT GOT. Es entspricht dem religiösen Grundcharakter der Zeit, auch der protestantischen Frömmigkeit, gegebenes Leid auf diese Weise als gottbefohlen, als gerechte Strafe für ein unbußfertiges, sündhaftes, gottvergessenes Leben zu deuten und entsprechende religiöse Kompensationsleistungen dagegenzusetzen. Bei seinen konkreten Maßnahmen gegen die Seuchen war Frankfurt freilich weniger gottbefohlen, sondern legte bei den neu erlassenen gesundheitspolizeilichen Vorschriften einen erstaunlichen Pragmatismus an den Tag. Gezielt wurden die Übertragungswege der Krankheiten ins Visier genommen, indem die Straßenreinigung verbessert, die Krempelmärkte und Badstuben geschlossen sowie Hospitäler eingerichtet wurden; der weitverbreitete Miasmenglaube, schlechte Luft als Übertragungsweg, spielte offenbar kaum eine Rolle. Der religiöse Grundtenor der einen Medaillenseite – was hier Vorder- und was Rückseite ist, ist schwer zu entscheiden – wird auf der Gegenseite, die fast nur Bildinformationen trägt, unmittelbar gespiegelt. Zu sehen ist die Silhouette Frankfurts von Süden mit seinen Kirchen – in der Mitte der Dom St. Bartholomäus –, den Türmen, Bürgerhäusern und der mainseitigen Stadtbefestigung; im Hafen, geschützt von einer Bastion samt Mole, liegen einige Schiffe, auf dem Main fährt ein Segler. Auf der rechten Bildhälfte führt eine Brücke, die sogenannte Alte Brücke, auf die gegenüberliegende Mainseite nach Sachsenhausen mit seinen Türmen, den Kirchen, Bürgerhäusern, vor allem jedoch der landseitig gut ausgebauten Befestigung im Vordergrund. Die Gesamtkomposition ist bekannt von dem berühmten Stich des Matthäus Merian d. Ä. (1593–1650) in seiner Topographia Germaniae von 1646, auch wenn die Medaille hier notgedrungen stark schematisiert. Über Frankfurt fliegt nun von Osten ein Engel heran, der in der erhobenen Rechten drohend eine Zuchtrute schwingt, von Westen aber erscheint ein Streifen Licht oder Wind am Himmel und schickt dem Engel ES · IST · GENVG entgegen. Unter der Abschnittslinie wird auf die dazugehörige Bibelstelle SAMV : 24 · – gemeint ist 2 Sam 24,16 – verwiesen: „Als aber der Engel seine Hand ausstreckte über Jerusalem, um es zu verderben, reute den HERRN das Übel, und er sprach zum Engel, der das Verderben anrichtete im Volk: Es ist genug; lass nun deine Hand ab!“ Kapitel 24 des zweiten Buches Samuel thematisiert den Zorn Gottes auf König David, der gegen seinen Willen eine Volkszählung in Israel und Juda durchgeführt hat; als David aus Reue Gott um Vergebung bittet, stellt dieser ihm drei Strafen zur Wahl: sieben Jahre Hungersnot, drei Monate Flucht vor den Feinden oder drei Tage Pest. „Da ließ der HERR die Pest über Israel kommen vom Morgen an bis zur bestimmten Zeit, so dass von dem Volk starben von Dan bis Beerscheba siebzigtausend Mann“ (2 Sam 24,15). Jerusalem jedoch wird auf Geheiß des reuigen Gottes verschont, und als Bußleistung errichtet David, der die volle Verantwortung für sein Tun übernommen hat, einen Altar, woraufhin Israel von der Plage befreit wird. Die Wahl dieser Bibelstelle, deren Strafenkatalog letztlich die Trias Krieg, Hunger und Krankheiten spiegelt und bei der Pest sehr konkret wird, bot sich natürlich an. Falls dies die Bezüge nicht überinterpretiert, könnte sich Frankfurt hier sogar mit Jerusalem gleichsetzen – obwohl die Pest vor Frankfurt natürlich nicht haltmachte – und zudem als Urheber des Frankfurter Leides in Parallelität zu König David der römisch-deutsche Kaiser als Stadtherr oder aber Schweden als Herr der Bundesfestung Frankfurt angesprochen sein. Wenn also Kaiser oder/und Schweden Reue über ihr gottesfeindliches Tun empfinden und wie die Frankfurter selbst Buße tun würden, mithin den Krieg, Urgrund allen Leides, beendeten, könnte Gott dem Racheengel, Vehikel seines Zorns, reuig Einhalt gebieten, womit die Hoffnung genährt würde, dass IESVS GIBT DAN EIN BESER IAR. Hiermit schließt sich der Kreis zwischen den zwei Seiten der Medaille, und ein besseres Jahr wünschte sich Frankfurt mit Sicherheit auch in wirtschaftlicher Hinsicht, mit Blick auf Handel und Verkehr, die nur ohne Krieg, Hunger und Krankheiten florieren konnten.
Das Jahr 1635 allerdings wurde nicht besser, sondern noch viel schlimmer, wie eine weitere Frankfurter Medaille von 1636 rückblickend berichtet: DREY · LAND·PL|AGEN · VBER · DIE · STAT · | VER-GANGEN · IAHRS · | GESEHEN · HAT · | EIN · IEDER · SAH · INER|LICKEN · STREITT · | ZV · SAXENHAV-SEN · | DA · WAR · LEYT · 6943 | STARBEN · HIN · WEGG · | HVNGER · TEVWRVNG · | LEYD · HERR · VND · | KNECHT ·. Der erneut einigermaßen unbeholfen reimende und rhythmisierende Text nimmt in zwölf vollen Zeilen – die Zahl, die Apostelzahl, ist sicherlich kein Zufall – wieder die gesamte eine Medaillenseite ein. Die Jahreszahl 1636 findet sich aber nicht auf dieser Seite, auch nicht nachgetragen, sondern im Abschnitt der Gegenseite; es handelt sich jedoch nicht um die Datierung des dort Dargestellten, sondern ebenfalls um das Entstehungsjahr der Medaille, wie auch die Worte VERGANGEN IAHRS GESEHEN HAT in Bezug auf das genannte Leid belegen. Nachgetragen, weil von etwas anderem Duktus, erscheint dagegen die Zahl der Toten: 6943 STARBEN HIN WEGG – wohlgemerkt nur die städtischen, protestantischen Toten, in Frankfurt 6.086 und in Sachsenhausen 857; im November war dann auch der Sachsenhausener Friedhof voll belegt. Der Text versetzt hier den religiösen Grundtenor auf eine grundsätzlichere Ebene, indem das mehrfach benannte LEYT mit den DREY LANDPLAGEN, die VBER DIE STAT gekommen sind, identifiziert wird. Der Bezug auf die biblischen zehn (Land-)Plagen (2 Mos 7–11), die Gott als Strafe über das pharaonische Ägypten, das sich weigerte, Mose das Volk Israel aus der Sklaverei führen zu lassen, aussandte, ist eindeutig. Neben Blut, Fröschen, Stechmücken, Stechfliegen, Hagel, Heuschrecken, Finsternis und Tod alles Erstgeborenen sind auch Viehpest und (Menschen-)Blattern Elemente dieser biblischen Urkatastrophe. Zusammen mit den explizit angesprochenen Geschehnissen in Sachsenhausen wird mit HVNGER, TEVWRVNG, LEYD auch hier die klassische Trias Krieg, Hunger und Krankheiten bedient, wobei Hunger und Teuerung synonym sind und Leid gleichsam generalisiert für Krankheiten steht. Während die letzten Worte HERR VND KNECHT als inbrünstige Anrufung Gottes, den DREY LAND-PLAGEN, Emanation seines Zorns, endlich Einhalt zu gebieten, den religiösen Rahmen dieser Seite der Medaille beschließen, bleibt die andere Seite gänzlich säkular. Dargestellt – und so die Medaillenseiten verbindend – wird das Gefecht an der Alten Brücke vom 1. bis 11. August 1635, Verbildlichung des INERLICKEN STREITT ZV SAXENHAVSEN, den EIN IEDER SAH. Dabei wurden die schwedischen Truppen unter Hans Vitzthum von Eckstädt (1595–1648), der in Sachsenhausen Stellung bezogen hatte, in zehntägigem Kampf mit den Truppen Frankfurts und des kaiserlichen Generalleutnants Matthias Gallas (1588–1647) zur Aufgabe gezwungen. Am 1. August besetzte Vitzthum die Brücke, tags darauf und am 5. August drangen die Schweden sogar in Frankfurt ein; Gallas kam am 7. August zu Hilfe, am 9. August wurde Sachsenhausen erstürmt, tags darauf kapitulierten die Schweden und zogen am 11. August ab. Zu sehen sind hier aus veränderter Perspektive von Norden Frankfurt unten und – in perspektivischer Schrägstellung – Sachsenhausen oben, wobei die Darstellung noch schematischer, erneut aber sehr kleinteilig ist. Kompositorisch im Zentrum des Szenariums, das Matthäus Merian d. Ä. in seinem Theatrum Europaeum ebenfalls in Kupfer gestochen hat, steht die Alte Brücke, die beide Städte seit jeher miteinander verband. Von Frankfurt aus gehen auf ganzer Front der mainseitigen Stadtbefestigung elf feine Linien rüber nach Sachsenhausen, konzentriert auf den westlichen Stadtteil, über dem schon eine gewaltige Rauchwolke gen Himmel steigt. Die Linien markieren die Salven der in Frankfurt innerhalb der Mauern und auf Bastionen stationierten Kanonen, die jeweils auch sichtbar sind und von denen insgesamt 16-fach der Rauch des Mündungsfeuers aufsteigt. Auf Sachsenhausener Seite hingegen sieht man nur wenige Schwaden der Kanonen, deren Schüsse, nicht durch Linien nachgezeichnet, somit kaum zielgerichtet erscheinen; möglicherweise fliehen rechts die Schweden aus der Stadt. In Frankfurt selbst wütet offenbar kein Feuer, doch mitten auf der Brücke zeigt sich Rauch, was vielleicht die Zerstörung der Brückenmühle durch die Schweden am 5. August visualisieren soll. Die Kanonaden zwischen dem 6. und 10. August entschieden das Gefecht, bei dem insgesamt 35 Menschen starben; dass in dieser Kampfsituation keinerlei Schiffsverkehr auf dem Main möglich war, Handel und Verkehr also vollständig zum Erliegen gekommen waren, ist klar. Frankfurt aber war jetzt die mittlerweile ziemlich ungeliebten Schweden, deren militärischer Verbündeter – und nicht mehr nur ein Schutz- und Verteidigungspartner – man seit dem Heilbronner Bund 1633 war, endlich los.
Eine dritte Medaille im vorliegenden Zusammenhang, auch wenn diese weder im Text noch im Bild beider Medaillenseiten irgendeinen Bezug auf Frankfurt bietet, datiert aus dem Jahr 1637. Durch die zehn Zeilen Text auf der einen Seite ist sie jedoch mit den zwei Medaillen von 1635 und 1636 verbunden, und auch aus forschungsgeschichtlichen und weiteren Gründen ist ein Konnex zu Frankfurt einigermaßen wahrscheinlich. Der Text betrifft hier allerdings nicht konkrete Ereignisse und nennt nicht rückblickend die Zahl der Toten für das Jahr 1636, die mit 3.152 – städtischen, protestantischen Toten – durchaus noch beträchtlich war. Stattdessen wird zu Gott gefleht: · 1637 · | ACH · GOTT · VERGIS | ALL · VNSER · SVND | SIHE · AN · IESVM | DAS · LIBE · KIND · | WEND · HVNGER · PEST | DIE · KRIGES · SCHAR · | SCHENCK · VNS · DOCH | EIN · FRIDLICH|ES · IAHR ·. Gerahmt von dünnen Palmzweigen, wird in nun recht geübten Versen GOTT um Vergebung, VERGIS ALL VNSER SVND – die Sünde als Urgrund allen Leides, Strafe des zürnenden Gottes –, und um Beendigung all dieses Leides, WEND HVNGER, PEST, DIE KRIGES SCHAR, gebeten. Ganz direkt wird hier die Trias Krieg, Hunger und Krankheiten beim Namen genannt, Pest sicherlich generalisierend für alle Krankheiten, die zusammen mit Hunger und Krieg das Leid bedeuteten. Der rein religiöse Tenor des Textes, mit ACH GOTT stark emotionalisiert, wird durch die Bitte an Gott: SIHE AN IESVM, DAS LIBE KIND, den menschgewordenen, durch seinen Tod die Menschheit von der Sünde erlö-senden Gottessohn, unmittelbar an die gelebte protestantische Frömmigkeit angebunden. Die Medaille steht somit im Konzert der oft religiös konnotierten allgemeinen und zeitlich wie örtlich überindividuellen Kriegsleid- und Friedenswunschmedaillen, die es gerade im Dreißigjährigen Krieg, schon seit der Mitte der 1620er Jahre, häufig gibt. Dem entspricht auch die bildliche Darstellung der Gegenseite: Zwei weibliche Personifikationen, beide in antikisierendem Gewand mit Rüstung darüber, stehen sich gegenüber, die linke durch den Palmzweig in der Rechten als der Friede Pax, die rechte durch das Schwert in der Rechten und den Helm in der Linken als der Krieg Bellona identifiziert. Pax, auf entfunktionalisiertem Kriegsgerät – Lanzen, Speeren, Hellebarden, einem Gewehr, einem Schild, einer Kanone mit Kugeln, Rüstungsteilen und einer Kriegstrommel – stehend, gebietet mit ihrer Linken energisch Bellona Einhalt, die sich, zurückblickend, das Schwert zerbrochen und des Helmes entblößt, zur Flucht wendet. Oben erscheint die Hand Gottes, die dextera Dei, aus den Wolken und hält einen Oliven- und Palmzweig, Symbole des Friedens wie der Freude, über die Szenerie. Die Umschrift AVREA · PAX · VIGEAT · DET · – DEVS · ARMA · CADANT – „Der goldene Frie-de blühe; Gott mache, dass die Waffen fallen“ – zitiert einen Hexameter, dessen Autor, wohl ein neulateinischer Epigrammatiker, unbekannt ist. Darstellung und Umschrift sind freilich nicht Erfindung des Medailleurs, sondern mit einigen Abwandlungen im Detail von einer Medaille Sebastian Dadlers (1586–1657) kopiert, wenn auch stilistisch stark vergröbernd. Dieser schuf, damals in kur-fürstlich-sächsischen Diensten am Dresdener Hof stehend, eben seit Mitte der 1620er Jahre Friedensmedaillen; es dürfte sich bei der Vorlage um seine früheste derartige Arbeit, die es ohne Jahreszahl sowie mit 1627 und 1628 gibt, handeln. In der Verbindung von allegorischer Darstellung auf der einen Seite und (Gebets-)Text auf der anderen Seite wird so auf der Medaille der Bitte an Gott: SCHENCK VNS DOCH EIN FRIDLICHES IAHR, dass also der Frieden den Krieg vertreibe, vielschichtig Ausdruck verliehen. Und in der Tat konnte sich Frankfurt nach dem letzten großen Schreckensjahr 1637, in dem wie auf der Medaille nur noch Gebete halfen, recht bald vom Krieg und auch der Schwedenzeit erholen und an die frühere Wirtschafts- und Finanzkraft anknüpfen.
Betrachtet man die drei Frankfurter Medaillen von 1635, 1636 und 1637 in der Zusammenschau, so dürften sie alle aufgrund ihrer thematischen, kompositorischen und einiger formaler Parallelen von demselben Stempelschneider stammen. Dieser hat auf dem kleinen Rund – die Stücke messen nur 26 bis 27 mm im Durchmesser – erstaunlich detailreiche Darstellungen und Texte in schöner Kapitalis geschaffen, war allerdings auch nicht der allergrößte Künstler, wie die eher unbeholfenen Verse, Unregelmäßigkeiten der Buchstaben und vor allem die mehr schlecht als recht gelungene Dadler-Kopie zeigen. Wer dieser Medailleur des Frühbarock war, ist unbekannt, er hat – was nicht selten der Fall war – seine Arbeiten nicht signiert; nur eine formal-stilistische und dabei breit vergleichende Analyse der drei Stücke unter Anwendung des gesamten methodischen Instrumentariums der Medaillenkunde könnte hier Hinweise erbringen. Es mag angesichts der kleinteiligen Stadt- bzw. Gefechtsdarstellungen und auch der genauen Totenzahlen für 1634 und 1635, die den städtischen Registern entnommen sind, ein Einheimischer, ein Frankfurter, gewesen sein. Neben spezialisierten Medailleuren, von denen man in Frankfurt zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges freilich kaum etwas weiß, ist dann auch an die Münzmeister und Stempelschneider des städtischen Münzgeldes sowie pauschal an die örtlichen Gold- und Silberschmiede zu denken. Doch auch auswärtigen Künstlern wären die Zahleninformationen und die Topografie leicht zu vermitteln gewesen – letztere etwa in Form der Merian-Stiche, die es auch bereits von 1617/18 und 1628 gibt. In der reichen Handels- und Messestadt Frankfurt erscheint, sogar im Krieg, eine aktive einheimische Medaillenszene gleichermaßen wahrscheinlich wie die gute Marktzugänglichkeit auswärtiger Medailleure. Das Zentrum der Medaillenproduktion im Reich lag unzweifelhaft in Nürnberg, doch auch Augsburg, Wien, Breslau, Dresden, Danzig oder Zentren im Ausland kämen in Frage – und trotzdem machen die vorliegenden drei Medaillen insgesamt einen lokalen Eindruck. Wer diese in Auftrag gegeben und bezahlt hat, ist ebenfalls unklar; im Falle der Reichsstadt selbst würde man wohl einen offiziellen Hinweis, das Wappen oder eine entsprechende Schriftinformation, erwarten. Eher war es – und gerade während des Dreißigjährigen Krieges nahm diese Form des Unternehmertums einen enormen Aufschwung – ein freischaffender Künstler, der auf eigene Rechnung Medaillen für den Markt, den Einzelverkauf oder den Vertrieb auf Messen, herstellte; die städtischen Münzmeister taten freilich das gleiche. Auch die kleine Form, die nochmals die Einheit aller drei Medaillen unterstreicht, legt dies nahe, zumal alle drei geprägt sind, wenn auch jeweils wohl nur aus einem Stempelpaar, was eine größere Stückzahl als beim Guss ermöglichte. Der Rezipientenkreis war angesichts des dezidiert lokalen Bezugs der Medaillen von 1635 und 1636 in erster Linie sicher Frankfurt selbst, Bürger, Kaufleute, Adlige, jedoch dürfen bereits zu dieser Zeit die Medaillensammler überall im Reich nicht vergessen werden. Die überindividuelle Kriegsleid- und Friedenswunschmedaille à la Dadler von 1637 dagegen eignete sich, auch wegen des inzwischen etablierten Bildmotivs, wahrscheinlich besser für den breiteren Vertrieb. Dass die Texte – die reinen Textseiten stehen in protestantischer Tradition mit ihrer starken Betonung des Wortes – auf Deutsch und nicht Lateinisch sind, spricht für das intendierte breite Publikum; die kleinen Prägungen dürften einigermaßen erschwinglich gewesen sein. Auf diesen Sozialstatus der Käufer deutet auch, dass die Stücke meist aus Silber sind, doch gibt es daneben solche aus Gold für gehobenere und solche aus unedlen Metallen, teils erst später entstanden, für niedrigere Ansprüche. Über Auflagen, Preise und Käufer weiß man gar nichts; möglicherweise können Archivstudien Aufschluss geben, allerdings sind die Bestände durch die Zeitläufte der letzten bald vier Jahrhunderte stark dezimiert.
Insgesamt ergibt sich so eine kleine Reihe von drei jährlich aufeinanderfolgenden Frankfurter Medaillen zu demselben Themenfeld: Krieg, Hunger und Krankheiten, das Leid der Stadt im Dreißigjährigen Krieg. Die Jahre 1634, 1635 und 1636, über die rückblickend jeweils berichtet wird, waren wohl die schwierigsten, doch waren auch die Jahre davor und danach kaum besser, so dass letztlich unklar bleibt, warum die Serie 1634/35 beginnt und 1636/37 endet. Vielleicht gab das schlimme Kriegs- und Pestjahr 1634 den Anstoß, und weil das Hungerjahr 1637 so schlimm war, hat man die Reihe dann vielleicht nicht fortgesetzt. Dass die dritte Medaille von 1637 dabei überindividuell nach einer bekannten Vorlage gestaltet wurde, bringt einen gewissen – auch kompositorisch-formalen – Bruch in die Serie, doch war das Motiv der repräsentativen Stadtansicht mit dem Erstaufschlag für 1634 verbraucht und gab es 1636 kein so prominentes, bestens visualisierbares Ereignis wie eben das Gefecht an der Alten Brücke 1635. Und auch Überlegungen zum Verkaufsabsatz der ja wohl auf eigene Rechnung des Künstlers hergestellten Prägungen mögen bei der Entscheidung für das allegorische Bildmotiv eine Rolle gespielt haben. Das Thema wurde so 1637 nach dem individuellen Frankfurt-Bezug 1635 und 1636, ungemein konkret bei Sachsenhausen, bildlich auf eine grundsätzliche Ebene versetzt, aber auch textlich, indem der religiöse Grundtenor bis zur Ausschließlichkeit gesteigert ist. Als Kriegsleid- und zugleich Friedenswunschmedaillen ordnen sich die Frankfurter Stücke ein in eine ganze Reihe derartiger Produkte überall im Reich während des Dreißigjährigen Krieges. Der Funktionskontext war hier jedoch noch ein spezifischer: Es handelt sich um sogenannte Neujahrsmedaillen, Medaillen, die im Rückblick auf das schlechte alte Jahr der – religiös grundge-legten, wie auch das über die Stadt gekommene Leid prinzipiell religiös begründet wird – Hoffnung auf ein besseres neues Jahr Ausdruck verliehen. Die Formulierungen IESVS GIBT DAN EIN BESER IAR auf der Medaille von 1635 und mehr noch SCHENCK VNS DOCH EIN FRIDLICHES IAHR auf der Medaille von 1637 belegen dies, während es für die Medaille von 1636 nur vermutet werden kann. Für die Käufer, die eben wohl meist aus Frankfurt stammten, waren diese metallenen Hoffnungswünsche in schwerer Zeit gleichzeitig metallene Erinnerungsstücke an diese schwere Zeit in der eigenen Stadt. Dass solche quasi zeitgeschichtlichen Dokumente, Vertreter der sich zunehmend etablierenden Mediengattung Medaille, gerade 1635 bis 1637 aufgelegt wurden, bleibt zuletzt dennoch erstaunlich; Käufer muss es jedenfalls gegeben haben. Als Neujahrsmedaillen stehen die Frankfurter Stücke ebenfalls nicht allein in Raum und Zeit – die Hoffnung auf ein gutes neues Jahr in Frieden wurde im Krieg überall und gleichsam mit jedem neuen Jahr neu virulent. In Frankfurt dagegen stehen die drei Medaillen mitten im Krieg ziemlich allein, denn abgesehen von einigen wenigen Personenmedaillen, die auf private Auftraggeberschaft zurückgehen und damit ganz anders zu kontextualisieren sind, gibt es praktisch kein Medaillenschaffen, in den 1630er Jahren gar keins. Die letzten Wahl- bzw. Krönungsmünzen und -medaillen für den römisch-deutschen Kaiser, welcher Impetus hauptsächlich von auswärtigen Künstlern, aus Nürnberg, Breslau, Danzig, Dresden oder Graz, teilweise aber auch von Frankfurtern bedient wurde, stammen von 1619 für Ferdinand II. (reg. 1619–1637), die nächsten von 1658 für Leopold I. (reg. 1658–1705). Aus der vierjährigen Schwedenzeit gibt es kein Stück, das von den faktischen Stadtherren – König Gustav II. Adolf, Reichskanzler Axel Oxenstierna, Königin Christina – ausgegangen wäre oder sich explizit auf diese beziehen würde. Neben der reichsstädtischen Münzprägung, die auch während des Krieges, auch in den 1630er Jahren, andauerte, stellen die drei Medaillen auf das Leid Frankfurts im Dreißigjährigen Krieg exzeptionelle Dokumente von besonderer Aussagekraft dar.
Stefan Kötz
Literatur
- Rüppell, Eduard: Beschreibung der Münzen und Medaillen, welche wegen geschichtlicher Bege-benheiten für Frankfurt gefertigt wurden […], Frankfurt am Main 1857, auch in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 8 (1858), S. 1–54
- Kriegk, Georg Ludwig: Frankfurt um die Mitte des dreissigjährigen Krieges [1635/36], in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst NF 1 (1860), S. 251–274, auch in: ders.: Geschichte von Frankfurt am Main in ausgewählten Darstellungen nach Urkunden und Acten, Frankfurt am Main 1871, S. 418–441
- Lammert, Gottfried: Geschichte der Seuchen, Hungers- und Kriegsnoth zur Zeit des 30jährigen Krieges, Wiesbaden 1890
- Joseph, Paul / Fellner, Eduard: Die Münzen von Frankfurt am Main nebst einer münzgeschichtlichen Einleitung und mehreren Anhängen, 2 Bde. und Supplement-Bd., Frankfurt am Main 1896/1903
- Rieck, Anja: Frankfurt am Main unter schwedischer Besatzung, 1631–1635. Reichsstadt – Repräsentationsort – Bündnisfestung (Europäische Hochschulschriften, Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd. 1011), Frankfurt am Main 2005
Abb. 1: © LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster (Foto: Sabine Ahlbrand-Dornseif)
Abb. 2: © Historisches Museum Frankfurt (Foto: Frank Berger)
Abb. 3: © Historisches Museum Frankfurt (Foto: Frank Berger)