Die ‚Friedensmünzen‘ Erzbischof Brunos von Trier und König/Kaiser Heinrichs V., 1110/20er Jahre
a) Erzbischof Bruno, Pfennig – Silber, geprägt; Gew. 0,67 g, Dm. 21 mm. Aus dem Fund von Bébange
Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, Obj.-Nr. 18226877
b) Erzbischof Bruno, Pfennig – Silber, geprägt; Gew. 0,66 g, Dm. 20 mm. Aus dem Fund von Bébange
Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, Obj.-Nr. 18226891
c) Kaiser Heinrich V., Pfennig – Silber, geprägt; Gew. 0,94 g, Dm. 19 mm
Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, Obj.-Nr. 18226861
Friedensäußerungen auf Münzen des Mittelalters sind – blickt man vergleichend zurück, in die Antike, und nach vorn, in die Neuzeit – ausgesprochen selten. In der Antike spielte der Friede, Eirene bzw. Pax, spielten aber auch andere Ausformungen der Friedensidee eine bedeutende Rolle. Münzen, insbesondere römische Münzen, waren das zentrale Kommunikations- und Propagandamedium, speziell über die Rückseiten wurde Politik transportiert und propagiert, ja manchmal sogar Politik gemacht. Diese ihre Funktion haben Münzen im Mittelalter weitestgehend verloren, und auch in der Neuzeit hat sich dies nicht grundsätzlich geändert. In der Neuzeit aber trat eine neue Gattung auf den Plan, die – wenn auch ursprünglich nicht direkt so funktionalisiert – die Funktion eines Kommunikations- und Propagandamediums integrierte: die Medaille. Im Mittelalter existierte jedoch noch keine Medaille, politische Äußerungen – und Friedensäußerungen sind im eigentlichen Sinne politisch – finden sich auf Münzen kaum. Dazu sind in der Regel die Münzbilder nicht nur zu unspezifisch, sondern es fehlte auch das Publikum, das diese Botschaften überhaupt hätte dechiffrieren können.
Und dennoch gibt es Münzen im Mittelalter, die einen Friedensbezug in Wort und/oder Bild zeigen, die diese politische Idee zum Ausdruck brachten – und dann natürlich kaum zufällig. So in Trier im frühen 12. Jahrhundert: Münzen, die nicht nur PAX in ihre Legende schreiben und Pax vielleicht auch bildlich darstellen, sondern hinter denen tatsächlich ein realer politischer Anlass gestanden haben dürfte. Einerseits ein Typ Erzbischof Brunos (1102–1124), auf der Vorderseite das barhäuptige Brustbild nach links, davor ein Krummstab, Umschrift: + BRVNO ARCHIEPIS, auf der Rückseite das Brustbild eines geflügelten Engels von vorn, darüber PAX, darunter TREVERIS (Kluge 17.32.3). Andererseits ein Typ mit ähnlicher Vorderseite, auf der Rückseite aber das barhäuptige Brustbild des heiligen Petrus von vorn, die Linke segnend erhoben, mit der Rechten ein Schlüsselpaar schulternd, dessen Bärte die Buchstaben P und E von PAX PETRVS bilden (Kluge Nr. 17.34.1). Genau zu dieser Rückseite gibt es auch eine Vorderseite mit dem gekrönten Brustbild Kaiser Heinrichs V. (1106/11–1125) nach links, in der Rechten ein Lilienszepter, Umschrift: HEINRICVS CESAR (Kluge 17.13); zu der anderen Rückseite existiert eine solche königlich-kaiserliche Parallele nicht oder ist nur noch nicht bekannt geworden.
Die Bildthemen ordnen sich ein in eine lange Reihe von Münzbildern in der Münzstätte Trier seit kurz vor der Mitte des 11. Jahrhunderts mit einem durchaus anspruchsvollen ikonografischen sowie religiös-theologischen Gehalt. Die Trierer Münzreihe ist damit, auch mit dem künstlerischen Stempelschnitt, den korrekten Legenden und der technisch hohen Prägequalität, eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Münzprägung der Zeit. Seit der Endphase Erzbischof Poppos (1016–1047) gibt es den Typ mit der Hand Gottes, die die Himmelsschlüssel, Attribut des Apostelfürsten Petrus, des Trierer Bistumsheiligen, hält. Der Typ wird unter Eberhard (1047–1066) fortgesetzt, unter Udo (1066–1078) ergänzt um eine Zweihand-Variante – die Hand Gottes überreicht der Hand Petri die Schlüssel – und den Typ mit der segnenden Hand Gottes auf einem Kreuz samt Alpha und Omega; unter Egilbert (1079–1101) kommt neben einem großflächigen Kreuz noch das Lamm Gottes hinzu. Neu bei Bruno, der die bisherigen Bilder teils weiterführt, sind das Engelsbrustbild, das Motiv des knienden Petrus, die Schlüssel empfangend, und das Brustbild Petri. Die Rückseiten, deren Legenden auf PETRVS TREVERIS, TREVERIS SECUNDA ROM[A], nur TREVERIS oder eben PAX TREVERIS bzw. PAX PETRVS lauten, sind mit Vorderseiten mit den Insignien Krummstab oder Kreuzstab verschiedentlich kombiniert. Königlich-kaiserliche Vorderseiten mit Lilienszepter, Kreuzstab oder Palmzweig gibt es zu allen drei Typen Engelsbrustbild, kniender Petrus und Brustbild Petri (Kluge 17.11 = 17.32, 17.12 = 17.33, 17.13 = 17.34). Es handelt sich, weil durch Stempelkopplungen mit den erzbischöflichen Typen verbunden, um Prägungen aus Trier selbst – und nicht etwa aus einer Pfalz wie Boppard. Es liegt nahe, Absprachen zwischen Erzbischof und König/Kaiser über die Einführung und die gemeinschaftliche Ausprägung dieses neuartigen Bildprogramms wohl in der gegebenen Reihenfolge anzunehmen.
Schon die Tatsache, dass sich unter Erzbischof Bruno seit langer Zeit wieder königlich-kaiserliche Prägungen in Trier finden – unter Poppo war der König schrittweise aus Münzumschrift und Münzbild verdrängt worden –, ist ein Ausdruck des Friedens. Das frühere 12. Jahrhundert nämlich war genauso wie das spätere 11. Jahrhundert alles andere als eine Zeit des Friedens: Es war die Epoche des sogenannten Investiturstreits, des generellen Gegensatzes zwischen weltlicher und geistlicher Sphäre, regnum und sacerdotium, zwischen König bzw. Kaiser und Papst, der sich an der Frage der Einsetzung der Bischöfe und Äbte, der Investitur, und speziell der dazu Berechtigten entzündete und gleichzeitig die Frage des Primats nicht nur in geistlichen Dingen, sondern auf der Welt insgesamt betraf. Der Konflikt begann bereits in den 1050er Jahren, Zeit der Kirchenreform, hatte seinen frühen Kulminationspunkt 1077 im Gang Heinrichs IV. (1056/84–1105) nach Canossa und konnte 1122 im Wormser Konkordat zumindest vorläufig beigelegt werden. Der Konflikt wurde durchaus mit kriegerischen Mitteln ausgetragen, aber auch und erstmals in diesem Umfang publizistisch geführt: mithilfe von Medien, medialer Propaganda. Münzen konnten dabei allein durch die Tatsache ihrer Prägung, Objekt eines ausgeübten Prägerechts, Ausdruck letztlich von Herrschaftsrechten, Propagandastücke sein. Dass Heinrich V. unter Bruno wieder in der Trierer Münzprägung sichtbar wird, ist ein – seltenes – Dokument des Friedens, der Eintracht von regnum und sacerdotium, die hier proklamatorisch zum Ausdruck gebracht wurde. Bruno war – so wie es sein Vorgänger Egilbert schon für Heinrich IV. gewesen war – eine der aktivsten, verlässlichsten Stützen Heinrichs V. sowohl in dessen Auseinandersetzungen mit dem Papst, zu dem Bruno erstaunlicherweise stets ein gutes Verhältnis wahrte, als auch mit der gerade nach der Kaiserkrönung 1111 wieder zunehmend erstarkenden Fürstenopposition.
Doch die erzbischöflich-kaiserlichen Gemeinschaftsemissionen, Dokumente des Friedens, deren medialer Tragweite sich Erzbischof und König/Kaiser bewusst waren, eröffnen weitere Aspekte. Zunächst das Engelsbrustbild: Der Engel, ikonografisch letztlich auf die Siegesgöttin Nike bzw. Victoria, stets geflügelt dargestellt, zurückgehend, hat seit dem Frühmittelalter eine Tradition als (christliches) Friedenssymbol. So weit zu gehen, Engelsmünzen generell als Friedensmünzen zu qualifizieren, würde aber zu weit gehen, zumal sie im Falle von Trier eingeordnet sind in ein stringentes religiös-theologisches Bildprogramm und auch ohne die Legende PAX vorkommen (Kluge 17.32.1–2). Definitiv zu weit geht, die Trierer Engelsmünzen – ohne PAX – als Auswurfmünzen zu interpretieren, die Heinrich V. am 12. Februar 1111 bei seinem Einzug zur Kaiserkrönung in Rom in antiker Tradition unter das Volk geworfen hätte, um so – der König, REX, hält einen Palmzweig, auch ein Friedenssymbol (Kluge 17.11.1) – seine allgemeine Friedensabsicht zu propagieren (R. Gaettens). Die These, Münzen hier als politisches Kommunikations- und Propagandamedium funktionalisiert zu sehen, als ein publizistisches Medium im Ringen um den Frieden, Stimme im Konzert der politischen Publizistik des Investiturstreits, steht in diesem Fall auf zu wackeligen Füßen. Dem widerspricht auch, dass sich diese Prägungen im Umlauf der Heimatregion finden, so 1911 in dem Schatzfund von Bébange (Gem. Messancy, Prov. Luxembourg, Belgien), der die Mehrheit der Trierer Münzen dieser Zeit überliefert hat.
Die Legende PAX aber spricht den Frieden direkt an, und dies ebenfalls nur als Ausdruck der Eintracht von regnum und sacerdotium zu sehen, erscheint zu wenig. Wichtig ist, dass PAX stets in Verbindung mit TREVERIS, Trier, bzw. PETRVS – und damit natürlich auch Trier – steht: Es ging somit um einen Trierer Frieden, einen Frieden in oder um Trier, bezogen auf die Stadt und die Erzdiözese Trier. Dieser Frieden, der Petersfrieden, PAX PETRVS, wurde auf den erzbischöflichen und kaiserlichen Prägungen gemeinsam offensiv zur Schau gestellt – und übrigens auch auf einer weiteren, wohl in Trier selbst entstandenen Parallelprägung seitens eines ungenannten Pfalzgrafen (Kluge 17.43). Dass auch Brunos Nach-Nach-Nachfolger Albero II. (1131–1152) zu Beginn seiner Amtszeit diesen Typ prägte (Kluge 17.37), dürfte dagegen auf Immobilisierung, der unveränderten Weiterführung eines Typs in Bild und Schrift, beruhen. Ein solcher Frieden, ein Gottes- und/oder Landfrieden, ist nun tatsächlich für das Jahr 1122 fassbar, als von einer generalis vel specialis pax in den mittelrheinischen Gebieten die Rede ist. Die Idee des von Bischöfen oder Äbten in Verbindung mit weltlichen Herrschaftsträgern errichteten Gottesfriedens für das Gebiet einer Diözese hatte sich im Deutschen Reich im Verlauf des 11. Jahrhunderts zunehmend mit der Idee eines von Weltlichen gesetzten Landfriedens (specialis pax), im Falle des Königs eines Reichsfriedens (generalis pax), verbunden. Ausgangspunkt dürfte hier das Jahr 1119 gewesen sein, als man sich – nachdem sich seit 1112 der Konflikt Heinrichs V. mit dem Papst wie mit den Fürsten zugespitzt hatte, es überall zu Unruhen kam und 1118 sogar die Absetzung durch die Fürsten drohte – allseits um einen Frieden bemühte. Ostern 1119 konnte, und dies durch maßgebliches Engagement Erzbischof Brunos, tatsächlich ein Waffenstillstand mit den beiden Hauptgegnern, Erzbischof Adalbert I. von Mainz (1111–1137) und Erzbischof Friedrich I. von Köln (1100–1131), geschlossen werden. Im Juni 1119 folgte eine Reichsversammlung zu Tribur mit den drei Erzbischöfen, die gelobten, in allen Teilen des Reiches Frieden – generalis vel specialis pax – zu wahren. 1119 wurde zudem in Reims und Mouzon auf Vermittlung Brunos die Versöhnung mit Papst Calixt II. (1119–1124) angebahnt, was den Weg zum Wormser Konkordat 1122, dem Friedensvertrag, wies.
Die Trierer Friedensmünzen, gemeinsam emittiert von Erzbischof, Kaiser und Pfalzgraf – eventuell also eine konzertierte Aktion aller Herrschaftsträger im Raum Trier –, könnten damit in Zusammenhang gestanden haben. Der Typ mit dem Brustbild Petri und PAX PETRVS ist sicher spät, in der Endphase Brunos, entstanden, der Typ mit dem Engelsbrustbild ohne PAX dagegen sicher bereits 1106/07; dies schließt eine spätere Ansetzung der Variante mit PAX allerdings nicht aus. Die PAX-Prägungen – und der Engel würde hier tatsächlich zum Friedensengel, gleichsam zu Pax – könnten so im Angesicht der Zeit das entscheidende Trierer Friedensengagement, den Trierer Petersfrieden als einen von Trier ausgehenden Frieden, realisiert durch Erzbischof, Kaiser (und Pfalzgraf), als einen provinziellen Land- und allgemeinen Reichsfrieden, propagiert, gemeinsam propagiert haben. Je nach Datierung, die so genau nicht möglich ist, könnten sie auch eine Friedensaufforderung an die Gegner, die Fürsten, oder aber den bereits erreichten Frieden zum Ausdruck gebracht haben. Münzen – als Ausfluss eines Hoheitsrechts quasi amtliche Dokumente – wären jetzt also als politisches Kommunikations- und Propagandamedium funktionalisiert zu sehen, als ein publizistisches Medium im Ringen um den Frieden, Stimme im Konzert der politischen Publizistik des Investiturstreits. Letzteres freilich in übertragenem Sinne, denn die Botschaft galt weniger dem Papst, der Trierer Münzen kaum jemals zu Gesicht bekommen haben sollte, und somit weniger der Lösung der Investiturfrage als vielmehr den Fürsten im Reich. Zuweilen wurde eben auch auf Münzen des Mittelalters speziell über die Rückseiten anhand spezifischer Münzbilder Politik transportiert und propagiert, ja manchmal sogar Politik gemacht.
Stefan Kötz
Literatur:
- Suhle, Arthur: Der Fund von Bébange und die Trierer Friedenspfennige, in: Zeitschrift für Numismatik 34 (1924), S. 321–348 mit Tf. IX–X
- Buchenau, Heinrich: Zum Bebinger Pfennigfund, in: Blätter für Münzfreunde 16 NF 3 (1924–1926), S. 118–122 mit Tf. 289,11–12
- Gaettens, Richard: Die Trierer Friedenspfennige des Fundes von Bébange. Wichtige Dokumente zur Geschichte Kaiser Heinrich’s V., in: Blätter für Münzfreunde und Münzforschung NF 9 (1954–1956), S. 14–19, 129–135, 166–172
- Weiller, Raymond: Die Münzen von Trier, Tl. 1,1: Beschreibung der Münzen, 6. Jahrhundert–1307 (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, Bd. 30), Düsseldorf 1988, S. 379–412
- Das Reich der Salier 1024–1125. Katalog zur Ausstellung des Landes Rheinland-Pfalz in Speyer 1992, Sigmaringen 1992, S. 458f.
- Kluge, Bernd: Conspectus Nummorum Germaniae Medii Aevi (CNG). Kommentierter Typenkatalog der deutschen Münzen des Mittelalters – von den Anfängen bis zur Ausbildung der regionalen Pfennigmünze, von 880 bis um 1140, Tl. 5: Oberlothringen (4) – Das Erzbistum Trier, in: Geldgeschichtliche Nachrichten 35 (2000), S. 184–196, Tl. 6: Oberlothringen (5) – Das Erzbistum Trier (Fortsetzung Trier, Koblenz), in: Geldgeschichtliche Nachrichten 35 (2000), S. 253–259
- Kötz, Stefan: Feind und Freund unter Heinrich V. und ein Dokument des Friedens: die „Friedenspfennige“ Erzbischof Brunos von Trier und Heinrichs V., in: Die Salier. Macht im Wandel (Ausstellungskatalog Historisches Museum der Pfalz Speyer, 10. April bis 30. Oktober 2011), Bd. 2: Katalog, Kat.-Nr. 192–202 auf S. 249–252 mit Tf. 4