Münze des Monats

September 2024
© Photoatelier des KHM Wien

Verschwundene Artefakte: Ein severischer Denar mit Hinweisen

Denar, Rom, 202–210 n. Chr.

Avers: SEVERVS – PIVS AVG. Kopf des Septimius Severus mit Lorbeerkranz, nach rechts.

Revers: COS – III P P. Darstellung des severischen Triumphbogens mit drei Durchgängen und Andeutungen der Reliefdarstellungen. Sechsgespann auf dem Bogen, das von Reiterstandbildern flankiert wird.

RIC IV (Septimius Severus) Nr. 259. Gezeigt wird das Exemplar im Kunsthistorischen Museum Wien, Inv. RÖ14396

 

Bei dieser kleinen Silbermünze handelt es sich um einen Denar des Septimius Severus. Auf dem Avers ist das Porträt des Kaisers abgebildet, gerahmt von der Aufschrift SEVERVS PIVS AVG. Der Revers zeigt den Ehrenbogen, welcher in Rom anlässlich seines Triumphes über die Parther errichtet wurde. Gekrönt wird dieser von einer prächtigen Statuengruppe mit Pferdegespann und zwei flankierenden Reiterfiguren. Diese Seite der Münze bezeichnet den Kaiser als COS III P P (als dreifachen Konsul und pater patriae, den »Vater des Vaterlandes«). Parallele Bronzemünzen von Septimius Severus und seinem Sohn Caracalla zeigen dasselbe Monument, sind aber wegen des geringerwertigen Metalls meist deutlich schlechter erhalten.

Was macht diese Münze nun so bedeutsam, dass sie sich eignet, als »Münze des Monats« vorgestellt zu werden?

Abb. 1: Severusbogen auf dem Forum Romanum
© Wikimedia Commons

Hierfür ist es wichtig, den historischen Kontext zu betrachten und sich mit der Biografie des Septimius Severus auseinanderzusetzen. Der Kaiser wurde im April des Jahres 146 n. Chr. in Leptis Magna (heute Libyen) geboren, begann seine Amtszeit im Jahre 193 n. Chr. und starb im Jahre 211 n. Chr. während eines Feldzugs in Britannien. In seiner 18-jährigen Regierungszeit gelangen ihm militärische Erfolge, welche für die Ausdehnung des Römischen Reiches von Bedeutung waren. Er erhielt mehrere Siegerbeinamen und ihm wurde vom Senat ein Triumph gewährt. Noch heute lässt sich das Ausmaß dieser Ehrung anhand zweier Monumente erkennen: In Form eines vierseitigen Bogenmonuments (lat. quadrifrons) in seiner Geburtsstadt Leptis Magna und in Form eines Triumphbogens auf dem Forum Romanum. Gegliedert ist dieser Bogen in Rom in einen Hauptbogen und zwei seitliche Nebenbögen (Abb. 1). Der reiche Reliefschmuck zeigt Szenen, in denen die römischen Soldaten Städte belagern und parthische Krieger gefangen nehmen. Viktorien (Siegesgöttinnen) schmücken die Zwickel des Hauptbogens und zwei Flussgottheiten begleiten den Bildschmuck in den Nebenbogenzwickeln. Bei diesen handelt es sich vermutlich um Euphrat und Tigris, die zwei Flüsse, welche das eroberte Gebiet im Osten einfassen.

Eine Ehreninschrift, die bereits in der Antike verändert wurde, nennt die Amtszeiten und Titel des Kaisers sowie wichtige Familienverbindungen: Septimius Severus hatte mit seiner Frau Julia Domna zwei Söhne, Caracalla und Geta. Nach dem Tod ihres Vaters waren beide dazu bestimmt, die Regentschaft gemeinsam zu übernehmen, doch schon bald wurde Geta durch seinen Bruder ermordet, der eine damnatio memoriae (»Auslöschung der Erinnerung«) über ihn verhängen ließ. Infolgedessen wurde Getas Name vielerorts, auch in der Inschrift des Severusbogens, entfernt. Dieser Vorgang lässt sich nachvollziehen, da die Inschrift schon in ihrer ursprünglichen Form mit Bronzebuchstaben hervorgehoben wurde. Diese waren mit Zapfen im Marmor befestigt, die Löcher im Textfeld hinterließen. Anhand dieser Löcher lassen sich die originalen Buchstaben rekonstruieren.

In der Antike dienten Triumph- und Ehrenbögen als Sockel für Statuen(gruppen), welche die Monumente bekrönten. Dieser Statuenschmuck war meistens aus Bronze gefertigt, der in späterer Zeit eingeschmolzen wurde und sich daher der Nachwelt nicht erhalten hat. Auch die ursprünglichen Skulpturen des Severusbogens sind dadurch verloren. Abgesehen von den Münzbildern sind der Forschung keine weiteren Text- oder Bilddokumente bekannt, die den reichen Statuenschmuck dokumentieren: Hier ist leicht erkennbar ein Sechsgespann zentral auf dem Bogen platziert. Dies ist eine Besonderheit, da in den meisten römischen Darstellungen nur ein Viergespann, die Quadriga, präsentiert wird. (Eine seltene Ausnahme mit Sechsgespann ist ein trajanischer Aureus). Das severische Sechsgespann wird von zwei Reiterfiguren flankiert, bei denen es sich wahrscheinlich um die kaiserlichen Söhne handelt. D. h. hier wird wie üblich der »siegreiche Kaiser« thematisiert und zugleich ein Kaiser, der seine Nachfolge geregelt hat und der mit seinen beiden Söhnen eine neue Dynastie begründet. Ob die Statuenbekrönung tatsächlich genauso ausgesehen hat, muss offenbleiben, ist aber nicht unwahrscheinlich. Wenn wir das annehmen, sollten wir davon ausgehen, dass die rahmenden Figuren aufgrund von Getas damnatio memoriae bereits in der Antike von dem Monument umgedeutet, verändert oder entfernt wurden.

Bedeutend ist, dass wir hier auf der Münze das Abbild eines Monuments haben und dieses Monument selbst in Rom heute noch erhalten ist – wenn auch ohne den Figurenschmuck. Wir können vergleichen, wie ›sauber‹ ein Münzbild den tatsächlichen architektonischen Befund wiedergibt. Außerdem vermittelt es einen vollständigeren Eindruck der antiken Architektur, die den Idealzustand unter Septimius Severus zeigt und von der heute nur noch der ›Unterbau‹ erhalten ist. In dem Wissen um Getas damnatio memoriae bleibt zudem Raum für Überlegungen zum Umgang mit sich ändernden politischen Gegebenheiten und der Sichtbarkeit von Machtstrukturen im öffentlichen Raum.

(Jordan E. Nühsmann, Teilnehmerin der Numismatischen Herbstschule 2023)

 

Literaturauswahl:

  • M. R.-Alföldi, Bild und Bildersprache der römischen Kaiser. Beispiele und Analysen (Mainz 1999)
  • R. Brilliant, The Arch of Septimius Severus in the Roman Forum, MemAmAc 29 (Rom 1967)
  • N. T. Elkins, Monuments in miniature. Architecture on Roman coinage (New York 2015) S. 97 f.
  • H. I. Flower, Remembering and Forgetting Temple Destruction: The Destruction of the Temple of Iuppiter Optimus Maximus in 83 BC, in: G. Gardner – K. L. Osterloh (Hrsg.), Antiquity in Antiquity. Jewish and Christian Pasts in the Greco-Roman World (Tübingen 2008) 74–92
  • G. Fuchs, Architekturdarstellungen auf römischen Münzen, Antike Münzen und Geschnittene Steine 1 (Berlin 1969) bes. S. 92-129 (methodisch zu Darstellungsprinzipien von Architekturbildern auf Münzen und dem Problem der ›Wirklichkeitstreue‹)
  • Ph. V. Hill, The Monuments of Ancient Rome as Coin Types (London 1989) S. 51 f.
  • A. Lichtenberger, Severus Pius Augustus. Studien zur sakralen Repräsentation und Rezeption der Herrschaft des Septimius Severus und seiner Familie 193–211 n. Chr. (Leiden 2011)

 

Bildnachweise

Münze des Monats: Photoatelier des Kunsthistorischen Museums Wien; Abb. 1: © Wikimedia Commons

Alle Links wurden zuletzt im September 2024 abgerufen.