Juni 2022
Juni 2022

Münze des Monats

© Stefan Kötz

Abtei Werden/Ruhr, Reichstaler 1636

Westfälisches Landesmuseum / LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münzkabinett, Inv.-Nr. 21870Mz

Silber, Gew. 28,662 g, Dm. 46,6-47,5 mm

Die Abtei Werden gehört zu den frühesten benediktinischen Gründungen in Nordwestdeutschland. Durch den Aufstieg ehemaliger Amtleute über die Ministerialität bis hin zu kleinen Landesherren wurde aus der einst reichen Großgrundherrschaft eine Fürstabtei mit vergleichsweise geringem Einkommen.

Das Münzrecht der Abtei ist unklar. Verwiesen wurde auf ein Privileg aus dem Jahr 974, durch welches von Kaiser Otto II. auf Fürbitte seiner Frau Theophanu dem Abt das Münzrecht in Werden und in Lüdinghausen übertragen worden sein soll (MGH DO II Nr. 88). Dieses ist jedoch zweifelhaft und gilt als Fälschung bzw. Verfälschung. Es muss aber ein historischer Kern darin stecken, da Werdener Münzen auf Duisburger Schlag von etwa 1080 überliefert sind und aus der gleichen Zeit auch Prägungen aus Lüdinghausen auf münsterischen Schlag. In letzterem Ort hatten die Mönche einen großen Amthof, der Mittelpunkt ihrer Besitzungen im südlichen Münsterland war. Möglicherweise hat die Abtei um diese Zeit eine vorhandene Münzrechtsverleihung eigenmächtig in einer selbstgefertigten Neufassung um Lüdinghausen erweitert.

Durch die Reichsmünzordnung 1566 und die anschließende Bildung von Probationstagen beim Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis, der gewissermaßen die Oberaufsicht über die Münzprägung der münzberechtigten Reichsstände ausübte, war die Münzprägung der Abtei abhängig von der Zustimmung anderer Staaten. Zwar wurden die Münzberechtigung und auch das vorgelegte Privileg von 974 nicht in Zweifel gezogen, wohl aber die Unterhaltung einer eigenen Münzstätte. Die große Zahl von Münzwerkstätten wurde als Quelle mancher monetären Krisen drastisch reduziert und diejenigen Mitgliedsstaaten, denen keine ›Kreismünzstätte‹ zugebilligt wurde, sollten fremde Münzstätten nutzen. So ließ Abt Heinrich Duden (1573-1601) außerhalb der Fürstabtei prägen. Hierbei ließ sich kein Gewinn erwirtschaften, so dass es ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Prestiges und der demonstrativen Wahrnehmung eines Rechts von Interesse war. Am Ende des 16. und im frühen 17. Jh. gelang es allerdings vielen weltlichen und geistlichen Territorien mit diplomatischen Anstrengungen dennoch in den Kreis der zugelassenen Prägestätten aufgenommen zu werden. Die Abtei Werden ging aber einen anderen Weg und erreichte 1614 vom Nachbarland Herzogtum Jülich-Berg, in dem nach Aussterben der Herzogsfamilie 1609 die Markgrafen von Brandenburg und der Kurfürst von Pfalz-Neuburg gemeinsam als ›Possedierende Fürsten‹ regierten, die Überlassung von deren Münzstätte in Mülheim, unmittelbar vor den Toren der Reichsstadt Köln. Der Standort war wichtig, weil sich von dort sowohl in Köln Silber beschaffen ließ als auch angesichts der sehr hohen wirtschaftlichen Bedeutung der Stadt am Rhein in deren Märkten die fertigen Münzen absetzen ließen. Die Münzprägung in Mülheim führte jedoch zu einem Crash, weil der sie organisierende Münzunternehmer Wintgens (oder Wijntgens) zur Erreichung besserer Gewinne mit seiner Familie die Geschäfte in mehreren Städten abwickelte und die Münzen kontinuierlich im Feingehalt verschlechterte. 1617 schließlich wurde der Münzmeister in Düsseldorf verhaftet und der Abt mit Vorwürfen konfrontiert. Dass er von den Aktivitäten nichts hätte mitbekommen können, ist kaum vorstellbar, gilt aber ebenso für die Verwaltung des Herzogtums Jülich-Berg.

Nach dem Fiasko 1617 machte die Abtei lange Zeit keinen Gebrauch von ihrem Münzrecht. Seit 1614 war Hugo Preutaeus Abt. Eröffnet worden war die Werdener Münzstätte in Mülheim noch unter seinem Vorgänger Konrad Kloedt. In der Phase 1614 bis 1617 waren laut Angaben der Münzgesellen bei den Untersuchungen gegen den Münzmeister auf Befehl des Abts im Oktober 1616 und im Frühjahr 1617 viele derartige vierkantige Abschläge hergestellt habe. Der Brauch solche Spezialabschläge mit den Stempeln kursfähiger Münzen herzustellen war um 1580 aufgekommen. Sie wogen mehr als die normalen Münzen und enthielten mehr Edelmetall, waren aber auch nicht für den Münzumlauf gedacht. Sie wurden vielmehr Personen geschenkweise ›verehrt‹, die man für wichtig hielt. Sie könnten dann entweder als Schaustück aufbewahrt oder mit einer Öse an einer der Spitzen als Schmuck getragen werden.

Hugo Preutaeus stammte wahrscheinlich aus einer Ratsfamilie in Essen. Die meisten frühneuzeitlichen Äbte in Werden waren Mitglieder reicherer Bürgerfamilien und nicht aus dem Adel. Wahrscheinlich war er 1602 als Novize in das Kloster eingetreten. Um 1607 wurde er zum Priester geweiht. 1610 war er Pastor der Clemenskirche in Werden. 1614 erfolgte die Abtswahl. Er machte also relativ schnell Karriere. Aber die Zeit war überaus schwierig. In der Stadt Werden konnte der Abt die dauerhafte Durchsetzung des evangelischen Glaubens nicht verhindern. Der 1618 beginnende Dreißigjährige Krieg erreichte auch die Gegend an der Ruhr. 1629 wurde Werden von niederländischen Soldaten besetzt, eine Plünderung nur durch Geldzahlung verhindert. Die Besatzer unterstützten die örtlichen Reformierten, die auch enge Beziehungen zur brandenburgischen Regierung in Emmerich hatten. Der Abt ließ die Schätze der Abtei wie auch deren Archiv in das Benediktinerkloster St. Pantaleon in Köln bringen, wo sie vergleichsweise sicher waren. Auch die meisten Konventsmitglieder flüchteten, teils nach Köln, teils nach Düsseldorf, wo der Abt ein Haus anmietete und sich häufig aufhielt. 1632 wurde Werden von schwedischem Militär überfallen und ausgeplündert. 1633 wurden die Niederländer als Besatzer von den Hessen abgelöst, die ebenfalls die Reformierten gegen die Katholiken und Lutheraner unterstützten. 1636 jedoch konnten kaiserliche Truppen sich in Besitz von Werden setzen. Unter Datum des 1.12.1636 wurde ein kaiserliches Mandat ausgestellt, das die brandenburgischen Gelüste auf Werden bremste. Die abteiliche Landeshoheit wurde wiedererrichtet.

In dieser Situation entstand eine große silberne Münze. Sie entsprach in ihrem Gewicht den Reichstalern der Reichsmünzordnung, zielte aber kaum darauf, in den Geldumlauf zu gelangen. Dass ein Exemplar davon sich heute im auf die kaiserlich-habsburgische Sammlung zurückgehenden Münzkabinett in Wien befindet, dürfte kein Zufall sein. Der Brauch, wichtigen Entscheidungsträgern, repräsentative Münzgeschenke zu machen, war von Abt Hugo ja schon 1616/1617 bedient worden. Andere Staaten ließen in den 30er-Jahren unter Aufbringung aller Silberreserven Taler prägen, obwohl die Kosten dafür den Nennwert überstiegen. Der kriegsnotwendige Aufbau von Militäreinheiten machte dies notwendig. Das dürfte aber in dem Kleinstaat Werden kaum der Grund gewesen sein. Mit rund 47 mm Durchmesser war die neue Prägung im Durchmesser größer als die im Umlauf befindlichen Taler. Auch war der gestalterische Aufwand höher als bei Kursmünzen. Der äußere Rand der Prägestempel war beidseitig dekorativ mit Riffeln eingefasst. Die Hauptseite zeigt das Konterfei des Fürstabts in Seitenansicht nach rechts. Unten ist das Landeswappen der Fürstabtei, zwei überkreuzte Krummstäbe, die auf ein Kreuz aufgelegt waren, zu sehen. Zwischen dem äußeren Zierrand und einem inneren Kerbkreis ist mit gleichmäßig verteilten Buchstaben, die mit Punzen in das Eisen des Stempels eingesenkt wurden, zu lesen: ֎HVGO D(ei) G(ratia) WERDINENSI – VM ET HELMONST(edensium) ABBAS (»Hugo, von Gottes Gnaden, Abt der Werdener und Helmstedter«). Die Abtei Helmstedt im Harzvorland war eine Gründung von Werden gewesen und der Werden Abt auch das Oberhaupt des dortigen Konvents. Verfassungsrechtlich waren beide Abteien in Personalunion verbunden, aber eigenständige Einheiten. Abt zweier Abteien zu sein, erhöhte aber das Ansehen. Faktisch war Helmstedt schon am Ende des 15. Jhs. mit Ausnahme der Gebäude an die Herzöge von Braunschweig verpfändet. Die Rückseite zeigt den doppelköpfigen Reichsadler mit aufgelegtem Reichsapfel und darüber befindlicher Krone. Die Umschrift FERDINANDVS II D(ei) G(ratia) ROM(anorum) IMP(erator) SEMPER AVGVSTVS. Die Darstellung des Reichsadlers und die Nennung des Kaisers war 1636 bei landesfürstlichen Münzen nicht mehr üblich und wurde nur von Reichsstädten wie Frankfurt und Nürnberg praktiziert. Wenn sie hier praktiziert wurden, dann war der kaiserliche Hof der Adressat. Außerdem wurde damit der Status einer Reichsabtei zum Ausdruck gebracht.

Alle bekannten Exemplare stammen aus demselben Stempelpaar. Die Prägemenge dürfte dementsprechend nicht sehr groß gewesen sein. Entgegen den Vorschriften der Reichsmünzordnung ist auf dem Taler kein Zeichen eines Verantwortung tragenden Münzmeisters angegeben. Dennoch lässt sich mit großer Wahrscheinlichkeit der Urheber benennen. Wie schon erwähnt, hielt sich Hugo Preutaeus einen Großteil der Zeit in Düsseldorf auf. In Frage kommt der 1636 in Düsseldorf vom Herzogtum Jülich-Berg neu angestellte Münzmeister Simon Huber, der von Haus aus Goldschmied war. Goldschmiedeobjekte sind allerdings von ihm nicht erhalten. Bis 1665 bekleidete er das Amt. Er wird auch als »Conterfaitter« bezeichnet, stellte also offensichtlich Bildnisse her und schnitt Münzstempel, was aber vom Westfälisch-Niederländischen Kreis nicht gestattet wurde, da das Monopol beim Kreiseisenschneider liegen sollte. Würden Münzmeister sich ihre Stempel selber schneiden, hätte der Kreis keine Kontrolle mehr, was in den Münzstätten im Kreis entstand.

(Peter Ilisch)

 

Literatur

  • H. Spaeth, Das Münzwesen der Reichsabtei Werden unter Abt Hugo Preutaeus. Beiträge zur Geschichte von Stift und Stadt Essen 70, 1955, S. 119-132
  • W. Stüwer, Die Reichsabtei Werden a. d. Ruhr, Germania Sacra N.F. 12. Die Bistümer der Kirchenprovinz Köln, Das Erzbistum Köln 3 (Berlin – New York 1980)