Januar 2022
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Münze des Monats

© Fitzwilliam Museum, Cambridge (Foto: Amy Jugg)

Kaiser und Papst – ein starkes Duo

Ostfränkisch-deutsches Reich, Kaiser Otto I. der Große (936/962–973) mit Papst Johannes XII. (955–963), Pfennig (962/963?), Rom

Silber, geprägt; Gew. 1,51 g, Dm. 18 mm

Fitzwilliam Museum, Cambridge, Inv.-Nr. CM.PG.8805-2006

Gut anderthalb Jahrhunderte nach der Erneuerung des abendländischen Kaisertums durch Karl I. den Großen (768–814) am Weihnachtstag des Jahres 800 wurde dieses noch einmal erneuert. Am 2. Februar 962 ließ sich der ostfränkisch-deutsche König Otto I. der Große (936–973) mit seiner Frau Adelheid († 999) in St. Peter zu Rom von Papst Johannes XII. (955–963) zum Kaiser erheben. Mehr noch als der Franke Karl begründete der Sachse Otto damit eine Tradition, sollte dieses Kaisertum von nun an doch bis 1806 mit dem (römisch-)deutschen Königtum untrennbar verbunden bleiben.

Das westliche Kaisertum war mit dem Zerfall des karolingischen Reiches im späteren 9. Jahrhundert nurmehr zu einer Zutat des italienischen Königtums geworden; 924 erlosch es. Otto I., aus dem Geschlecht der Liudolfinger, das seit Heinrich I. (919–936) den ostfränkischen König stellte, hatte bereits mit der Königswahl und -krönung 936 in Aachen die fränkisch-karolingische Tradition aktiviert. Und ganz wie Karl der Große besaß er nach der inneren Stabilisierung des Reiches und dessen Verteidigung gegen Ungarn und Slawen – 955 in den Schlachten auf dem Lechfeld und an der Recknitz – eine vorherrschende, quasi-kaiserliche Machtstellung in Mitteleuropa. Seit 951 war er zudem König der Langobarden: An Otto führte wie damals bei Karl hinsichtlich der Kaiserkrönung also kein Weg vorbei. Das 962 dadurch ebenfalls erneuerte „Zweikaiserproblem“ konnte 972 durch die Heirat von Ottos Sohn und Nachfolger Otto II. mit Theophanu († 991), der Nichte des basileus in Byzanz, gelöst werden.

Im Münzbild hat das neue Kaisertum des 10. Jahrhunderts allerdings längst nicht so imposante Spuren hinterlassen wie das der Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert. Zwar brachte Otto I. im Gegensatz zu Karl dem Großen auf den normalen Münzen seine Rangerhöhung meist zum Ausdruck, regelrechte Sonderprägungen wie die antikisierenden Bildnispfennige Karls gibt es von Otto aber nicht: Die wenigen Münzen, die sein Bild tragen, sind keine eigentlichen Bildnismünzen, sondern nurmehr Chiffren. Kaiserpropaganda machte, die Idee seines Kaisertums transportierte Otto über die Münzen nicht.

Gleichwohl gibt es Münzen Ottos I., die für ein ganz wesentliches Element des westlichen Kaisertums stehen: Gemeinschaftsprägungen mit dem Papst, „seinem“ Papst Johannes XII. Einer von mehreren Typen zeigt auf der Vorderseite einen barhäuptigen, schnurrbärtigen Kopf von vorn, dazu die Umschrift „+ OTTO IMPERATO[r]“, „Kaiser Otto“, auf der Rückseite das Monogramm „P-A-P-A“, „Papst“, dazu die Umschrift „+ DOM[inus] IO[h]AN[n]ES“, „Herr Johannes“. So unscheinbar, schematisch und auch künstlerisch anspruchslos diese Münze ist, so zentral ist ihre propagandistische Aussagekraft: Kaisertum und Papsttum sind aufs Engste miteinander verbunden, wie die zwei Seiten einer Münze.

Schon Karl der Große war vom Papst gekrönt worden, und ohne die Franken hätte das Papsttum, geistlich Nachfolger des Apostelfürsten Petrus, weltlich keine Chance gehabt. Die sogenannte Pippinische Schenkung von 756, mit der Karls Vater, Pippin III. der Jüngere (751–768), von den Langobarden zurückeroberte Gebiete an den Papst übertrug, markiert die Entstehung des Kirchenstaats. Ausgehend von Rom, wurde der Papst im 8. und 9. Jahrhundert unter fränkischem Schutz so zum wichtigsten Machtfaktor in Mittelitalien. 960 dann rief der Papst den Ostfranken Otto I. gegen den italienischen König Berengar II. (950–961) zu Hilfe. Als Gegenleistung für die Kaiserkrönung garantierte Otto dem Papst all dessen Besitz; der Kirchenstaat existierte bis 1870, Rechtsnachfolger ist der Vatikan.

Gemeinschaftsmünzen von Kaiser und Papst gab es bereits von Karl dem Großen und „seinem“ Papst Leo III. (795–816). Davor, seit Beginn der päpstlichen Münzprägung Anfang des zweiten Drittels des 8. Jahrhunderts, hatte es sich um solche mit den Kaisern in Byzanz gehandelt. 781 aber erkannte Papst Hadrian I. (772–795) die byzantinische Oberhoheit in Rom nicht mehr an: Er und Papst Leo III. prägten autonom, Ausdruck auch der Souveränität des Kirchenstaats. Gemeinschaftsemissionen von Kaiser und Papst, Silberpfennige im fränkischen System, liegen dann von fast allen Päpsten des 9. und 10. Jahrhunderts vor, eigenständige päpstliche Münzen jedoch nur, wenn es gerade keinen Kaiser gab.

Die Regierungszeit Ottos I. hat das Werden Europas im früheren Mittelalter in vielerlei Hinsicht nachhaltig beeinflusst. In langem Kampf setzte er seinen Herrschaftsanspruch und die Unteilbarkeit des Reiches durch; er schuf so gleichsam erst das ostfränkisch-deutsche Reich, das für den Kontinent im nächsten Jahrtausend bestimmend werden sollte. Der Verteidigung des Reiches nach außen entsprach dessen Erweiterung nach Osten durch Kolonisierung und Missionierung der Slawen. Nachwirkung war im weiteren 10. Jahrhundert auch und gerade die Münzprägung: Ausweitung des Münzstättennetzes bis zur Elbe, Beginn einer eigenen Münzprägung in den Reichen im Norden und Osten Europas. Ottos geschichtliche Leistung aber war die Erneuerung des Kaisertums; im 12. Jahrhundert wurde er deshalb – im Gegensatz zu Karl dem Großen also erst posthum – „der Große“ genannt.

Die beiden nachfolgenden Ottos, Otto II. (973–983), schon Weihnachten 967 von Papst Johannes XIII. (965–972) zum Mitkaiser gemacht, und Otto III. (983–1002), rückten Italien noch stärker ins Zentrum ihrer Aktivitäten. Otto III., wie sein Vater und Großvater in Aachen zum König gekrönt, entwickelte für sein Kaisertum eine neue – so nie realisierte – ideologische Grundlegung: renovatio imperii Romanorum, „Wiederherstellung des Reiches der Römer“. Rom, „Hauptstadt der Welt“, caput mundi, sollte Sitz des Papstes wie des Kaisers sein, Kaiser und Papst sollten in allen Belangen des Reiches wie der Christenheit, des imperium Christianum, einträchtig zusammenarbeiten. Der Kaiser beanspruchte freilich eine klare Vorrangstellung: Er setzte auch Päpste ein und ab – am 21. Mai 996 krönte Otto „sein“ Gregor V. (996–999) zum Kaiser. Gemeinschaftsmünzen gibt es mit Otto III. allerdings nicht, ja nach Benedikt VII. (974–983) bis Bonifaz VIII. (1294–1303) gibt es gar keine päpstlichen Münzen mehr.

Der westliche Kaiser nannte sich ab dem frühen 11. Jahrhundert Romanorum imperator augustus, „erhabener Kaiser der Römer“. Das Reich aus Deutschland, das erstmals im 11. Jahrhundert so hieß, Italien und seit 1033 auch Burgund wurde jetzt das römisch-deutsche Reich, seit der Mitte des 13. Jahrhunderts das „Heilige Römische Reich“ (Sacrum Romanum Imperium), ab der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert mit dem Zusatz Nationis Germaniae („Deutscher Nation“). Die Krönung durch den Papst blieb dabei lange konstitutiv; erst im Spätmittelalter lockerte sich die Bindung, zuletzt wurde 1530 mit Karl V. (1519–1556) ein römischdeutscher König von einem Papst mit diesem längst selbstverständlich gewordenen Titel versehen.

(Stefan Kötz)

 

Literatur

  • Grierson, Philip / Blackburn, Mark: Medieval European Coinage, Bd. 1: The Early Middle Ages (5th–10th Centuries), Cambridge 1986, S. 259–266, Nr. 1078
  • Serafini, Camillo: Le Monete e le Bolle Plumbee Pontificie del Medagliere Vaticano, Bd. 1, Mailand 1910, S. 1–23, Nachtrag Bd. 4, Mailand 1928, S. 1–13
  • Stumpf, Gert: Nachfolger Petri. Römische Päpste im Spiegel von Münzen, Medaillen und Siegeln, München 2003, S. 15ff.
  • Hehl, Ernst-Dieter: Kaisertum, Rom und Papstbezug im Zeitalter Ottos I., in: Schneidmüller, Bernd / Weinfurter, Stefan (Hrsg.): Ottonische Neuanfänge, Mainz 2001, S. 213–235
  • Kötz, Stefan: Otto der Große und die Wiederbelebung des abendländischen Kaisertums. Kaiser und Papst – ein starkes Duo, in: Haymann, Florian / Kötz, Stefan / Müseler, Wilhelm (Hrsg.): Runde Geschichte. Europa in 99 Münz-Episoden, Oppenheim am Rhein 2020, S. 138–141 [Wiederabdruck]