Angewandtes Islamisches Recht - Scharia und Gesellschaft
V. Symposium des Deutschen Forums für Islamisches Recht / des ArbeitskreisesIslamisches Recht der Islamischen Theologie Deutschlands und des Graduiertenkollegs Islamische Theologie
22.-23. September 2017
Nationalstaatliche Charakteristika wie etwa gesetzliche Kodifizierung, Zwangsapparate, Zentralisierungs- und Homogenisierungstendenzen oder Regulierungsdrang sind keine typischen Elemente der islamischen Rechtstradition, ja stehen gar im Spannungsverhältnis zum Geist der Scharia. Die islamische Rechtstradition ist vielmehr gekennzeichnet durch eine breite Selbstverwaltung sowie Rechtspluralität. Beispielsweise existieren so viele normative Verständnisse der Scharia, wie es Rechtslehren (fiqh) von bedeutenden Juristen gibt. Sollte sich ein Nationalstaat dafür entscheiden, bloß bestimmte Islamrechtsverständnisse (fiqh) (unter vielen anderen, die ebenso berechtigt existieren) gesetzlich zu kodifizieren, so müsste man von einem objektiven nationalstaatlichen Zwangsrecht, nicht jedoch von dem fiqh im scharia-rechtlichen Sinne sprechen. Bezeichnenderweise wird das objektive Recht islamisch geprägter Nationalstaaten nicht fiqh, sondern qānūn genannt. Die scharia-basierte Rechtsanwendung in der Vormoderne gehört zu den wissenschaftlich stark vernachlässigten Forschungsfeldern, die jedoch für gegenwärtige nationalstaatliche Herausforderungen im Umgang mit der Scharia von elementarer Bedeutung sind.
Kontakt: abdelsalam@uni-muenster.de