Grußwort
Liebe Leserinnen, liebe Leser!
In den Jahren 1905 und 1906 reiste eine chinesische Studienkommission um die Welt. Ihr Auftrag: Kenntnisse über die Regierungs- und Rechtssysteme des Westens zu sammeln, um das marode Kaiserreich politisch zu reformieren. „Wahrscheinlich handelte es sich um das größte rechtsvergleichende Projekt, das in so kurzer Zeit jemals durchgeführt wurde“, resümierte Dr. Oliver Simon von der Universität Duisburg-Essen in seinem Vortrag zu Geschichte und Bedeutung dieses Unterfangens auf der 25. Jahrestagung der Deutschen Vereinigung für Chinastudien vom 7. bis 9. November 2014 an der WWU.
Eines der Reiseziele der chinesischen Delegierten war Münster, sicherlich nicht, um der Münsteraner Sinologie einen Besuch abzustatten, denn die gab es damals noch nicht, sondern eher wegen des Westfälischen Friedens.
Inzwischen ist das Institut für Sinologie und Ostasienkunde zu einer ersten Adresse nicht nur der deutschen, sondern auch der internationalen Sinologie geworden. Das zeigte schon der 32. und bislang größte Deutsche Orientalistentag im September 2013, und das bestätigte einmal mehr die gerade abgehaltene DVCS-Tagung mit einer Fülle von anregenden und spannenden Vorträgen. Der schöne Erfolg ist nicht zuletzt das Verdienst des Organisationsteams und der vielen engagierten und hochmotivierten Studentinnen und Studenten an unserem Institut. Sie haben tatkräftig mitgeholfen und vor allem: begeistert mitgehört und diskutiert. Ihnen allen ein ganz herzliches Dankeschön!
Ihr Christian Schwermann
Vom 7. bis zum 9. November hat im Institut für Sinologie und Ostasienkunde Münster die XXV. Jahrestagung der Deutschen Vereinigung für Chinastudien 德國漢學協會 stattgefunden. In diesem Jahr wurde das Themenfeld „Recht und Gerechtigkeit“ in den Mittelpunkt gerückt.
Es war ein ereignisreiches Wochenende: In Berlin zelebrierten Hunderttausende Menschen den fünfundzwanzigsten Jahrestag des Mauerfalls. Und während die Lokführer-Gewerkschaft GDL streikte, fanden sich im Institut China-Wissenschaftler aus ganz Deutschland, aber auch aus dem Ausland zusammen, um aktuelle Forschungsarbeiten vorzustellen, sich zu vernetzen und sich der sinologischen Forschungsvielfalt zu widmen.
Leider blieb der Bahnstreik nicht ohne Folgen für die Tagung. So konnte Institutsdirektor Professor Emmerich, zurzeit Gastprofessor an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, nicht mehr anreisen. Die Tagung begann am Freitagabend in feierlicher Atmosphäre in der Aula des Münsteraner Schlosses. Nach einer Begrüßung durch den stellvertretenden Institutsdirektor Christian Schwermann, die Prorektorin Cornelia Denz und das DVCS-Vorstandsmitglied Maria Khayutina betrachteten die ersten Vorträge das China der Vormoderne. Christian Schwermann warf hier beispielsweise die Frage auf, inwiefern es ökonomische Gerechtigkeit im antiken China gegeben hat.
Der anschließende Festvortrag von Harro von Senger, Jurist und Sinologe aus dem schweizerischen Lausanne, widmete sich dem chinesischen Begriff „Moulüe“ 謀略 – zu Deutsch nach Senger „Supraplanung“. Senger zeigte auf, wie sich Taktiken der Kriegslist im alten China bis heute auf Chinas Verhalten u.a. in der Politik auswirken.
Natürlich fehlten auch Vorträge zur tangzeitlichen Forschung nicht. Dieser Bereich stellt einen Schwerpunkt am Münsteraner Sinologie-Institut dar. Kerstin Storm betrachtete etwa Rangkonflikte im Spiegel tangzeitlicher „Entscheidungen“. In einem weiteren Beitrag stellte Jonas Polfuß dann seine Erkenntnisse über die Bedeutung der äußeren Erscheinung im damaligen Empfehlungssystem vor. Darüber hinaus setzten sich die Teilnehmenden auch mit dem modernen China auseinander. Jesús Pérez García der spanischen Universität Valladolid analysierte die deutsch-chinesisch-japanischen Beziehungen. Einen kritischen Blick auf das chinesische Hochschulprüfungssystem – auf Chinesisch kurz Gaokao 高考 – warf zudem Liu Huiru von der Universität Trier.
Neben historischen und politischen Annäherungen an den Gegenstand China fehlten auch die Bereiche Kunst und Literatur nicht. Obwohl Lena Henningsen am Samstagmorgen wegen des Streiks nicht physisch anwesend sein konnte, erreichte ihr Vortrag dank den Möglichkeiten der Videotelefonie trotzdem das Publikum. Sie zeigte auf, wie die illegale Untergrundpoesie der Kulturrevolution die spätere chinesische Literatur beeinflusst hat.
Eindrucksvolle Spuren hinterließ auch das Video der Shanghaier-Künstlerin Lu Yang 陸揚, das Tania Becker in ihrem Vortrag thematisierte. Protagonist des Videos ist „Uterus Man“ – ein computeranimiertes Konstrukt, das weder Mensch noch Maschine, weder Mann noch Frau sein soll. Fachübergreifende Anregungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs wie auch für etablierte Wissenschaftler gab die Referentin Claudia Althaus von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Sie bot einen hilfreichen und aktuellen Überblick der Möglichkeiten zur DFG-Förderung von Forschungsvorhaben. Matthias Kaun von der Staatsbibliothek zu Berlin informierte über die jüngsten Entwicklungen der virtuellen Fachbibliothek CrossAsia.
Insgesamt ermöglichte die Tagung einen gelungenen Austausch in vielen Forschungsbereichen der Sinologie. Trotz des Bahnstreiks nahmen letztlich mehr als fünfzig Besucher an der diesjährigen DVCS Tagung teil. Auch von Studierenden der WWU Münster und darüber hinaus wurde die Veranstaltung rege besucht. Die nächste Jahrestagung wird 2015 voraussichtlich in Bochum stattfinden.
Die deutsche Vereinigung für Chinastudien e.V. (DVSC) 德國漢學協會 hat ihren Sitz in Berlin. Dass das Jubiläum des Mauerfalls und die XXV. Jahrestagung der DVCS zur selben Zeit stattfinden, ist kein Zufall. Die Vereinigung hat sich nach dem Zusammenbruch der innerdeutschen Grenze gegründet, um den wissenschaftlichen Austausch von Sinologen in ganz Deutschland zu fördern. Die DVCS soll eine Plattform für Fachdiskussionen sowie ein organisatorisches Dach für Forschungsprojekte bilden und publiziert wissenschaftliche Arbeiten. Die jährlich stattfindenden Tagungen richten sich an die Mitglieder und an alle, die sich für den Forschungsgegenstand China interessieren. Mehr Informationen befinden sich unter: http://www.ruhr-uni-bochum.de/oaw/dvcs/.
Isea Cieply
Praktikumsbericht: Chinesische Redaktionsluft schnuppern
Mein erstes Mal China. Mein zweites Mal Praktikum bei einer Zeitung. Man könnte meinen, ich hätte schon ein wenig Erfahrung im journalistischen Bereich gesammelt, aber mein Praktikum bei der Pekinger Rundschau in diesem Sommer hat sich doch sehr von meinen bisherigen Erfahrungen abgesetzt. Beginnen wir am Anfang. Vor ungefähr anderthalb Jahren habe ich beschlossen: Ich muss endlich nach China. Nach einem Jahr intensiver Beschäftigung mit diesem Land wollte ich es mit eigenen Augen sehen. Um meinem Berufsziel näherzukommen, hat es sich angeboten, mein Praktikum im Bereich Journalismus zu machen. Über Kontakte des Instituts bin ich zur Pekinger Rundschau gekommen, einer staatlich finanzierten Zeitung, die ihren Sitz inmitten Pekings hat. Nach langwierigem Emailverkehr und so einigen Schwierigkeiten mit dem Visum war es endlich so weit. Ich durfte für zwei Monate bei der Zeitung arbeiten. In China angekommen, war ich erstaunt von all den Dingen, die man nicht in Büchern lesen kann, von dem „chinesischen Alltag“ – den es natürlich in dieser pauschalisierten Form nicht gibt. Besonders gefallen haben mir der Lärm, das Bunte, die Hitze und das Essen. Eine chinesische Freundin nahm mich großzügigerweise bei sich auf. Ihre dolmetscherische Unterstützung hat mir meinen Aufenthalt in Peking sehr erleichtert.
Die Pekinger Rundschau war ein dankbarer Arbeitgeber. Mit Sechs-Stunden-Tagen und einer zweistündigen Mittagspause hatte ich sehr bequeme Arbeitszeiten. Ich durfte Artikel selbstständig verfassen und Themen vorschlagen. Hauptsächlich habe ich mich damit befasst, englische Texte chinesischer Autoren ins Deutsche zu übersetzen, was mich angesichts des chinesischen Schreibstils immer wieder herausgefordert hat.
Chinesischer Journalismus, wie ich ihn in dieser Zeitung kennengelernt habe, unterscheidet sich von deutschen Praktiken. Der auffälligste Unterschied war der politische Lektor, der zweimal die Woche in unsere Redaktion gekommen ist, um unsere Texte auf politische Korrektheit zu überprüfen. Das Arbeitstempo in der deutschen Abteilung habe ich als recht gemütlich empfunden. Ich bin froh, dieses Praktikum gemacht zu haben. Meine Artikel wurden mit Interesse aufgenommen und selbst die Unterschiede in der journalistischen Arbeitsweise haben mir eine differenziertere Perspektive auf chinesischen Journalismus gegeben. Ich hatte viel Freiraum und -zeit, Peking zu erkunden und in chinesischer Kultur zu baden. Eine Erfahrung, die ich nicht missen wollen würde.
Nina Romming
Westfälisches Willkommen? Über das Auslandsstudium in Münster
Rund 600 Chinesen und Taiwanesen leben in Münster. Viele davon studieren an Münsters Hochschulen. Sie alle haben einige Hindernisse zu überwinden, auch abseits der üblichen Sprachprobleme. Was halten Festlandchinesen und Taiwanesen von der Willkommenskultur in Münster? Fühlen Sie sich wohl in der westfälischen Metropole? Ein Gespräch mit Yi-Wen Chiu, 21, aus Taoyuan (Taiwan) und Yantong Liu, 24, aus Chifeng (Innere Mongolei) über lästige Beamte und die Vorzüge Münsters.
Wie gefällt euch die Stadt Münster?
Yi-Wen: Münster ist sehr schön, so alt und vor allem so sauber. Ich kann hier auch sehr gut Deutsch lernen, denn es gibt sehr wenige Ausländer hier. Als ich vor einigen Wochen in Berlin war, haben mich alle auf Englisch angesprochen – so lerne ich doch kein Deutsch!
Yantong: Ich mag Münster auch. Die Stadt ist so schön klein, ganz anders als meine Heimatstadt. Ich glaube, ich habe mich, seitdem ich hier bin, noch kein einziges Mal verlaufen. Was mir noch aufgefallen ist: Die Busfahrer in Münster sind sehr gewissenhaft, fahren immer genau nach den Regeln. In Chifeng bremsen die Busse oft so stark, dass alle Passagiere umfallen.
Habt ihr viel Kontakt mit Deutschen, insbesondere mit deutschen Studenten?
Yi-Wen: Es geht, ich habe ungefähr sieben bis acht deutsche Freunde, aber ich lebe hier auch schon seit zwei Jahren. Ich finde es schwer, mit Deutschen in Kontakt zu kommen. Sie beschäftigen sich viel mit ihren eigenen Sachen, unternehmen generell wenig mit Freunden. In Taiwan unternehmen junge Menschen viel öfter etwas miteinander.
Yantong: Ich bin jetzt seit vier Monaten in Deutschland. Ich finde es eigentlich ganz leicht, mit Deutschen in Kontakt zu kommen, daher habe ich bestimmt schon eine Hand voll guter Freunde.
Was genau verhindert einen intensiveren Austausch Eurer Meinung nach?
Yantong: Wichtig ist natürlich zuallererst die Sprache. Wer nicht gut Deutsch spricht, hat schlechte Karten, in Münster Freunde zu finden. Aber natürlich muss man als Ausländer auch offen sein. Es gibt viele Chinesen hier, die sehr schüchtern sind. Oft schon haben mich Chinesen, die ich aus meinem Sprachkurs kenne, nicht gegrüßt, als ich sie zufällig getroffen habe.
Yi-Wen: Deutsche sind sehr distanziert, nicht offen gegenüber Neuen. Allerdings sind viele Deutsche, wenn man sich mit ihnen angefreundet hat, sehr loyal und treuherzig. Das sind dann wirklich echte Freunde.
Yantong: Die Deutschen sind sehr hartnäckig, streng und sachorientiert. Besonders diese Beamten in Münster: Einmal wollten sie ein bestimmtes Papier von mir. Ich habe es ihnen dreimal vorgelegt, aber immer hatten sie etwas zu beanstanden. Das hat mich wütend gemacht. Ich hatte das Gefühl, schikaniert zu werden.
Yi-Wen: Ehrlich gesagt, bereute ich es am Anfang, hierhergekommen zu sein – mittlerweile geht es aber besser. Ich glaube, die deutsche Kultur und Sprache sind nichts für mich. Viele meiner Freunde studieren in Großbritannien und den USA. Ich muss sagen, dass ich sie ein wenig beneide. Einer Freundin würde ich schon einige Ratschläge geben. Aber am Ende sind wir alle unterschiedlich – vielleicht würde es ihr hier gefallen!
Yantong: In Münster zu studieren ist eine tolle Erfahrung. Ich würde es jedem empfehlen. Das Beste ist, dass hier alles so günstig ist. Sowohl Essen als auch Wohnen sind viel günstiger als etwa in Großbritannien. Und vor allem kostet das Studium hier nichts. In China bezahlt man ein kleines Vermögen.
Zu den Personen:
Yi-Wen Chiu, 21 aus Taoyuan (Taiwan): Sie lebt seit zwei Jahren in Münster. In Taiwan hat sie bereits einen Bachelor in Germanistik abgeschlossen. Sie belegt derzeit einen Sprachkurs bei der Hüffer-Stiftung und plant 2015 Wirtschaft und Recht an der WWU zu studieren.
Yantong Liu, 24 aus Chifeng (Innere Mongolei): Er lebt seit vier Monaten in Münster. Wie Yi-Wen graduierte er in Germanistik und belegt derzeit einen Sprachkurs bei der Hüffer-Stiftung. Nächstes Jahr möchte er BWL an der Fachhochschule Münster studieren.
Jendrik Niebuhr
Begrüßungsinterview mit Christian Schwermann
Da sich unser geschätzter Institutsleiter Reinhard Emmerich momentan auf einem Forschungssemester an der Friedrich-Alexander Universität in Nürnberg-Erlangen befindet, war zu Beginn dieses Wintersemesters würdiger Ersatz gefragt. Dieser fand sich in der Person des Christian Schwermann von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Als Teil des Begrüßungsmarathons durfte ein Interview mit unserem Newsletter-Team natürlich nicht fehlen.
Herr Schwermann, Sie waren bereits vom WS 2006/07 bis zum WS 2007/08 an unserem Institut tätig, in diesem Sinne willkommen zurück. Haben Sie sich denn gut wieder in Münster eingefunden?
Ich fühle mich hier sehr wohl. Schon aufgrund des Umfelds: die hervorragende Bibliothek, die guten Bedingungen, um Klassisches Chinesisch und alte chinesische Geschichte zu lehren und zu erforschen. Zudem habe ich das Gefühl, dass ein gutes Klima zwischen den Dozierenden und Studierenden herrscht und diese sehr motiviert sind. Wegen der Ausrichtung auf Klassische Sinologie am Münsteraner Institut fühle ich mich hier auch inhaltlich gut aufgehoben. Und da ich aus dem nahen Laer stamme, ist meine Rückkehr nach Münster auch eine Rückkehr in meine Heimat.
Es ist einiges passiert, seitdem Sie zum ersten Mal hier waren: Sie sind inzwischen habilitiert und haben eine Dauerstelle an der Universität Bonn. Inwiefern unterscheidet sich Ihre jetzige Funktion an unserem Institut von Ihrer Funktion als Lehrbeauftragter an diesem Ort in den Jahren 2006 und 2007?
Im Gegensatz zu meinen ersten beiden Semestern an diesem Institut habe ich zurzeit eine offizielle Vertretungsprofessur, wohingegen ich zuvor lediglich vertretungsweise Unterricht abgehalten habe. So habe ich nun erstmals die Aufgabe, ein Institut zu leiten – eine neue und spannende Erfahrung.
Sie scheint seit Ihrem ersten Jahr an der WWU viel mit Münster zu verbinden. Schließlich haben Sie hier im Jahr 2014 Ihre Habilitation abgeschlossen und die venia legendi in Sinologie erlangt, während Ihre vorige akademische Ausbildung vor allem in Bonn stattgefunden hat.
Meine Habilitation in Münster war vor allem das Ergebnis meiner engen Zusammenarbeit mit Herrn Prof. Dr. Emmerich. Wir hatten uns schon 2001/2002 im Rahmen meiner Promotion kennengelernt. Ich war damals des Öfteren in Münster, da Herr Prof. Dr. Ulrich Unger (der Vorgänger von Professor Emmerich, Anm. d. Red.) eine Autorität auf meinem Themengebiet war. Auch Herrn Prof. Emmerich und mich verbanden gemeinsame Forschungsinteressen. Er hat sich sehr für meine Studien zur altchinesischen Literatur interessiert und bot mir an, meine Habilitation in Münster zu betreuen. Ich bin ihm sehr dankbar dafür, auch weil ich damit die höchste akademische Weihe in meiner alten Heimat erlangt habe, mit der mich nach wie vor sehr viel verbindet.
In Ihrer Dissertation haben Sie sich mit dem Begriff der „Dummheit“ in altchinesischen Texten befasst.* Neben den von Ihnen studierten Fächern** scheinen Sie außerdem noch Historische Anthropologie, Mentalitätsgeschichte und Philosophie zu interessieren. Steckt in jedem Akademiker ein kleiner Universalgelehrter?
Ja, zumindest in mir (lacht). Deswegen habe ich Sinologie studiert. Das ist eben der Vorzug unseres Faches: die Sinologie ist Kulturwissenschaft im weitesten Sinne und deshalb per Definition nicht auf einen kleinen Ausschnitt des geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Methodenkanons beschränkt. Als Sinologe ist man zugleich als Philologe, Literaturwissenschaftler und Historiker gefordert. So konnte ich meine relativ breit gestreuten Interessen am besten ausleben. Hinzu kommt, dass unser Fach weit davon entfernt ist, ausgeforscht zu sein. Im Gegenteil, wir haben gerade erst angefangen. Denken Sie nur an die gewaltigen, zu einem großen Teil noch kaum erschlossenen Quellenbestände, die von den Orakelknocheninschriften des späten zweiten Jahrtausends v.Chr. bis hin zu Reformvorschlägen von Beamten der späten Kaiserzeit Ende des 19. Jahrhunderts reichen. Und es kommen immer noch neue Inschriften und Manuskripte aus Grabfunden hinzu. Zudem fasziniert mich die Kulturkomparatistik. Das hat mich immer schon interessiert: über den Tellerrand zu schauen. Und deswegen ist die Sinologie auch das schönste und spannendste Studienfach, das ich mir vorstellen kann.
Inwiefern ist dieses kulturkomparatistische Motiv auch Teil einer Selbstreflexion?
Je länger ich mich mit anderen Kulturen beschäftigt habe, desto mehr hat sich meine eigene kulturelle Prägung relativiert. Die Beschäftigung mit der antiken chinesischen Philosophie und dem Buddhismus hat mir im Studium neue Horizonte eröffnet. Und gerade wenn wir nach China reisen, wird uns doch klar, dass menschliche Gesellschaften auch ganz anders funktionieren können, und das auch heute noch. Da habe ich zum Beispiel als junger Mann ein feineres Gespür für die Bedürfnisse anderer entwickelt und auch gelernt, dass man nicht immer mit der Tür ins Haus fallen muss, um seine eigenen Meinungen und Wünsche zu artikulieren. Am Ende bin ich freilich immer zu meinen Wurzeln zurückgekehrt, die sich allerdings mit jeder Rückkehr wieder ein wenig anders angefühlt haben.
Herr Schwermann, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Anmerkungen der Redaktion:
* Christian Schwermann, „Dummheit in altchinesischen Texten: Eine Begriffsgeschichte“. Veröffentlichungen des Ostasien-Instituts der Ruhr-Universität Bochum 62. Wiesbaden: Harrassowitz, 2011.
** Herr PD Dr. Schwermann hat 2005 in Sinologie (Hauptfach), Englischer Philologie und Alter Geschichte (Nebenfächer) an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn promoviert.
Jan Kubandt
Praktikumsbericht: Im Auslandsbüro der Konrаd-Аdеnаuеr-Stіftung in Peking
Dа іch polіtіsch sеhr іntеrеssіеrt bіn, hаbе іch еіn Prаktіkum іm Аuslаndsbüro dеr Konrаd-Аdеnаuеr-Stіftung іn Pеkіng аbsolvіеrt. Dаbеі hаbе іch dіе іm Studіum gеwonnеn (Sprаch-)Kеnntnіssе аnwеndеn könnеn. Bеіspіеlswеіsе hаbе іch täglіch еnglіsch- und chіnеsіschsprаchіgе Mеdіеn (Zеіtung und Іntеrnеt) аusgеwеrtеt. Аuch hаbе іch bеі dеr Vorbеrеіtung und dеm Vеrfаssеn von Аufsätzеn und Аrtіkеln für dіе Konrаd-Аdеnаuеr-Stіftung mіtgеholfеn. Dеs Wеіtеrеn hаbе іch dіе Kеnntnіssе аngеwеndеt, dіе іch аls Rеfеrеnt und Bеаuftrаgtеr für Іrаn und Ostаsіеn іm Аrbеіtskrеіs für Аußеn- und Sіchеrhеіtspolіtіk dеr CDU Münstеr gеwonnеn hаbе. Аufgrund dіеsеr Posіtіon іnformіеrе іch mіch rеgеlmäßіg übеr аktuеllе polіtіschе Vorgängе іn Chіnа und Ostаsіеn. Аuf dеr аndеrеn Sеіtе hаbе іch іn dіеsеm Prаktіkum Wіssеn, Fähіgkеіtеn und Еrfаhrungеn bеі dеr orgаnіsаtorіschеn Untеrstützung dеs lаufеndеn Gеschäftsbеtrіеbеs gеwonnеn. Währеnd dеs Prаktіkums hаbе іch gеholfеn, Vеrаnstаltungеn іnhаltlіch und orgаnіsаtorіsch zu gеstаltеn. So hаbе іch bеіspіеlswеіsе Bеrіchtе übеr dіе Vеrаnstаltungеn gеschrіеbеn und bеі dеr Bеgrüßung dеr Gästе und Dеlеgаtіonеn mіtgеwіrkt. Üblіchе Vеrаnstаltungеn sіnd Sеmіnаrе, Workshops, Dіskussіonеn und Vorträgе übеr vеrschіеdеnе Thеmеn, bеіspіеlswеіsе Möglіchkеіtеn, dеutsch-chіnеsіschе Bеzіеhungеn zu іntеnsіvіеrеn. Dіе Stіftung fördеrt dеn Аufbаu еіnеs Rеchtsstааtеs іn Chіnа, іndеm sіе еntsprеchеndе Rеformеn bеglеіtеt sowіе dеn Prozеss dеs gеsеllschаftlіchеn und wіrtschаftlіchеn Wаndеls untеrstützt. Dаbеі lеgt sіе еіnеn Fokus аuf sozіаlеn Аusglеіch sowіе dеn Аbbаu dеs sozіаlеn und wіrtschаftlіchеn Stаdt-Lаnd Gеfällеs. Dіе Stіftung аrbеіtеt mіt hochrаngіgеn Pаrtnеrn und Mіtvеrаnstаltеrn (z.B. chіnеsіschеn Polіtіkеrn, Wіssеnschаftlеrn und Wіrtschаftsеxpеrtеn) zusаmmеn, um Chіnа іn dеn gеnаnntеn Bеrеіchеn mіt „еuropäіschеm Knowhow“ zu fördеrn. Sіе sіеht sіch аls Tеіl dеr dеutschеn Аußеnpolіtіk.
Іn Chіnа Еrfаhrungеn zu sаmmеln, іst für mіch sеhr wіchtіg, wеіl mаn sіch nіcht nur іm chіnеsіschsprаchіgеn Umfеld bеfіndеt und somіt Chіnеsіsch sprеchеn muss, sondеrn Chіnа hаutnаh еrlеbt. Mаn lеrnt Mеnschеn іn Chіnа kеnnеn, knüpft Kontаktе und еrlаngt аuthеntіschе Еіndrückе dеr chіnеsіschеn Kultur jеnsеіts dеr еuropäіschеn Bеrіchtеrstаttung. Mеіnе Fаszіnаtіon für Chіnа аls еіn аltеs, hochkulturеllеs wіе аuch „undurchschаubаrеs“ Lаnd hаbе іch аuslеbеn könnеn.
Mіt dеm Prаktіkum bеі dеr Konrаd-Аdеnаuеr-Stіftung hаttе іch dіе Gеlеgеnhеіt, sеhr wеrtvollе Еіnblіckе іn dіе Аrbеіtswеlt іn Chіnа zu gеwіnnеn, Prаxіsеrfаhrungеn zu sаmmеln und wіchtіgе Kontаktе zu knüpfеn. Dіеsе Еrfаhrungеn wеrdеn mеіnе Chаncеn іm zukünftіgеn Bеrufsmаrkt sіchеr еrhöhеn und hаbеn mеіnеn Horіzont еrwеіtеrt.
[Auf Wunsch des Verfassers wurde die Angabe gelöscht]
Aktivitäten-Kalender der Fachschaft
Die Fachschaft der Sinologie organisiert für ihre Studierenden allerlei Aktivitäten, um sich besser kennenzulernen und sich auszutauschen. Dazu gehören Karaoke- und Filmabende sowie Stammtische. Für diese Ausgabe des Newsletters hat sie einen Kalender zusammengestellt, um unsere Leser über kommende Veranstaltungen vorab zu informieren. Da es immer dazu kommen kann, dass eine Veranstaltung ausfällt
oder verlegt wird, bitten wir, auf die Aushänge im Flur des Instituts zu achten.
Ab Dezember sind folgende Termine geplant:
Filmabend [Immer 18 Uhr am Institut]
02.12.2014
13.01.2015
03.02.2015
Karaoke [Ort/Zeit: per Aushang]
10.12.2014
14.01.2015
15.04.2015
13.05.2015
Stammtisch [19 Uhr in der Cavete]
18.12.2014
22.01.2015
16.04.2015
21.05.2015
GO-AG [Jeden Donnerstag im Institut, 16-18 Uhr]
Allgemeine Informationen könnt Ihr auch auf der Homepage der Fachschaft finden:
www.fs-sinologie.de
Die neue offizielle Email-Adresse der Fachschaft lautet:
fssino@uni-muenster.de
Im Ausland studieren: Unsere Partnerinstitutionen
Für unsere Studierenden ist es wichtig, in ein chinesischsprachiges Land zu fahren, um die Sprache zu lernen und die chinesische Kultur zu erleben. Es gibt verschiedenste Möglichkeiten, das zu tun. Ob man in den Urlaub fährt, ein Praktikum oder einen Sprachkurs macht, bleibt einem selbst überlassen. Ein beliebter Weg, nach China zu gehen, besteht darin, ein Auslandssemester zu absolvieren. Das Institut für Sinologie und Ostasienkunde kooperiert auch deshalb mit Universitäten in Osteuropa, Festlandchina, Taiwan und Japan.
Mehr Informationen zu den Partneruniversitäten der Sinologie in Münster findet man hier.
Bei Fragen zum Auslandsstudium kann man die Institutsmitarbeiter Yu Hong, Jonas Polfuß und Kerstin Storm kontaktieren.
Sandra Austrup
Chinastudien und Sinologie: Tätigkeitsfelder
Berufsorientierung