III. Was ist ein Quasi Gleichgewicht?
Jetzt haben wir alle Voraussetzungen. Mit einem Mikrowellenfeld können Magnonen beinahe ohne Zeitverlust erzeugt werden. Die Anzahl der erzeugten Magnonen ist abhängig von der Intensität des Mikrowellenfeldes. Je intensiver das Feld, desto mehr Magnonen werden erzeugt.
Die so erzeugten Magnonen haben eine sehr schmale Energieverteilung. Unter den Bedingungen, die normalerweise gewählt werden um ein Magnon Bose Einstein Kondensat zu erzeugen, sind sie sehr kalt. Dass bedeutet, dass ihr Energie viel geringer ist als die mittlere Energie aller Magnonen im System. Aufgrund von Stößen zwischen ihnen, werden sie sehr schnell erhitzt und erhalten wieder eine thermische Energieverteilung, welche durch die statistische Mechanik berechnet werden kann. Diesen Vorgang nennt man Thermalisierung.
Man kann diese Situation, mit einem Glas Wasser, in den ein Eiswürfel geworfen wird, vergleichen. Die Energieverteilung der Wassermoleküle im Glas ist anschließend nicht mehr thermisch, da zu viele Moleküle mit niedriger Energie vorliegen. Jeder weiß, dass diese Situation nicht für ewig anhält. Nach einer gewissen Zeit schmilzt der Eiswürfel und die Energieverteilung wird wieder thermisch. Allerdings ist die mittlere Energie, und somit die Temperatur, des Wassers, niedriger als vorher. Die Moleküle im Eiswürfel thermalisieren.
In gleicher Weise wird die Enregieverteilung wieder thermisch, kurz nachdem zusätzliche Magnonen injiziert wurden. Da die Zeit zwischen zwei Stößen viel kleiner ist als die Lebenszeit der Magnonen, bleibt ihre Anzahl, während und kurz nach der Thermalisierung, annähernd konstant.
Man sieht, dass das System, in dieser Zeit, seine freie Energie nicht reduzieren kann, indem es Magnonen vernichtet. Befindet sich in diesem Sinne also nicht im thermischen Gleichgewicht. Man kann für diesen Zeitraum die Magnonenanzahl als konstant ansehen. In diesem Sinne befindet sich das System im thermischen Gleichgewicht, da die freie Energie im Bezug auf die restlichen Parameter minimiert ist. Ein solcher Zustand wird als Quasi Gleichgewicht bezeichnet.
Es klingt vielleicht merkwürdig, dass man so viele Anstrengungen unternimmt, nur, um einen besonderen Phasenzustand für, bestenfalls, eine Millisekunde aufrecht zu erhalten. Darüber hinaus besteht noch die berechtigte Frage ob, das Konzept des Quasi Gleichgewichts, tatsächlich die reale Welt beschreibt, oder ob es sich um eine reine Theorie handelt. Dazu ist es vielleicht sinnvoll das Konzept mit etwas Alltäglicherem zu verbinden.
Als Beispiel kann man eine Haus in einer kalten Nacht nehmen. Nehmen wir an, dass sich in dem Haus eine Heizung befindet und dass das Haus eine gute thermische Isolation aufweist. Eine arme Familie wohnt in dem Haus. Die Familie kann es sich nicht leisten die Heizung die ganze Nacht über an zu lassen. Stattdessen wird nur eine Stunde geheizt bevor die Nacht kommt. Wird die Heizung eingeschaltet, Produziert sie sehr schnell Wärme. Die Wärme verteilt sich, aufgrund von Stößen zwischen den Molekülen der Luft, auch sehr schnell im Raum. Somit erreicht der Raum innerhalb einer Stunde eine Temperatur von, sagen wir mal, 25°C.
Da das Haus gut isoliert ist, dauert es sehr lange bis Wärme vom inneren des Raumes nach aussen dringt. Ist die Isolierung gut genug, kann die Temperatur im Raum, z.B. über eine Stunde hinweg, als nahezu konstant angenommen werden. Somit herrscht ein thermisches Gleichgewicht im Raum selbst, der Raum ist aber nicht im thermischen Gleichgewicht mit seiner Umgebung. Auch das Gleichgewicht im Haus kann als Quasi Gleichgewicht betrachtet werden. Die Temperatur im Haus ändert sich, allerdings so langsam dass man kaum etwas davon mitbekommt.
Diese Situation ist vergleichbar mit einem Magnonen Gas in einem YIG Film. Man muss lediglich Haus durch Magnonen Gas, Heizung durch Mikrowellenfeld und die Umgebung durch das Kristallgitter, in das die Wärme geht, ersetzen. Die Isolation des Hauses stellt die Zeit dar, die benötigt wird, um ein Magnon zu zerstören.
Offensichtlich handelt es sich beim Quasi Gleichgewicht um ein reales Konzept, das uns im täglichen Leben begegnet. Der Haupt Unterschied zwischen den beiden Systemen besteht in den unterschiedlichen Zeitskalen auf denen Prozesse ablaufen.
In dem Szenario mit dem Haus betrug die Zeitskala ca. eine Stunde. Während dieser Zeit ändert sich die Temperatur nicht merklich. Eine Stunde ist für uns eine relativ lange Zeitspanne, in dem Sinne dass man mehrere Dinge innerhalb einer Stunde erledigen kann. In Magnon Kondensaten beträgt die Zeitskala in etwa eine Mikrosekunde. Zunächst erscheint uns das vielleicht als eine sehr kurze Zeitspanne. Betrachten wir jedoch, auf der anderen Seite, die Zeitskalen der modernen Elektronik relativiert sich dieser Eindruck. Viele Schaltkreise haben mittlerweile Taktraten im Gigahertz bereich. Somit dauert eine elementare Operation, eine Nanosekunde. Man könnte also, theoretisch, 1000 Operationen an dem Kondensat durchführen bevor es zerfällt.
Ein Quasi Gleichgewicht ist nicht die einzige Form eines thermischen Gleichgewichts, bei dem ein Magnon Bose Einstein Kondensat erzeugt werden kann. Die andere Form bildet das, sogenannte, Fließgleichgewicht. Der nächste Abschnitt behandelt die Frage: