IP-Strategie der Universität Münster

Präambel und Ziele

Die Verwertung von IP (Intellectual Property) an einer Universität dient zuerst den vorgegebenen Zielen in „Forschung, Lehre, Transfer“. Eines dieser Ziele beinhaltet, die Kenntnisse, Methoden und konkreten Technologien aus der Wissenschaft zu verbreiten und zur Nutzung auf den Markt zu bringen und damit wichtige Impulse für Innovationen in der Wirtschaft zu liefern sowie innovative Produkte und Arbeitsplätze zu schaffen. Neben der Förderung von Forschungskooperationen und Forschungsaufträgen mit der Industrie besteht ein solcher Transfer auch in der Förderung akademischer Ausgründungen und dem unterstützenden Einsatz von Patenten, Lizenzen und Know-how-Verträgen. Reine wirtschaftliche Verwertbarkeit ist daher immer nur ein Aspekt unter mehreren möglichen, die für die Verwertung einer Erfindung sprechen.

Im Sinne des oben formulierten Ziels der Universität Münster, Technologien aus der Wissenschaft zu verbreiten und zur Nutzung an den Markt zu bringen, besteht die bevorzugte Verwertungsstrategie darin, Patente zu lizensieren und nicht, diese zu verkaufen. Nur so kann und soll sichergestellt werden, dass eine Technologie nicht als „Schubladen-Patent“ endet. Dies betrifft im Allgemeinen auch die Lizensierung von Patenten bei Ausgründungen aus der Universität.

Um Experimentierräume offen zu halten, sieht die Lizenzpolitik der Uni Münster dabei durchaus unterschiedliche Lizenzmodelle wie Open Access, „Public Domain“-Freigabe (Stichwort „gemeinfrei“), Patentpools und Beteiligungen an Open-Source-Innovation vor. Im Bereich der Medizin werden in der Regel Abschlüsse nach dem Modell der „equitable licences“ angestrebt.

Patente sind, insbesondere dann, wenn sie verwertet werden, ein zusätzliches Leistungskriterium für die Forschenden, dass mit dem Aspekt der Fruchtbarkeit von Forschung eine Ergänzung zum Leistungskriterium der Publikation darstellt. […]

Die IP-Strategie besteht aus einer Reihe von Maßnahmen, die transparente und verlässliche Entscheidungswege für Patentierung und Verwertung schaffen. Gleichzeitig lässt sie Spielräume für die notwendige Beweglichkeit und entspricht den in der Ethik-Richtlinie niedergelegten Grundsätzen der Universität Münster.

Untenstehend finden Sie eine Kurzversion der Patentstrategie der Universität Münster, unterteilt nach verschiedenen Schwerpunkten. Für ausführlichere Informationen ist die Langversion (Intranet)) heranzuziehen.

  • I. Maßnahmen zur Optimierung des Patentierungsverfahrens

    1. Kriterien für die Inanspruchnahme einer Erfindung durch die Universität Münster.

    Die Inanspruchnahme folgt einem festgelegten Katalog von zum Teil flexiblen Entscheidungskriterien. Die UM folgt in der Regel den Empfehlungen der Patentverwertungsagentur PROvendis. Sie nimmt Erfindungen Ihrer Mitglieder in Anspruch, wenn mindesten eins der folgenden Kriterien erfüllt ist:

    a) die Universität vertraglich verpflichtet ist, die Erfindung in Anspruch zu nehmen und ggfls. zu übertragen,
    b) die Erfindung wirtschaftlich verwertbar ist und gegen die Verwertung (generell – je nach Natur der Erfindung) keine ethischen Bedenken bestehen,
    c) die Erfindung als solche vielversprechend, aber noch zu marktfern ist, um verwertet werden zu können und mit der Erfinderin eine Zielvereinbarung bezüglich der weiteren Verwertung getroffen werden konnte,
    d) die Erfindung noch nicht verwertbar ist, aber die Erwartung besteht, dass weitere Erfindungen folgen werden, die es ermöglichen, in diesem Bereich ein Patentportfolio oder eine Patentfamilie aufzubauen, das/die insgesamt später verwertbar sein wird und mit der Erfinderin eine Zielvereinbarung bezüglich der weiteren Verwertung getroffen werden konnte,
    e) die Erfindung zwar nicht kommerziell verwertbar, aber für die Einwerbung oder Verlängerung von Drittmittelprojekten wichtig ist und mit der Erfinderin eine Zielvereinbarung über die zeitnahe Einwerbung konkreter Drittmittelprojekte getroffen wurde,
    f) die Erfindung zwar (noch) nicht verwertbar, aber für die internationale Sichtbarkeit der Universität von Bedeutung ist,
    g) die Erfindung zwar nicht kommerziell verwertbar, aber für die einzelne Wissenschaftlerin wichtig ist,
    h) die Erfindung von gesellschaftlicher Relevanz ist und im Sinne der Generierung von „social impact“ verwertet werden soll,
    i) die Erfindung evtl. kommerziell verwertbar ist, die Erfinderin eine Ausgründung anstrebt und mit ihr eine Zielvereinbarung über die konkrete Ausgründung geschlossen werden kann.

    2. Kriterien für den Ausstieg aus einer Patentierung (Exit-Strategie)

    Die Entscheidung für den Ausstieg aus einer Patentierung folgt dem stufenweisen Vorgehen je nach Anmeldehöhe und Kosten gemäß der Maßnahmenliste der Patentverwertungsagentur sowie einem Katalog von zum Teil flexiblen Entscheidungskriterien von Fall zu Fall und differenziert nach Fachbereichen sowie den in ggf. getroffenen Zielvereinbarungen niedergelegten Regelungen.

  • II. Maßnahmen zur Schaffung eines IP-freundlichen Klimas

    1. Schulungs- und Informationsangebote für UM-Angehörige

    Die Arbeitsstelle Forschungstransfer informiert regelmäßig über die von der Patentverwertungsagentur PROvendis angebotenen Schulungen und Informationsveranstaltungen für UM-Angehörige. Diese umfassen neben allgemeinen Informationen zu den gewerblichen Schutzrechten auch solche zum Urheberrecht.

    2. Mehr und individuellere Hilfestellung und Unterstützung für Erfinderinnen (z.B. über Patentreferen*innen/vor-Ort-Service) in der Patentierungsphase.

    Die UM stellt mit dem an der Arbeitsstelle Forschungstransfer angesiedelten Patentreferent*innen kompetente und geschulte Ansprechpartner*innen zur Verfügung, die bei Bedarf die Erfinder*innen aufsuchen und sie im gesamten Verlauf des Patentgeschehens unterstützen.

    3. Schnellstmögliche Bearbeitung der Erfindungsmeldung in Universität und Patentverwertungsagentur.

    4. Setzung von Leistungsanreizen für die Forscher*innen und Arbeitsgruppen

    Die Universität empfiehlt ihren Fachbereichen, entsprechende Leistungsanreize für Forscher*innen und Arbeitsgruppen vorzusehen. Mögliche Anreize sind

    - finanzielle Kompensation für die zusätzliche Arbeit aus dem Fachbereichsetat,
    - Lehrdeputatserniedrigungen,
    - Wertung einer Patentanmeldung wie einer Publikation,
    - Forschungsfreisemester zur Weiterentwicklung der Erfindung,
    - zusätzliches Personal.

    5. Stärkung des Erfindungspotenzials auch der freien Erfinder*innen

    Neben allen eigenen Beschäftigten bietet die UM auch den „freien Erfinder*innen“ ihres wissenschaftlichen Umfeldes (Studierende, Stipendiat*innen, Gastwissenschaftler*innen, Emeriti etc.) die Möglichkeit, ihre Erfindungen zu den gleichen Bedingungen wie Hochschulbeschäftigte zu verwerten, wenn sie ihre Rechte daran an die Universität Münster übertragen.
    Bei Gastwissenschaftlern und Stipendiaten wird eine Übertragung ihrer potentiellen Verwertungsrechte in deren Verträge mit aufgenommen. Die Erfindervergütung für diesen Personenkreis wird analog § 42 ArbnErfG ebenfalls im Vertrag geregelt.

  • III. Maßnahmen zur Erhöhung des Patentaufkommens

    1. Inanspruchnahme von rein strategischen Patenten

    Ein Patent kann auch ohne direkte Verwertbarkeit für die Universität strategisch wertvoll sein.

    Welches die strategisch wichtigen Kernbereiche der Universität sind, wird durch das Rektorat entschieden. Zur Identifizierung der strategischen Bereiche gibt der Forschungsbeirat, unterstützt durch die Dekane der erfindungsrelevanten Fachbereiche, gegenüber dem Rektorat einmal im Jahr eine Empfehlung ab. Ist ein solch strategischer Forschungsbereich für den Patentbereich einmal identifiziert, sollte er nachhaltig für mindestens 3-5 Jahre als solcher beibehalten werden.

    2. Regelmäßige rechtliche Aufklärung

    Alle Neuberufenen werden durch das Forschungsdezernat, Abteilung 6.2, über die Rechtslage für Hochschulerfinder*innen beraten. Im Bedarfsfall besucht die Rechtsabteilung des Forschungsdezernates auch die Fachbereiche oder Institute.

    Neuberufene Hochschullehrerinnen werden mit einem Informationsflyer zur „Gefahrenschulung“ über Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit Erfindungen informiert.

    Gemeinsam mit den Patentreferent*innen werden Termine angeboten, zu denen interessierte Hochschullehrer*innen sich über den Sinn und Zweck der Patentierungsmaßnahmen sowie den Patentierungspro­zess informieren können.

    3. Schutz des universitätseigenen Know-hows durch entsprechend gestaltete Drittmittelverträge und ein effektives Vertragscontrolling sowie einen differenzierten Umgang mit Nebentätigkeitsgenehmigungen.

    Die Rechtsabteilung des Forschungsdezernates wird Verträge, die das entschädigungslose Abtreten von Rechten an Erfindungen enthalten, nicht freigeben, weil der Universität dadurch erheblich Strafgebühren der EU drohen und die Klauseln die freie Forschung und Lehre in einem für die Universität nicht erträglichen Masse ein­schränken. Nebentätigkeitsgenehmigungen werden durch das Per­sonaldezernat nur noch erteilt, wenn im Falle von drohendem Know-how-Abfluss in Gestalt von Patenten und/oder IP eine Zusatzvereinba­rung  zwischen dem Auftraggeber der Hochschul­lehrer*innen, der Hochschullehrer*innen und der Universität geschlossen wird, die der Universität zumindest bei „Kernpatenten“ den Erstzu­griff lässt und eine Bindung der Hochschullehrer*innen an einen Auf­traggeber nur eingeschränkt und mit jederzeitigem Kündigungs­recht zulässt.

    Um Mehrfachbindungen einzelner Hochschullehrer*innen an verschiedene Drittmittelgeber mit unterschiedlichen Zielen auszuschließen, baut das Dezernat 6.2 ( Rechtsabteilung Forschungsdezernat) ein zentrales Vertragscontrolling für Drittmittelverträge auf.

  • IV. Maßnahmen zur Erhöhung des Transfererfolges

    1. Weiterentwicklung des IP/der Erfindung im eigenen Haus

    Die Patentreferent*innen der UM informieren die dafür in Frage kommenden Erfinder*innen regelmäßig über Programme, die die Weiterforschung für Transferzwecke ermöglichen. Die Universität kann bei besonders aussichtsreichen Erfindungen oder bei strategisch wichtigen Erfindungen durch gezielte Unterstützung das Verwertungspotenzial erheblich erhöhen und gleichzeitig Anreize für die Erfinder*innen schaffen, sich weiter mit ihrer Erfindung zu befassen. Wegen der Begrenzt­heit der verfügbaren Mittel kann dies aber nur für beson­ders aus­sichtsreiche oder wissenschaftlich interessante Erfindungen durch­geführt werden und muss als Einzelfallentscheidung dem Rektorat vorgelegt werden.

    2. Regelmäßige Information durch die Antragsberatung

    Die Antragsberatung des Forschungsdezernates (SAFIR) informiert in regelmäßigen, aktuellen Informationsveranstaltungen oder Workshops über die bestehenden und neuen Förderprogramme auch zur Transfer-Förderung. Bei der Beratung zu Anträgen an Projektträger in öffentlicher Hand wird, soweit zutreffend, auf die Möglichkeit einer Vorab-Einwerbung von Fördermitteln für even­tuell entstehende Patente, hingewiesen.

    3. Gezielte Unterstützung von Existenzgründungswilligen

    Im REACH Euregio Start-up Center der UM erfolgt eine Bündelung aller Schulungs- und Unterstützungsangebote von UM, Land, Stadt und Kammern für Gründungswillige und eine umfassende Beratung auch zu Förderprogrammen (EXIST, GoBIO etc.). Hiermit soll (auch schon bei Studierenden) eine Kultur unternehmerischer Selbstän­digkeit etabliert werden. Die Universität Münster stellt für eine „In­kubationszeit“ für Ausgründungen eigener Mitarbeiter*innen Räume oder Flächen zur Miete zur Verfügung und bietet die Vermittlung von professionel­lem Coaching an. Dezernat 6.2 steht für Fragen im Zusammenhang mit Lizenz-, Patentkauf- oder Know-how-Verträgen zur Verfügung, wobei die Universität der Auslizensierung stets den Vorrang vor dem Verkauf einräumt.

    4. Aufbau eines Patentcontrollings

    Am Ende eines Fünfjahreszeitraumes erfolgt eine Evaluation der durchgeführten Maßnahmen. Neben der Ermittlung der angefalle­nen Schutzrechtskosten sollte zu diesem Zeitpunkt sichtbar sein, ob diese Strategie zu einer deutlichen Verbesserung der Zahl der Schutzrechtsanmeldungen und -erteilungen, der Patentqualität, der Ver­wertungserlöse sowie der Höhe der Drittmitteleinwerbungen durch Industriepartner an der Universität hat beitragen können. In die Evaluation sollten jedoch auch nicht-monetäre Kriterien einbezogen werden, so z.B. die Anzahl der erfolgreich an den Markt gebrachten Produkte, die Zahl erfolgter Ausgründungen und die Zusammenset­zung des bis dahin ggf. entstandenen Patentportfolios.

    Eine Überwachung der erteilten UM-Patente gegen Patentverlet­zungen (Patent-Monitoring) kann allenfalls durch die Erfinder*innen selbst geleistet werden. Eine festgestellte Patentverletzung sollte von dieser umgehend der Verwaltung gemeldet werden. Die UM wird dann in einer Einzelfallentscheidung beschließen, wie sie ihre Rechte und die ihrer Erfinder*innen verteidigt.