Kleopatra Thea – eine Ptolemäerin auf seleukidischen Münzen
Seleukiden: Kleopatra Thea und Antiochos VIII., AR-Tetradrachme, Antiocheia am Orontes, 122/121 v. Chr. (15,47g / 12h / 30mm)
Vs. Gestaffelte Büste des Mutter-Sohn-Paares: Kopf der Kleopatra Thea n. r. mit Isis-Locken, Diadem, Stephané und Schleier (im Vordergrund), dahinter Kopf des Antiochos VIII. n. r. mit Diadem, Perlkreis
Rs. BAΣΙΛIΣΣHΣ / KΛEOΠATPAΣ – KAI / BAΣΙ-ΛΕΩΣ / ANT-IOXOY. Zeus sitzt auf einem Thron mit hoher Lehne n. l., auf der vorgestreckten R. Nike, die abgewandt einen Kranz in den Händen hält, die L. am Zepter, links i. F.: Monogramm IE, unter dem Thron Π direkt darüber C
Münzsammlung des Archäologischen Museums der Universität Münster, Inv. M 1420 (ehem. Slg. Bieder)
Seleucid Coins II Nr. 2262 (1a)
Eine Frau im Vordergrund auf antiken königlichen Münzen? – eine Gegebenheit, die auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheint, da vor allem die Männer der Geschichte präsent sind und im Gedächtnis bleiben.
Eine Ausnahme bilden allerdings die Münzen der seleukidischen Königin Kleopatra Thea (165–121 v. Chr.), dazu gehört auch die Münze des Monats November 2023. Aus der ptolemäischen Dynastie stammend und hintereinander an verschiedene seleukidische Könige verheiratet, findet sich ihr Porträt erstmals auf Münzen ihres ersten Ehemannes Alexander I. Balas (reg. 150–145 v. Chr.), zusammen mit diesem. Auf der kleinen Münzemission ihrer kurzen, aber bemerkenswerten Alleinherrschaft im Jahr 125 v. Chr. in Ptolemais-Ake stellt sie sich als erste Königin alleine dar. Wie die Münze des Monats sind es schließlich die Münzen aus der Samtherrschaft (125–121 v. Chr.) mit ihrem Sohn Antiochos VIII. (der u.a. auch den Beinamen Philometor = »der Mutterliebende« trägt, reg. 125–98/97 v. Chr.), die das Abbild der Kleopatra Thea erneut in einem Duo, diesmal mit ihrem Sohn zeigen.
Die Porträts der Kleopatra Thea sind sowohl mit ihrem Ehemann Alexander I. Balas als auch während der Samtherrschaft mit Antiochos VIII. in einer sogenannten Staffelbüste dargestellt. Dabei ist für fast alle Prägungen der Kleopatra Thea auffällig, dass sie als Königin den vorderen Platz der gestaffelten Büsten einnimmt und somit im Profil vollständig zu sehen ist, während Antiochos VIII. lediglich mit den Gesichtskonturen zu sehen ist, also im Hintergrund steht und sein Hinterkopf von Kleopatra Thea verdeckt wird.
Diese Form des Doppelbildnisses hat sowohl ptolemäische als auch seleukidische Vorbilder. In der ptolemäischen Ikonographie lässt sich die Staffelbüste erstmals auf den sogenannten Theon Adelphon-Münzen des Ptolemaios II. Philadelphos (reg. 285/4–246 v. Chr.) (PCO 307) feststellen. Auf Goldoktadrachmen stellt sich Ptolemaios II. in vorderer Position mit seiner verstorbenen Gattin und Schwester Arsinoe II. Philadelphos auf dem Avers und seine ebenfalls verstorbenen und zu Göttern erhobenen Eltern Ptolemaios I. Soter und Berenike I. auf dem Revers dar (Abb. 1). Das gestaffelte Porträt bleibt im ptolemäischen Reich den Theon Adelphon-Münzen vorbehalten und entwickelt sich nicht weiter, doch steht es stellvertretend für den Herrscherkult der Ptolemäer als Zeichen der Einheit von König und Königin.
In der seleukidischen Ikonographie wird in Form der Staffelbüste zuerst die Königsmutter Laodike IV. mit ihrem Sohn Antiochos auf einer Oktadrachme aus dem Jahr 175 v. Chr. (SCO 1368) dargestellt. Dabei handelt es sich einerseits um die erste Darstellung einer Seleukidenkönigin überhaupt sowie andererseits um das erste Doppelbildnis einer Mutter mit Sohn. Laodike präsentiert sich im Vordergrund als Mutter und Regentin, die eine stellvertretende, aber Macht vermittelnde Position einnimmt und ihre Herrschaft durch ihren sich noch im Säuglingsalter befindenden Sohn legitimiert. Im Gegensatz zu den regulären Doppelbildnissen der Königspaare im ptolemäischen Reich sind diese bei den Seleukiden zwar weitaus seltener, dafür aber variantenreicher. Laodike V., Tochter der Laodike IV. ist beispielsweise in einem Staffelbildnis hinter ihrem Ehemann Demetrios I. auf Goldstateren aus dem Jahr 161/60 v. Chr. (SCO 1683-1684) oder in der Folge auf Tetradrachmen (SCO 1686-1689) und Bronzen (SCO 1691) zu sehen.
Mit der Abbildung im Staffelbildnis mit ihrem Sohn Antiochos VIII. steht Kleopatra Thea also sowohl in der seleukidischen Tradition, die von Laodike IV. ausgeht, als auch in der ptolemäischen Linie des Ptolemaios II. Kleopatra Thea als Ehefrau von Alexander I. Balas ist anfänglich angelehnt an die ptolemäische Tradition der Ehepaare auf Doppelbildnissen, doch die Demonstration des hierarchischen Verhältnisses durch die vordere Positionierung im Münzbild ist eine Methode, die erstmalig von einer Seleukidin zusammen mit ihrem Sohn angewendet wurde. Die Darstellung von Mutter und Sohn in einem Staffelbildnis wird in der seleukidischen Münzprägung nach Kleopatra Thea nur noch von einer weiteren Königin verwendet (von Kleopatra Selene) und das nur auf (Klein-)Bronzen.
Im Kontrast zu der sehr persönlichen Darstellung der Staffelbüste, deren Entwicklung sich durch beide mit Kleopatra Thea in Verbindung gebrachte Dynastien zieht, zeigt der Revers der Tetradrachme mit Zeus Nikephoros wenig Individuelles. Der Gott sitzt nach links auf einem Thron und hält auf seiner ausgestreckten rechten Hand die Siegesgöttin, die von ihm abgewandt einen Kranz in der Hand hält. Der Rückseitentyp des Zeus Nikephoros erscheint ab 174 v. Chr. erstmals auf den Münzen des Antiochos IV. und ersetzt im Laufe der späteren Seleukidenzeit den Typ des Apollon auf dem Omphalos als das Hauptmotiv auf den Tetradrachmen des seleukidischen Reiches. Auf ptolemäischen Münzen ist keine Abbildung des Zeus Nikephoros bekannt. Das dargestellte Revers-Motiv steht also ganz im Sinne der seleukidischen Tetradrachmen-Prägung und zeigt, dass nicht nur ptolemäische Einflüsse auf den Münzen gefunden werden können. Gleichzeitig enthält die Rückseite jedoch keine persönlichen Symbole oder Aussagen über das Selbstverständnis der Kleopatra Thea.
Die Vermischung von seleukidischen und ptolemäischen Charakteristika ist bewusst gewählt. Eindeutig ersichtlich ist die Machtposition, die Kleopatra Thea zur Zeit der Samtherrschaft mit Antiochos VIII. auf den Münzen auszudrücken gedenkt, da sie ihren Namen wie auch ihr Porträt in der Staffelbüste an die erste Stelle stellt und so ihre gewichtigere Position gegenüber ihrem Sohn und ihre eigene (ptolemäische) Herkunft zum Ausdruck bringt. Dies steht im Kontrast zur Rückseite, die sich mit dem thronenden Zeus Nikephoros ganz in die gängige seleukidische Münzprägung einpasst.
(Trixi Steil)
Weiterführende Literatur:
- A. Houghton – C. C. Lorber – O. D. Hoover, Seleucid coins: A comprehensive catalogue Part 2, Seleucus IV through Antiochus XIII (New York 2008)
- P. P. Iossif, The Last Seleucids in Phoenicia. Juggling Civic and Royal Identity, AmJNum 26, 2014, S. 61-87
- K. Martin, Der ›Wert der Königin‹. Eine Frage des Nominals?, in: A. Lichtenberger u.a. (Hrsg.), BildWert. Nominalspezifische Kommunikationsstrategien in der Münzprägung hellenistischer Herrscher: Kolloquium vom 17.-18. Juni 2010 in Münster, EUROS 2 (Bonn 2014) S. 183-208
- M. Meyer, Mutter, Ehefrau und Herrscherin. Darstellungen der Königin auf seleukidischen Münzen, Hephaistos 11/12, 1992/1993, S. 107-132
Abbildungsnachweise:
MdM Foto: Robert Dylka
Abb. 1 PCO 307. American Numismatic Society, New York, Inv.-Nr. 1956.183.28