Bekannt und unter dem Aspekt der Strophenformel bzw. Metrik sehr interessant sind die Werke des Kürenbergers, auch "Der von Kürenberg" genannt. Wir werden uns im Folgenden mit seinem Ton II befassen, anhand dessen wir auch die sogenannten Langverse einführen werden.
Diese Strophen sind unter dem Aspekt des dôns besonders bemerkenswert, da die Strophen des Kürenbergers in auffälliger Weise dem Schema der Strophenformel des Nibelungenliedes (Vgl. 3.8.1 Das Nibelungenlied) folgen.
Die Strophen sechs und sieben des zweiten Kürenberger-Tons werden wegen ihrer Motivik auch "Falkenlied" genannt, das von einer liebenden Frau gesprochen wird (der Falke symbolisiert den Geliebten). Betrachten Sie zur Übung zunächst die sechste Strophe:
6 'Ich zôch mir einen valken mêre danne ein jâr. dô ich in gezamete, als ich in wolte hân, und ich im sîn gevidere mit golde wol bewant, er huop sich ûf vil hôhe ûnd vlouc in ándèriu lant.
Wie Sie sehen, sind alle Verse der Strophe länger, als Sie es aus den bisherigen Beispielen kennen: Es handelt sich bei den Versen des Kürenbergers um sogenannte Langverse, die aus zwei Kurzversen, dem Anvers und dem Abvers, bestehen. In Editionen ist es, so wie Sie es auch vor sich sehen, üblich, die Trennung bzw. Zäsur der beiden Kurzverse durch einige Leerzeichen zu verdeutlichen.
Am Vorgehen bei der Analyse ändert sich durch den Langvers nichts. Behandeln Sie die beiden Kurzverse wie separate Verse, d.h. jeder Kurzvers verfügt über eine Kadenz. Der alternierende Rhythmus muss über die Zäsur also nicht beibehalten bleiben.
Drucken Sie die Strophen dazu hier aus und analysieren Sie sie nach dem bewährten Verfahren. Lesen Sie sich zunächst den ersten Langvers laut vor und setzen Sie dann die Akzente.