Neben Walthers ›Reichston‹ und Neidharts Reienstrophen ließen sich weitere Beispiele für lyrische Strophenformen finden, die auf dem Prinzip des Paarreimes aufbauen. Dietmars von Eist bekanntes Lied IV ›Ez stuont ein frouwe alleine‹ (MFMT 37,4) besteht zum Beispiel komplett aus Paarreimen (wenngleich zuweilen unreine Reime verwendet werden), man spricht von einem Reimpaarlied. Vgl. auch die paargereimten Langzeilenstrophen des Kürenbergers und des Nibelungenliedes (siehe Kap. 3.7 'Die Kürenbergerstrophe' und 3.8 'Epische Strophen').
Seit etwa 1170 zeigen die mittelhochdeutschen Strophen eine Entwicklung hin zu komplexeren Strophenformen, in denen das Reimpaar keine derart strukturgebende Rolle mehr spielt.
Ein solches Beispiel ist die sogenannte Kanzone, die Sie im Folgenden kennenlernen werden. Sie bildet den wichtigsten und verbreitetsten Strophentyp des Minnesangs, der, aus Frankreich kommend, sich in Deutschland im ausgehenden 12. Jh. etablierte und zunächst zum metrischen Vehikel für den rheinischen Minnesang und dessen Texte über die "Hohe Minne" wurde. Bis ins Spätmittelalter und darüber hinaus ist diese Strophenform gebräuchlich geblieben. Auch der süddeutsche Dichter Neidhart verwendet in der ersten Hälfte des 13. Jhs. die Kanzonenform in seinen Winterliedern (WL), in denen oftmals von unerfüllter Liebe die Rede ist. WL 1 hat allerdings noch einen recht optimistischen Tenor.
Analysieren Sie nun die erste Strophe von Neidharts WL 1 unter dem Gesichtspunkt der Strophenformel. Bei Schwierigkeiten vergleichen Sie die entsprechenden Verse in den anderen Strophen, um z.B. die Kadenzen sicher bestimmen zu können.
Drucken Sie den Text dafür zunächst hier aus. Wir empfehlen Vers für Vers nach dem eingeübten Verfahren zu untersuchen. Zur Kontrolle Ihrer Arbeit finden Sie hier die jeweiligen Analyseschritte.