Trotz weitgehender Freiheit in Bezug auf die Reimform, ist bei den Urformen der mittelhochdeutschen Strophik die Nähe zum Reimpaarvers noch deutlich zu erkennen. Mit Walthers ›Reichston‹ haben Sie ein Beispiel für Strophen kennengelernt, die aus dem Reimpaarvers entstanden sind und das Prinzip des fortwährenden Paarreimes sehr genau – mit Ausnahme der sogenannten Waisenterzine – beibehalten, man spricht auch von einer Reimpaarstrophe.
Im Folgenden lernen sie anhand eines der sog. Sommerlieder (SL) Neidharts eine neue Strophenform kennen: die sogenannte Reienstrophe. Für sie gilt als einziges formales Kriterium, dass sie mit einem Paarreim beginnt. Danach kann der Autor das Reimschema frei gestalten. Die Form der Reienstrophe nutzt vor allem der Minnelyriker Neidhart für seine Sommerlieder, d.h. Lieder, die mit einem sommerlichen Naturbild (Natureingang) beginnen.
Wir setzen das metrische Handwerkszeug voraus, welches Sie anhand von Kap. 1. 'Grundsätzliches' sowie anhand des ›Reichstons‹ Walthers von der Vogelweide (Kap. 3.1 'Die Reimpaarstrophe') erlernt haben. In diesem und den folgenden Abschnitten geht es darum, wie eingangs (Kap. 3. 'Strophik') erläutert, unterschiedliche Strophen- formen kennenzulernen und die passenden Strophenformeln zu finden.
Analysieren Sie nun zunächst die erste Strophe von Neidharts Sommerlied 3.
Hier noch ein Tipp: Wenn Sie an einer Stelle unsicher sind, ist ein Blick auf den entsprechenden Vers in den anderen Strophen hilfreich, da ja die Versstruktur innerhalb der Strophenformel für alle Strophen eines Liedes verbindlich ist.
Drucken Sie den Text zunächst hier aus. Wir empfehlen Vers für Vers nach dem eingeübten Verfahren vorzugehen. Zur Kontrolle Ihrer Arbeit finden Sie hier die jeweiligen Analyseschritte.