An-Niffarī und die christliche Mystik
Die Frage der (Un-)Erkennbarkeit Gottes und ihre Bedeutung für den Menschen im interreligiösen Kontext
7./8. November 2024 | 14:00 Uhr | Alexander-von-Humboldt-Haus, Hüfferstraße 61, 48149 Münster
Organisiert von PD Dr. Raid Al-Daghistani (Zentrum Islamische Theologie, Universität Münster)
Das Kitāb al-Mawāqif („Das Buch der mystischen Standplätze“) des aus dem heutigen Irak stammenden und in seiner Zeit kaum bekannten Sufi-Mystikers, Muḥammad bin ʿAbd al-Ǧabbār an-Niffarī (gest. 965), gilt als literarisches Meisterwerk der islamischen Mystik, das seinen Zeitgenossen zwar weitgehend unbekannt blieb, jedoch von späteren Sufi-Gelehrten, wie bspw. Ibn al-ʿArabī (gest. 1240) und ʿAfīf ad-Dīn at-Tilimsānī (gest. 1291), eifrig rezipiert und intensiv studiert wurde. Der Kern von an-Niffarīs gesamter apophatischer Mystik ist, dass Gott als die ultimative und absolute Wirklichkeit in seinem Wesen nie vollkommen erkannt und in der Sprache ausgedrückt werden kann. Doch trotz dieser Überzeugung versucht an-Niffarī sich der transzendenten Erfahrung der „mystischen Schau“ (ruʾya), der „mystischen Vernichtung“ (maḥw) und des „mystischen Stehplatzes“ (waqfa) begrifflich anzunähern. An-Niffarīs Mystik bzw. mystische Theologie umfasst verschiedene Themen und Phänomene, die in einem breiteren religionstheologischen Kontext diskutiert werden können.
So lässt sich dieser frühislamische Wüstenwanderer, der einerseits tief im islamischen Glauben wurzelt und gleichzeitig den dogmatischen Rahmen des Islams weit übersteigt, ins konstruktive und fruchtbare Gespräch mit einigen der bedeutendsten christlichen Mystikerinnen und Mystiker bringen, wie zum Beispiel Dionysius Areopagita, Johannes Scottus Eriugena, Hildegard von Bingen Meister Eckhart, Ignatius von Loyola, Marguerite Porete, Johannes Tauler, Nikolaus von Kues, Jakob Böhme u.a. Aus der Sicht einer sogenannten „christlichen Mystik“ hat der diesbezügliche Dialog mit an-Niffarī einen besonderen Reiz, da bei ihm bis in die konkreten Aussageformen frappierende Analogien zu der (weitgehend sehr viel späteren) christlichen Mystik festzustellen ist. Diese aus den unmittelbaren Gotteserfahrungen (cognitio Dei experimentalis) entspringende Theologie darf als ein beeindruckender Einspruch gegen eine Theologie gelesen werden, die nicht über die Grenzen eines begrifflichen Denkens hinausweist und so weder dem göttlichen Geheimnis (as-sirr al-illahīy) gerecht wird, noch jener darin begründeten Einheit aller wahrhaften Gottsucher ein Fenster öffnet.
Im Rahmen dieser Tagung soll gezeigt werden, inwieweit ein muslimischer Mystiker, der gerade für seine radikale Einheitsmystik und apophatische Theologie bekannt ist, mit den großen christlichen Mystikerinnen und Mystikern in einen Dialog treten kann und inwieweit eine solche Begegnung (und hier und da vielleicht auch Konfrontation) zu einer besseren gegenseitigen Verständigung und ggf. auch zu einer gegenseitigen Bereicherung der beiden mystischen Traditionen beitragen kann.
Flyer mit Programm und allen Informationen zum Download
Anmeldung
Um Anmeldung wird gebeten
Kontakt: raid.aldaghistani@uni-muenster.de
Organisation und Moderation: Dr. Raid Al-Daghistani
„Der mystische Stehplatz ist das Feuer, das die Erkenntnis verschlingt“ (al-waqfa nārun taʾkul al-maʿrifa).
Aus: An-Niffarī, The Mawāqif and Mukhāṭabāt of Muḥammad ibn ʻAbdi ’l-Jabbār al-Niffarī. Ed. by A. J. Arberry. Luzac, London 1935, S. 68.