Geschichte und Bedeutung der Al-Azhar
Die Al-Azhar Institution wurde im 9. Jh. christlicher Zeitrechnung (3. Jh. islamischer Zeitrechnung) während der Herrschaftszeit der schiitischen Fatimiden (909 – 1171) ursprünglich als eine Zentralmoschee mit anliegenden Lehrkapazitäten in Kairo gegründet. Mit Beginn der Dynastie der Ayyubiden (1171 – 1252) wird die Al-Azhar-Moschee zu einer sunnitischen Lehreinrichtung. Im Laufe der langjährigen Geschichte weitet die Al-Azhar-Moschee ihre Lehrkompetenzen soweit aus, dass sie spätestens seit dem 19. Jh. als religiöse Lehreinrichtung mit universitärer Struktur gilt. Ihr primäres Ziel ist die Vermittlung religiöser Wissensinhalte. Die Al-Azhar Institution versteht sich seit jeher als eine Stimme des gelehrsamen Islams, vor allem in Ägypten selbst, je nach Rezeption aber auch in globaler Hinsicht. Ab dem 19 Jh. durchlief die Al-Azhar Institution eine Reihe von Reformen und Modernisierungen, welche jeweilige ideelle und auch gesellschaftliche Transformationsprozesse reflektieren. Die derzeitige universitäre und voruniversitäre Struktur der Al-Azhar Institution umfasst über siebzig Fakultäten und 9147 Institute an unterschiedlichen Standorten in Ägypten selbst sowie im Ausland. Die Zahl allein der eingeschriebenen Studierenden an der Universität betrug im Jahr 2010 277858. Mittels verschiedener Räte und Gremien sind Al-Azhar Theologen besonders national, aber auch international, an wichtigen religions- und gesellschaftspolitischen Entscheidungen beteiligt. Nach ägyptischem Gesetz ist die Al-Azhar beauftragt, die Belange der Muslime zu pflegen und zu schützen. Der Großimam genießt in Ägypten die Amtsprivilegien eines Ministerpräsidenten. Aufgrund ihrer Jahrhunderte langen Tradition und ihrer inhaltlichen Profilierung gilt die Al-Azhar Institution als eine der renommiertesten Autoritäten der islamischen Akademielandschaft bzw. überhaupt der islamischen Welt als Ganze.
Scheich Ahmad Mohammad al-Tayyeb wurde am 19. März 2010 zum Großimam der Al-Azhar Institution gewählt. Der Großimam setzt sich während seiner Amtszeit immer wieder für interreligiöse Dialoge ein, u.a. gehört er zu den Initiatoren und Unterzeichnern eines offenen Briefes an Christen und Juden („Ein gemeinsames Wort zwischen Uns und Euch“), welcher eine große Welle der Rezeption und Dialoginitiativen auslöste. Derzeit engagiert sich der Großimam in zahlreichen Initiativen für die religiös-theologische Bekämpfung extremistischer Instrumentalisierungen. Die Entfaltung des Friedenspotenzials in den Weltreligionen gehört zu den persönlichen Leitthemen des Großimams. Zu diesem Zweck wurde 2014 in Abu Dhabi der Weisen Rat der Muslime als Plattform des innerislamischen Dialogs gegründet, dessen Vorsitz der Großimam einnimmt.