Apostasie und Barmherzigkeit
Vortrag von Prof. Dr. Seyyed Mohammad Ali Ayazi am ZIT Münster
Die Abkehr vom Glauben zu bestrafen, lässt sich koranexegetisch nicht begründen – diese These stand im Mittelpunkt des Vortrags des iranischen Gelehrten Seyyed Mohammad Ali Ayazi, der am 12. Juni als Gastwissenschaftler des Graduiertenkollegs Islamische Theologie zum Thema „Islam der Barmherzigkeit im schiitisch-exegetischen Diskurs“ referierte. Das Gebot der Barmherzigkeit sowie die Interpretation entsprechender Koranverse und Hadithe stehe jeder Bestrafung von Apostasie im Diesseits entgegen, argumentierte der Teheraner Professor für Koran- und Hadithwissenschaften, der zu den bedeutendsten zeitgenössischen Koranwissenschaftlern des Irans zählt. Der Diskurs zu einem Islam der Barmherzigkeit sei, so Ayazi, im Iran hochaktuell und lege die Barmherzigkeit Gottes der Auslegung von Koranversen für juristische Entscheidungen zugrunde. Damit sollen diejenigen traditionellen Bestrafungsmethoden bzw. Rechtsurteile, die im Widerspruch zu den Menschenrechten stehen und nach den heutigen Maßstäben als gewaltsam oder ungerecht empfunden werden, revidiert werden. In diesem Rahmen werden neben der Apostasie auch Frauenrechte oder die Rechte von Andersgläubigen diskutiert. Seyyed Mohammad Ali Ayazi erlangte den Idjtihād-Grad bei Großayatollah Montazeri (gest. 2009), einem der einflussreichsten Gelehrten des Irans. Aufgrund seiner zahlreichen Veröffentlichungen im Bereich der Koranwissenschaften erhielt Prof. Ayazi im Jahr 1998 den Titel Khādem-e Qur’ān, „Diener des Korans“.