Humanistische Bildung auf Reisen erlangen: Im 16. und 17. Jahrhundert entstanden dazu erstmals Reiseanleitungen für die oberen Klassen. Es war ihnen vorbehalten, auf Reise zu gehen und sich bei der „Grand Tour“ zu bilden. Das zeigt das Fach Lateinische Philologie des Mittelalters. Diese historischen Quellen, die zunächst auf Latein erschienen und oft in mehreren Auflagen, lassen erkennen, dass man sich damals schon – wie heute auch – mit den Sitten und Gebräuchen anderer Länder auseinandersetzte.
Das Reisen gewinnt ab dem 16. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung, insbesondere als Quelle des Erkenntnisgewinnes und wesentliches Element der akademischen, humanistischen und adeligen Bildung im Rahmen der „Grand Tour“. Aus diesem Bedürfnis entstand die neue Gattung der Artes apodemicae (Reiseanleitungen), die zunächst in lateinischer Sprache verfasst waren und sowohl praktische Reiseratschläge als auch Anregungen zur intellektuellen Vor- und Nachbereitung der Reise darboten. Das Pervigilium Mercurii (Die Nachtwachen des Merkur) des deutschen Studenten Georg Loysius (1575–1602) aus dem Jahr 1598 war eine der erfolgreichen Reiseanleitungen, die mehrere Nachdrucke erlebten. Das vorliegende Exemplar ist die achte Edition aus dem Jahr 1667 (Leiden). Ein weiteres Reisebuch initiierte Hermann Conring (1606–1681), ein Professor für Naturphilosophie, Medizin und Politik an der Universität Helmstedt. Sein Student Detlev von Brockdorff veröffentlichte die unter Conrings Anweisung verfasste Dissertation Disquisitio politica de prudentia peregrinandi (Eine politikwissenschaftliche Untersuchung über die Reisekunst) 1663. Die in dieser Ausstellung gezeigte Edition ist aus dem Jahr 1677 (Helmstedt). Der Autor betont den Nutzen des Reisens für den Staatsdienst und empfiehlt insbesondere das Erlernen der Fremdsprachen. Das Reisehandbuch Itinerarium Galliae (Eine Wegbeschreibung Frankreichs) von Justus Zinserling (oder mit seinem lateinischen Namen Jodocus Sincerus, 1580 bis ca. 1620) erschien 1616 und wurde mehrmals neu aufgelegt (hier die Auflage von 1627, Genf). Zinserling richtete seine Schrift vor allem an junge Adelige, die vorhatten, eine Bildungsreise nach Frankreich zu unternehmen. Der Verfasser empfiehlt einen dreijährigen Aufenthalt in Frankreich, um die französische Sprache und höfische Künste zu erlernen.
Die erneuten Auflagen der Bücher zeigen, dass man sich – wie heute auch – bewusst mit den Sitten und Gebräuchen anderer Länder auseinandersetzte.