"Protestanten sind Teil der einen weltumfassenden Kirche"
Evangelisch-lutherische Theologen weisen katholische und orthodoxe Auffassungen zurück
Evangelisch-lutherische Theologen aus aller Welt sind auf einer Tagung in Münster der katholischen und orthodoxen Auffassung entgegengetreten, Protestanten seien nicht „im Vollsinn“ Teil der einen umfassenden Kirche. „Im Gottesdienst, in der Diakonie und in der Mission wissen sich die protestantischen Gemeinden überall auf der Welt miteinander und mit den Ursprüngen der Kirche verbunden“, sagte der Theologe Prof. Dr. Hans-Peter Großhans zum Abschluss der Veranstaltung. Um über das Selbstverständnis der lutherischen Kirchen zu diskutieren, hatte der Wissenschaftler des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) 16 evangelisch-lutherische Theologinnen und Theologen von vier Kontinenten zur Tagung „Lutheran Ecclesiology“ eingeladen.
Für die Einheit der protestantischen Kirchen sind nach den Worten von Großhans weder ein „starres Lehrsystem“ noch eine „hierarchische Einheitsorganisation“ erforderlich, notwendig sei hingegen eine „globale theologische Kommunikation“. Der akademischen Theologie an den Universitäten komme dabei eine besondere Rolle zu. Die evangelisch-lutherischen Kirchen beweisen dem Wissenschaftler zufolge, „dass Religion nicht nur Traditionen bewahren, sondern sich fortentwickeln und sogar reformieren kann“. Die lutherische Lehre werde heute nicht mehr nur in Europa, sondern auch in anderen Teilen der Welt in Auseinandersetzung mit der jeweiligen Kultur fortgeschrieben, sagte der Theologe. Die Tagung habe gezeigt, dass gerade europäische Theologinnen und Theologen wertvolle Anregungen von ihren Kollegen von der südlichen Hemisphäre erhielten.
Deutliche Kritik äußerten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung an der Rolle der Frauen in anderen Religionsgemeinschaften und christlichen Kirchen. „Frauen von Ämtern und Handlungen auszuschließen, ist für viele evangelisch-lutherische Kirchen eine nicht zu akzeptierende Diskriminierung und ein großes Hindernis für die Ökumene“, betonte Großhans.
Veranstalter der Tagung waren das Institut für Ökumenische Theologie und das Seminar für Systematische Theologie der Evangelisch-Theologischen Fakultät der WWU in Zusammenarbeit mit dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“ sowie der „Lutheran World Federation“. (arn)
Prof. Dr. Hans-Peter Großhans leitet am Exzellenzcluster das Projekt C 16 „Religiöse Pluralität und interreligiöse Transformationsprozesse im Pancasila-Staat: Islam und Christentum in Indonesien“.