Als Teilfacette der professionellen Kompetenz einer Lehrkraft gilt das pädagogisch-psychologische Wissen und damit das Wissen über eine effektive Klassenführung (Baumert & Kunter 2011). Eine effektive Klassenführung gilt als fächerübergreifende Voraussetzung für kognitive Aktivierung von Schülerinnen und Schülern (Klieme, Schümer & Knoll 2001) und hat sowohl einen positiven Einfluss auf die Leistungen dieser (Hattie 2009, Seidel & Shavelson 2007) als auch auf das Wohlbefinden der Lehrperson (Klusmann et al. 2012). Ziel einer effektiven Klassenführung ist die Maximierung der echten Lernzeit für alle Lernenden (Kiel 2007, Helmke 2004). Damit eine Lehrperson in der Komplexität des unterrichtlichen Geschehens klassenführungseffektiv handeln kann, sind über das Wissen einer effektiven Klassenführung hinaus die situationsspezifischen Handlungsfähigkeiten der Lehrperson gefragt.
In der Debatte um die professionelle Kompetenz von Lehrpersonen tritt zunehmend die Anbahnung dieser situationsspezifischen Handlungsfähigkeiten in konkreten unterrichtlichen Situationen in den Vordergrund (KMK 2014).
Als Grundlage für situationsspezifisches Handeln gilt die professionelle Unterrichtswahrnehmung – die Fähigkeit, lernrelevante Unterrichtsereignisse erkennen, wissensbasiert interpretieren und bewerten zu können, um angemessene Handlungsoptionen für den weiteren Unterrichtsablauf entwickeln zu können (Seidel & Stürmer 2014, Schwindt et al. 2009, Sherin 2007). Um die professionelle Unterrichtswahrnehmung bereits bei angehenden Lehrkräften anzubahnen, findet die Arbeit mit authentischen Unterrichtsvideos in der universitären Lehre vermehrt Anwendung. Erste empirische Studien belegen eine positive Wirkung videobasierter Lehre auf die Anbahnung einer professionellen Unterrichtswahrnehmung Studierender (Gold, Hellermann & Holodynski 2017, Santagata & Guarino 2011, Seidel et. al 2011). Dabei wird neben dem Potenzial von Fremdvideos auch eine Chance in der Analyse von eigenen Unterrichtsvideos Studierender zur Förderung ihrer professionellen Unterrichtswahrnehmung gesehen (Gold, Hellermann & Holodynski 2017).
Im Rahmen des Einzelprojekts „Berufliche Bildung“ wird daher der Frage nachgegangen, inwiefern die professionelle Unterrichtswahrnehmung von Studierenden im Praxissemester hinsichtlich der Klassenführung durch die Analyse von Eigenvideos gefördert werden kann. Ferner wird untersucht, inwiefern sich die Entwicklung einer professionellen Unterrichtswahrnehmung Studierender, die ihre eigenen Videos analysieren, von denjenigen unterscheidet, die ausschließlich mit Fremdvideos arbeiten. Innerhalb der Begleitveranstaltungen zum Praxissemester werden die Studierenden in den theoretischen Bezugsrahmen der Klassenführung sowie der professionellen Unterrichtswahrnehmung eingeführt. Erste Übungen in der Analyse von Fremdvideos finden statt, bevor die eigenen Unterrichtsvideos aufgezeichnet und von den Studierenden hinsichtlich klassenführungsrelevanter Unterrichtsereignisse analysiert werden.