• 1. Grundsätzliches

  • 2. Der höfische Reimpaarvers

  • 3. Strophik
  • 3.1 Die Reimpaarstrophe (Reichston)
  • 3.2 Exkurs: Metrik und Zahlen
  • 3.3 Die Reienstrophe (Neidhart SL 3)
  • 3.4 Die Kanzone (Neidhart WL 1)
  • 3.5 Reimformen
  • 3.5.1 Reinheit
  • 3.5.2 Umfang
  • 3.5.3 Stellung
  • 3.6 Daktylische Strophen (Morungen L1)
  • 3.7 Die Kürenbergerstrophe
  • 3.8 Epische Strophen
  • 3.9 Weitere Übungen

  • 4. Der Leich
  • 3.5.2 Unterscheidung von Reimen nach ihrem Umfang:
    die Silbenanzahl des Reimes

    Die Bewertung der klanglichen Qualität von Reimen hängt eng zusammen mit quantitativen Gegebenheiten. Zu untersuchen ist, wieviele phonologisch übereinstimmende Reim- bzw. Hebungssilben in einem Reim zu finden sind. Im Normalfall fällt die Beschreibung des Umfanges eines Reimes auf die Benennung der unterschiedlichen Kadenztypen zurück (also die Länge des Reims vom Ende einer Verszeile her gesehen). Der im vorhergehenden Abschnitt erwähnte Endsilbenreim (z.B. mhd. vuhten : brêchen) kann zwar als eine Kürzestvariante des Reims angesehen werden, jedoch reimen hier keine Betonungssilben, sondern nur unbetonte Silben. Insgesamt ist der Endsilbenreim eher ein Phänomen der "vorklassischen Zeit".

    Für die Metrik der mittelhochdeutschen Klassik um 1200 gilt, wie bereits erwähnt, der reine Reim als Maßstab. Daher ist die kürzeste zu messende Reimeinheit die einzelne Betonungssilbe einer männlich einsilbigen Kadenz (männlicher Reim, z.B. strît : sît). Zweisilbige Reime ergeben sich bei weiblichen (weiblicher Reim, z.B. óugen : tóugen), klingenden (óugèn : tóugèn) und männlich zweisilbigen Kadenzen (níder : wíder). Dreisilbige reine Reime treten bei dreisilbig klingenden Kadenzen auf (lébendè : gébendè). Reimen zwei kurze, hintereinander stehende Wörter mit einem einzigen langen Wort im gleichen Versmaß, liegt ein gespaltener Reim vor (z.B. kristenheit : kristen streit).

    Beim Vorreim reimt oder assoniert auch die unbetonte Silbe vor der betonten Reimsilbe, also zum Beispiel ein Präfix oder die Endsilbe des vorangehenden Wortes (z.B. geschách : gemách bzw. erkánt : über wánt). Der Vorreim kann mit allen Kadenztypen kombiniert werden.

    Reimt nicht nur die unbetonte Silbe vor der Kadenz, sondern auch die davorliegende betonte Silbe oder reimen sogar ganze Wortgruppen, so spricht man vom sog. erweiterten bzw. reichen Reim (in êre bernder blüete : mit iemer wernder güete).

     

    Betrachten Sie nun die folgende, in sog. mhd. Daktylen gedichtete Strophe Heinrichs von Morungen (die Betonungssilben sind markiert) und versuchen Sie, darin einige der oben beschriebenen Reimtypen zu identifizieren. Erklärende Hinweise finden Sie, wenn Sie unten auf "Erläuterung" klicken:

    	 o                   o             o              o           
    	Si ist ze allen êren ein wîp wol erkant,
    	      o             o                o              o  
    	schoener gebaerde, mit zühten gemeit,
    	 o            o               o                 o  
    	sô daz ir lop in dem rîchẹ umbe gêt.
    	 o             o            o              o  
    	alse der mân wol verrẹ über lant
    	 o                o               o                o
    5	liuhtet des nahtes wol lieht unde breit,
    	 o                  o              o             o
    	sô daz sîn schîn al die welt umbevêt,
    	 o                o               o                   o
    	Als ist mit güetẹ umbevangen diu schône.
    	  o              o
    	des man ir jêt,
    	 o               o             o
    	si ist aller wîbe ein krône.

    (Heinrich von Morungen, Lied 1. In: H. Moser, H. Tervooren: Des Minnesangs Frühling. 38. erneut revidierte Auflage mit neuem Anhang. Stuttgart 1988. S. 236. Mehr zu diesem Text finden Sie unter Kap. 3.6 'Daktylische Strophen')

    Erläuterung

     







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