Im August 1423 fasste der Rat der Stadt Köln den Beschluss, die zu dieser Zeit mit einer Unterbrechung bereits seit der Mitte des 13. Jahrhunderts gewährte Aufenthaltsgenehmigung für Juden und Jüdinnen in Köln nicht mehr zu verlängern. Der jüdischen Gemeinde Kölns sollte nur ein Jahr Zeit bleiben, um ihre Habe vor Ort zu verkaufen und einen neuen Lebensmittelpunkt für sich und ihre Familien zu finden. Ihr Auszug bedeutete das Ende jüdischer dauerhafter Ansiedlung in Köln für die nächsten fast vier Jahrhunderte. Über diese Entscheidung mit Zäsurcharakter informiert uns heute nur noch ein knappes Beschlussprotokoll, das weder Begründung noch Stimmenverhältnisse dokumentiert. Acht Jahre später jedoch fühlte sich der Stadtrat befleißigt, seine Gründe für die Vertreibung in einem Brief an Sigismund, den königlichen Stadtherrn und damit obersten Schutzherrn der Kölner jüdischen Gemeinde, darzulegen. Unter anderem führen die Kölner ins Feld, dass sie mit ihrer Entscheidung nicht alleine standen, sondern dass auch andere Mächte, sogar Kurfürsten, Juden und Jüdinnen aus ihren Herrschaftsgebieten vertrieben hatten.
Ziel der Ringvorlesung ist es, ausgehend von den Kölner Ereignissen der Jahre 1423/24, die große Zahl an durch die Obrigkeiten veranlassten Vertreibungen zu thematisieren, die im deutschen Sprachraum ab dem späten 14. Jahrhundert, im europäischen Kontext, etwa in Frankreich sogar schon früher, wie eine Welle über Süd- und Mitteleuropa liefen. Neben den Motiven für den wachsenden Judenhass sollen auch die massiven Auswirkungen für die jüdischen Menschen in den Blick genommen werden. Für die Vorträge konnten bundesweit renommierte Forscherinnen und Forscher verschiedener Disziplinen gewonnen werden. Ein abschließender Vortrag der österreichischen Historikerin und Leiterin des Jüdischen Museums Wien, Barbara Staudinger, wird nach der Präsenz des mittelalterlichen Anti-Judaismus in unserer Gegenwart fragen.