DaF-Tutorium am Lehrstuhl für deutsche Philologie der Nationalen Universität Usbekistans in Taschkent
Erste Kontakte mit Usbekistan, einem Land, das kaum jemand aus meinem Familien- und Freundeskreis überhaupt dem Namen nach kannte, konnte ich durch meine SHK–Tätigkeit am ehemaligen Lehrstuhl von Prof. Tomasek knüpfen, über seine Mitarbeiter und Hilfskräfte, die bereits dort unterrichtet hatten, ebenso wie durch Deutsch-Usbekische Abende, an denen ehemalige Praktikanten in geselliger Runde ihre Erlebnisse und Erfahrungen aus Usbekistan vorgestellt hatten.
Mein eigenes Interesse, ein Praktikum an der Nationalen Universität Usbekistans (NUUz) zu absolvieren, erwachte schließlich durch die Übernahme eigener (kleinerer) Lehrtätigkeiten an der Uni Münster als Tutor im Bereich der germanistischen Literaturwissenschaft und dem Wunsch, während dieses Praktikums nicht nur weitere Lehrerfahrungen in einer mir bis dahin unbekannten Umgebung zu sammeln, überhaupt Erfahrungen im Bereich Deutsch als Fremdsprache (DaF) zu gewinnen, sondern auch meine inter- und transkulturellen Kompetenzen zu erweitern, das Auftreten vor Gruppen und den Umgang mit verschiedenen Medienformen zu üben, somit zusätzlich zu meinem Master of Arts-Studiengang vorhandene Kompetenzen zu vertiefen und neue zu erwerben – und als passionierter Hobby-Schneider wollte ich natürlich auch die Städte der alten Seidenstraße besuchen.
Ermöglicht wurde mir das Praktikum finanziell durch das Mobilitätsprogramm PROMOS, über welches der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) kürzere Auslandsaufenthalte Studierender fördert, ebenso wie durch die kostenlose Unterbringung in einem usbekischen Studentenwohnheim durch die NUUz, was zu einem intensiven Austausch mit den usbekischen Studierenden auch außerhalb der Unterrichtszeiten führte. Nicht zuletzt konnte ich in einem Vorbereitungsseminar und auch während des Aufenthalts jederzeit auf die tatkräftige Unterstützung der Praktikumsbeauftragten Kordula Schulze zählen.
Am Germanistischen Lehrstuhl der NUUz unterrichtete ich die Bachelorstudierenden der Gruppe 209 und 310. Gruppen sind vergleichbar mit Klassen, so dass – anders als bei uns – die Studierenden nicht in jeder Veranstaltung auf andere Mitstudierende treffen, sondern gemeinsam alle Veranstaltungen belegen. Der Unterricht an der NUUz erinnert auch dadurch an Schulunterricht, weil die Studierenden neben Veranstaltungen aus dem Bereich DaF noch Fächer wie Mathematik, Philosophie, Sport u. a. besuchen. Die Studierenden werden in Gruppen eingeteilt zum einen abhängig von ihrem Studienjahr; die Hunderterstelle der Gruppennummer gibt das Studienjahr an. Die Studierenden der Gruppe 310 befinden sich also in ihrem dritten Studienjahr, Gruppe 209 in ihrem zweiten. Das Bachelorstudium in Usbekistan dauert vier Jahre. Zum anderen werden sie in Gruppen unterteilt, ob sie im Russischen oder Usbekischen stärker sind: X09 steht für eine russische Gruppe, X10 für eine usbekische.
Die Themen für Gruppe 310 folgten dem akademischen Curriculum und waren damit Bewerbung und Liebe; bei der Ausarbeitung und Aufbereitung dieser Themen war ich frei, wobei mir zur Orientierung das Arbeitsbuch „em neu Hauptkurs“ zur Verfügung gestellt wurde. Für Gruppe 209 wurden mir keine Vorgaben gegeben, so dass ich den Unterricht für diese Gruppe vollkommen frei und teilnehmerorientiert aufbauen konnte.
Wöchentlich habe ich zwei Mal Gruppe 310 unterrichtet und einmal Gruppe 209.Der Unterricht erfolgt in Doppelstunden zu 80 Minuten; dazwischen gibt es 10 Minuten Pause. Es mag nach wenigen Stunden klingen, doch mit den Vorbereitungen für den Unterricht und weiteren Terminen war jede Woche gut ausgefüllt und man darf bei diesem Praktikum wirklich nicht Urlaub denken. Im Unterricht legte ich einen Schwerpunkt auf den Primat des Mündlichen, so dass ich Lese- und Schreibaufgaben stärker auf die Hausaufgaben verlagert habe.
Beim Unterricht von Gruppe 310 war es mir wichtig, induktiv und anwendungsorientiert mit den Studierenden Strukturen und Formulierungen eines Bewerbungsverfahrens zu erarbeiten (Stellenanzeige, Bewerbungsschreiben, Motivationsschreiben, Lebenslauf, Vorstellungsgespräch). Da ich diese Gruppe zwei Mal die Woche unterrichtete, ergab sich die Gelegenheit, intensiver mit ihnen die verschiedenen Themenbereiche zu erarbeiten, Optimierungshinweise in der nächsten Unterrichtseinheit zu geben als auch meinen Unterricht kritisch zu reflektieren.
Ohne curriculare Vorgaben für Gruppe 209 habe ich den Unterricht stark teilnehmerorientiert aufgebaut, um so verstärkt auf die Wünsche der Studierenden einzugehen und somit ihr Interesse an der deutschen Sprache weiter zu fördern. So eröffnete ich den Unterricht mit deutschen Redewendungen und Sprichwörtern, die man „immer mal nett“ einbauen kann, stellte berühmte Deutsche vor (so konnte ich ihnen zeitnah zum Wechsel des Bundespräsidenten mit Frank-Walter Steinmeier vorstellen). Anhand von Liedern und des anschließenden Vergleichs der Erwartungen, welche die Texte weckten, mit den Musikvideos arbeiteten wir uns in die Textanalyse und -interpretation ein – sie sind wirklich sehr interessiert an aktueller deutscher Musik. Bei allen diesen verschiedenen Themengebieten motivierte ich die Studierenden insbesondere zum freien Sprechen und dazu, in deutscher Sprache zu argumentieren und zu diskutieren. Durch eine Vertretungsstunde, die ich kurzfristig übernahm, hatte ich in der letzten Woche zwei Doppelstunden hintereinander mit Gruppe 209, so dass sich abschließend noch die Gelegenheit bot, mit einer Folge „Tatort Münster“ und einer anschließenden Filmanalyse das Praktikum angenehm ausklingen zu lassen – und den Studierenden damit eine Folge dieser Serie zu zeigen, von der sie schon viel gehört, aber bis zu dieser Unterrichtseinheit noch nichts gesehen hatten.
Zusätzlich zur Praktikumstätigkeit an der NUUz wirkte ich auch aktiv beim Ausbau der Praktikumskooperation mit, indem ich auch an der Smart School unterrichtete, einer privaten Ganztagsschule, in welcher Russisch die Unterrichtssprache ist. Der Bau der Schule begann erst im April 2016, eröffnet wurde sie im September desselben Jahres; das monatliche Schulgeld beläuft sich auf etwa 300 USD. Wir auch an der NUUz ist man hier sehr an deutschen Muttersprachlern für den DaF-Unterricht interessiert. Unterrichtet werden die Jahrgangsstufen eins bis neun. Ich unterrichtete in den Stufen zwei bis fünf und konnte somit neben der Tätigkeit an der NUUz weitere wichtige Erfahrungen in einem neuen Unterrichtsfeld sammeln.
Wie im Vorbereitungsseminar und von den früheren Praktikanten vermittelt, waren die Studierenden sehr aufnahmewillig und arbeiteten intensiv mit, so dass wir manches Mal schon den Stoff, den ich für zwei Unterrichtseinheiten vorbereitet hatte, bereits in einer erarbeitet hatten. Während des Praktikums bot sich mir die Möglichkeit, viele verschiedene Themen mit den Studierenden zu erarbeiten, was mir in der Vorbereitung sowohl Spaß gemacht als auch meine Kompetenzen erweitert hat, mich in verschiedene Themenbereiche einzuarbeiten und diese systematisch zur Vermittlung aufzubereiten.
Auch konnte ich meine Lehrkompetenzen hinsichtlich der verschiedenen Sozialformen und des Wechsels zwischen ihnen während des Unterrichts (Plenum, Frontalunterricht, Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit) und verschiedener Arten von Aufgaben und Übungen erweitern. Diese neu gewonnenen Kompetenzen konnte ich gleich im Unterricht anwenden und erproben, um so eine Binnendifferenzierung in den heterogenen Gruppenkonstellationen durchzuführen und somit alle Studierenden zu aktivieren.
Der kulturelle Austausch entstand nicht alleine durch den Unterricht und die Unterbringungen in einem usbekischen Studentenwohnheim, so dass es auch außerhalb der Unterrichtszeiten zu einem regen Kontakt mit den usbekischen Studierenden kam, sondern auch durch Besichtigungen der Hauptstadt Taschkent, mehrfach begleitet von usbekischen Studierenden, und Ausflügen am Wochenende, an denen ich die berühmten Städte der Seidenstraße besuchte: Chiwa, Samarkand und Buchara. Während meiner Zeit dort konnte ich viele kulturelle Ereignisse erleben: ein Navruz-Fest in Samarkand, Veranstaltungen zum Weltfrauentag sowie die Akademische Alisher-Navoiy-Oper besuchen und ein binational ausgerichtetes Jazzfest.
Nachdem die sechs Wochen vergangen waren, kehrte ich mit einem freudigen und einem weinenden Auge nach Deutschland zurück: glücklich, Familie und Freunde sowie meine eigene Studentenbude wiederzusehen; traurig, dieses faszinierende und uns so unbekannte Land mit seinen offenherzigen und gastfreundlichen Menschen verlassen zu müssen. Reicher an Lehr-, Lebens- und kulturellen Erfahrungen kehrte ich nach Deutschland zurück, wobei ich weiß, dass ich in Usbekistan jederzeit wieder willkommen sein werde, so dass ich bereits darüber nachdenke, im Rahmen einer neuen Lehrtätigkeit dorthin zurückzureisen.