ITALIEN - DaF-Praktikum an der Universität Turin
Als ich bei mir an der Universität Münster von der Möglichkeit hörte, ein dreimonatiges Praktikum in Italien absolvieren zu können, dachte ich direkt: das will ich machen. Italien - das Land, die Leute, das Wetter, die Küche und dieses einmalige Lebensgefühl. Ich sah mich schon auf einer Vespa durch enge Gassen fahren, neben mir das Meer über mir die Sonne.
Ich sprach mit der Dozentin, die sich um die Kooperation zwischen unserer Universität und der Universität Turin kümmerte, an der das Praktikum stattfinden sollte. Turin? Davon hatte ich allenfalls einmal in einem Nebensatz gehört. Eine richtige Vorstellung hatte ich von der Stadt nicht. Egal, ich bewarb mich bei der Dozentin mit den erforderlichen Unterlagen. Immatrikulationsbescheinigung, Motivationsschreiben, etc. Ich studierte zwar weder ein Fach auf Lehramt, noch Deutsch als Fremdsprache, sondern Linguistik und hatte zu dem Zeitpunkt noch keine Erfahrung im Unterrichten gehabt, allerdings war ich zuversichtlich, dass meine Kenntnisse über die deutsche Sprache aus meinen Jahren als Linguistikstudentin und die Tatsache, dass Deutsch meine Muttersprache war, mir sicher weiterhelfen würden.
Blieb noch die Frage der Finanzierung. Das Praktikum war nicht vergütet und das Leben in Italien nicht gerade preiswert. Meine Dozentin riet mir, mich beim Career Service um eine finanzielle Unterstützung zu bewerben. Das tat ich und nach einigen Monaten hatte ich nicht nur die Zusage für die Praktikumsstelle, sondern auch die für die Unterstützung durch den Career Service. 400 Euro pro Monat. Damit konnte ich gut eine Unterkunft bezahlen.
Also suchte ich online nach Zimmern und ergatterte eines in einem Wohnheim, direkt um die Ecke des Fremdspracheninstituts, in dem meine zukünftige Professorin und die Kollegen und Kolleginnen ihr Büro hatten. Ich beeilte mich in den folgenden Monaten in Münster meine Masterarbeit fertig zu schreiben und freute mich schon sehr auf den anschließenden Tapetenwechsel. Mitte September stieg ich dann endlich in den Flieger und sah kurz darauf zum ersten Mal die norditalienische Stadt Turin. Ich war sofort begeistert.
In den ersten drei Tagen lebte ich mich schnell gut ein. Ich lernte andere Studierende aus dem Wohnheim kennen und erkundete die Stadt. Turin war, was die Bevölkerung anging, eine junge Stadt. Zwei große Universitäten waren der Grund für eine Vielzahl junger Leute, die das Stadtbild zierten. Hinzu kamen die alten Gebäude, Plätze und Paläste, die den Charme Italiens ausmachen – zumindest für mich. Unter den Bögen der Arkaden war zu jeder Tages-und Nachtzeit ein wahnsinniges Gewusel von Leuten. Gerade bei schönem Wetter hielt es wenige drinnen und man traf sich in den Bars und Eiscafés der Stadt. In Turin fühlte ich mich also augenblicklich zu Hause. Doch wie würde es wohl auf der Arbeit sein? Als ich zwei, drei Tage nach meiner Ankunft zum ersten Mal mein neues Kollegium treffen sollte, war ich ein klein wenig nervös, wusste ich ja nicht, wie man hier mit Praktikantinnen umgehen würde. Aber als ich freundlich und offenherzig in Empfang genommen wurde, fühlte ich mich direkt wohl. Das Team um Professoressa Costa war besonders nett und aufgeschlossen und sie behandelten mich vom ersten Tag an wie eine neue Kollegin. Mir wurden die Arbeitsabläufe erklärt, die Gebäude gezeigt, in denen der Unterricht stattfinden sollte und ich war auch dabei, als besprochen wurde, wer an welchen Tagen welche Kurse unterrichten würde. Ich durfte selber entscheiden, in welchen Kursen ich hospitieren wollte und entschied mich dazu, einmal der Kollegin zur Seite zu stehen, die die Anfänger in Deutsch unterreichten würde (Bachelorkurs erstes Jahr) und einmal der Kollegin, die die erfahrenen Studierenden unterrichten würde (Master zweites Jahr). Ich fand, das war ein guter Mix um zu lernen, wie man Deutsch in unterschiedlichen Niveaustufen unterrichtete.
Da das Semester allerdings erst im Oktober starten sollte, war vor Unterrichtsbeginn noch Zeit, um die mündlichen Prüfungen aus dem letzten Semester abzunehmen und bei Klausuren Aufsicht zu führen. Ich saß bei vielen mündlichen Prüfungen als Beisitzerin dabei und lernte von meinen Kolleginnen und Kollegen, was von welcher Jahrgangsstufe erwartet wurde. Es freute mich sehr, als auch nach meiner Meinung bei der Notenbesprechung gefragt wurde.
Ich fühlte mich jeden Tag mehr angekommen in Turin und im Kollegium und war gespannt auf die ersten Unterrichtsstunden bei den Bachelor- und Masterstudenten mit meinen Kolleginnen Frau Eberl und Frau Berger. Ich war überrascht, wie viele junge Leute Deutsch studieren wollten. Allein in unserem Anfängerkurs saßen mehr als 50 Studierende – und wir waren nicht der einzige Kurs. Da die Studierenden jedoch so motiviert bei der Sache waren und meine Kolleginnen so kreativ und mit so vielen Ideen und aktuellen Themen den Unterricht vorbereiteten, flogen die Stunden nur so dahin. Ich lernte, wie man unterschiedliche Medien im Unterricht einsetzte, wie man Spiele vorbereitete, mit denen es den Studierenden mehr Spaß brachte die Grammatik zu lernen, wie man alle Leute im Kurs zu Wort kommen lassen konnte und wie man auch schwierige Themen verständlich vermittelte. Ich hatte zuvor nie darüber nachgedacht, möglicherweise einmal als Lehrerin arbeiten zu können. Nun ist dieser Beruf durchaus denkbar für mich.
Ich habe in den drei Monaten wirklich viel über das Unterrichten von Deutsch als Fremdsprache gelernt. Ich hatte das Gefühl, auch immer einen guten Draht zu den Studierenden zu haben. Das lag bestimmt auch daran, dass wir vom Alter her nicht sehr weit auseinander waren.
Neben der Hospitation in den Kursen und der Mitarbeit bei Prüfungen und Korrekturen von Tests und Hausaufgaben, konnte ich ebenfalls ein paar Sitzungen in einer Linguistikvorlesung halten (über das Schreiben von wissenschaftlichen Arbeiten) sowie eine eigene Sprechstunde anbieten. Letzteres freute mich besonders. Ich fand es großartig, dass mir die Möglichkeit gegeben und das Vertrauen entgegen gebracht wurde, selbstständig mit den Studierenden arbeiten zu können, ihnen bei Fragen und Aufgaben zu helfen und bei Problemen zur Seite zu stehen. Auch im Unterricht förderten meine Kolleginnen stets meine eigenen Ideen und ermutigten mich dazu, selbstständig Teile des Unterrichts zu planen und zu gestalten. Ich denke, diese Förderung ist eines der Hauptcharakteristika meines Praktikums in Turin gewesen. Ich wurde nicht nur irgendwie beschäftigt, sondern, ganz im Gegenteil, ich wurde vollständig ins Team und in den Arbeitsalltag integriert. Meine Meinung war gefragt und ich konnte jederzeit Fragen stellen und Tipps und Rückmeldungen erhalten. Von Anfang an trugen alle zu einem Umfeld bei, in dem ich ganz selbstverständlich verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen konnte und in dem ich mich nützlich und hilfreich fühlte. Professoressa Costa, Frau Eberl, Frau Berger und all die anderen Kolleginnen und Kollegen waren großartig und ich kann jedem, der sich für eben dieses Praktikum in Turin entscheidet versprechen, dass er oder sie in diesem Team offen und freundlich aufgenommen werden wird.
Es fiel mir daher am Ende meines Praktikums recht schwer, wieder nach Hause zu fliegen. Nicht nur während des Arbeitstages hatte ich eine schöne Zeit, sondern auch in meiner Freizeit. Ich belegte über das ERASMUS-Büro einen Sprachkurs, um meine Italienischkenntnisse zu bessern, lernte eine nette Tandemparterin kennen, erkundete an den Wochenende die vielfältige Landschaft Italiens und unternahm ebenfalls viel mit den anderen Bewohnern des Wohnheims.
Aber jede schöne Zeit hat auch einmal ein Ende. Was bleibt sind die großartigen Erfahrungen die ich machen durfte, die Freundschaften, die ich in Turin schließen konnte und die Verbundenheit mit dem schönen Italien, in das ich schon ganz bald einmal zurück-kehren möchte.