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Erbdrostenhof

Der Erbdrostenhof ist der größte und prächtigste von Münsters adligen Wohnhöfen. Adolf Heidenreich Freiherr Droste zu Vischering (1715-1776) ließ ihn zwischen 1753 und 1757 nach Plänen von Johann Conrad Schlaun (1695–1773) errichten. Schlaun gelang es durch geschickte diagonale Platzierung des Gebäudes auf dem vergleichsweise kleinen Eckgrundstück, eine großzügige und repräsentative Wirkung zu erzielen. Damit verlieh er dem ständischen Ranganspruch der Droste zu Vischering Ausdruck, die seit dem Mittelalter das erbliche Amt des Drosten innehatten, also der bischöflichen Hofverwaltung vorstanden. Im Innern des Barockbaus waren ursprünglich vier Appartements untergebracht. Neben der Nutzung durch die Bauherrenfamilie logierten hier zeitweise auch hohe Militärs und Diplomaten. Nach schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde der Erbdrostenhof nach 1945 originalgetreu wiederaufgebaut.

So wie die Droste zu Vischerings zog es seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts viele Familien des landsässigen Adels aus dem Fürstbistums in die Stadt Münster. Hier lockte der fürstbischöfliche Hof mit der Vergabe von Hof- und Verwaltungsämtern aber auch als kulturelles Zentrum und Ort der Darstellung des eigenen sozialen Status. Hinzu kam, dass die Landtage als wichtigstes Gremium ständischer Mitsprache im Fürstbistum seit dem 16. Jahrhunderts nur noch selten auf dem Laerbrock, und stattdessen im Fürstenhof in Münster abgehalten wurden. Viele der stiftsadligen Familien erwarben daher zusammenhängende Grundstücke in der Stadt, auf denen sie repräsentative Wohnhöfe errichteten, die ihnen vor allem in den Herbst- und Wintermonaten als Residenz dienten. Die sich in Münster wie in anderen Städten vollziehende Entwicklung von der relativ autonomen Bürgerstadt hin zur barocken Residenzstadt wurde so im Stadtbild deutlich sichtbar.

Der Erbdrostenhof vor seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg auf einer Postkarte von 1928
© Stadtmuseum Münster / Urheber unbekannt

Für den Rat brachte die zunehmende Präsenz des Adels eine ganze Reihe rechtlicher Probleme mit sich, wie Marcus Weidner gezeigt hat. Die Privilegien, die der Adel als Stand seit dem Mittelalter genoss und nun auch auf seinen neuen Lebensbereich zu übertragen gedachte, standen der genossenschaftlichen Organisationsform der Stadt deutlich entgegen. Dem Rat war daher daran gelegen, die adligen Neuankömmlinge zu Bürgern zu machen und sie so dem städtischen Recht zu unterwerfen. Mit der Verleihung des Bürgerrechts waren dabei nicht nur ein Schutzversprechen und die Möglichkeit der Teilhabe am politischen und wirtschaftlichen Leben der Stadt verbunden, sondern auch die Übernahme bestimmter Dienste und Pflichten sowie die Heranziehung zum städtischen Steueraufkommen. Dagegen stand das ständische Selbstverständnis des Adels, das es ihm unmöglich machte, sich in die städtische Gemeinschaft zu integrieren und damit seinen herausgehobenen sozialen und rechtlichen Status aufs Spiel zu setzen. Zur Aufnahme Adliger in die Bürgerschaft kam es daher nur in Ausnahmefällen.

Im Unterschied zu den Realfreiheiten der Immunitäten waren die rechtlichen Privilegien des Adels ortsunabhängig und an die Person gebunden, dabei aber vererbbar. Neben der grundsätzlichen Steuerbefreiung war für den Adel vor allem das Privileg eines eigenen Gerichtsstands zentral: Im Gegensatz zu Bürgern konnten Adlige, auch dann, wenn sie in der Stadt lebten, nicht vor einem städtischen Gericht beklagt werden, sondern nur vor dem weltlichen oder geistlichen Hofgericht des Fürsten. Ausnahmen bildeten Nachbarschaftskonflikte mit adliger Beteiligung, die vor dem Ratsgericht ausgetragen wurden.

Der Sendensche Hof in der Königsstraße
© KHK EViR/Lennart Pieper

Die Adelshöfe bildeten somit – zumindest während der tatsächlichen Anwesenheit ihrer adligen Bewohnerinnen und Bewohner – Sonderrechtsbereiche innerhalb der Stadt. Bereits seit dem 16. Jahrhundert trachtete der Rat danach, adlige Freiheiten zu beschneiden und den innerstädtischen Rechtsraum auf diese Weise zu vereinheitlichen, was naturgemäß zu Konflikten führte. Dagegen versuchten die Adligen, ihre personalen Rechts- und Steuerprivilegien auf ihre Höfe zu übertragen und so in Realfreiheiten umzuwandeln oder sogar auf weitere städtische Immobilien in ihrem Besitz auszuweiten. 1683 brachte ein landesherrliches Edikt eine gewisse Rechtssicherheit, indem es die sogenannten Personalbefreiten in vier Klassen abgestufter Freiheitsrechte einteilte. Die vom Rat erhoffte Beschneidung adliger Steuerprivilegien ging damit allerdings nicht einher, sondern erfolgte erst im 19. Jahrhundert.

Die meisten Adelshöfe haben die Zeiten nicht überdauert. Neben dem Erbdrostenhof existieren aber bis heute eine Reihe weiterer Zeugnisse adliger Bautätigkeit und Prachtentfaltung wie der Sendensche Hof und der Heereman‘sche Hof in der Königsstraße oder der Landsberger Hof in der Pferdegasse. Ihre rechtliche Bedeutung haben sie indes längst verloren.

Lennart Pieper

 

Zum Weiterlesen

Katharina Krause: Sichtbar und sicher. Wohnhöfe des Adels in Münster in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Baden-Baden 2018.

Marcus Weidner: Landadel in Münster 1600-1760. Stadtverfassung, Standesbehauptung und Fürstenhof, Münster 2000.