Weltliche Immunitäten in Münster
Innerhalb der Stadt behielten bestimmte Areale ihren älteren Rechtsstatus und entwickelten sich im Laufe des Mittelalters zu Immunitäten. Damit unterlagen sie nicht der städtischen Gerichtsbarkeit und waren von städtischen Steuern und Abgaben sowie Wachdiensten befreit. In Notlagen, so etwa angesichts der enormen finanziellen Belastungen am Ende des Dreißigjährigen Krieges, kam es allerdings zur Aussetzung derartiger Befreiungen, d.h., auch die Bewohner:innen der Immunitäten wurden zu Wachdiensten auf den Befestigungsanlagen herangezogen und mussten Sondersteuern zahlen. Allerdings waren solche Einschnitte in die Privilegien immer nur von kurzer Dauer.
Parallel zu den geistlichen Immunitäten gab es in Münster vier weltliche. Ihre Privilegierung war historisch gewachsen und speiste sich aus unterschiedlichen Quellen.
Bispinghof
Die größte und bedeutendste unter ihnen war der sog. Bispinghof (früher auch Bischopinkshof), eine Immunität im südlichen Teil des Stadtteils Überwasser. Erstmals erwähnt wurde der Hof um das Jahr 1000. Noch heute erinnert ein Straßenname an das Areal. Die Immunität des Bispinghofs geht auf den Status als bischöfliche Ministerialensiedlung zurück, da hier ein Verwalter des Bischofs seinen Sitz hatte. Ursprünglich vor der Stadt gelegen, diente sie der Versorgung und dem Schutz der Domburg. Die Immunitäts- und Besitzrechte des Gebiets blieben erhalten, obwohl die befestigte Anlage bereits 1278 nicht mehr als solche vom Bischof genutzt wurde. Im Jahr 1678 waren auf dem Areal des Bispinghofs 41 Haushaltungen verzeichnet, es ist daher für diese Zeit mit etwa 180 Bewohner:innen zu rechnen.
Im Unterschied zu den anderen weltlichen Immunitäten in Münster gab es für den Bispinghof und seine Bewohner:innen ein eigenes Patrimonialgericht für Zivil-, Fiskal- und niedere Kriminalsachen, allerdings war die Zuständigkeit immer wieder strittig. Das Gericht lag in der Hand der nach dem Areal benannten Erbmännerfamilie Bischopinck.
Steinbrückenmühle
Die drei anderen weltlichen Immunitäten innerhalb der Stadt waren durchweg kleiner als der Bispinghof: Die Steinbrückenmühle lag unmittelbar an der Aa am Übergang von Spiekerhof zu Rosenstraße. Heute erinnert hier nichts mehr an die ehemalige Immunität. Entstanden war auch sie aus einem bischöflichen Lehen. Erstmals erwähnt wurde sie bereits 1186, seit dem frühen 15. Jahrhundert war sie im Besitz der Münsterschen Erbmännerfamilie von der Wyck, die das Areal aber 1728 aus finanziellen Gründen an die Familie von Plettenberg zu Nordkirchen verkaufte.
Kemnade (Steinfurter Hof)
Mit einer Privilegierung durch den Kaiser (und nicht den Bischof) ausgestattet war die sog. Kemnade (Steinfurter Hof) an der Jüdefelderstraße. Schon länger im Besitz der Grafen von Bentheim-Steinfurt, die im 12. und 13. Jahrhundert als Vögte von Überwasser fungierten, gab es immer wieder Streit über die Privilegierung des Hauses und den daran anschließenden Garten. Um ihre Rechte zu schützen, wandte sich die Familie 1414 an den Kaiser und empfing die Kemnade als Annex ihres Reichslehens. Seit dem 16. Jahrhundert verfiel das Anwesen zunehmend, denn die finanziell angespannte Lage des Grafenhauses und anhaltende Konflikte mit dem Fürstbischof verhinderten den Ausbau zu einer angemessenen Stadtresidenz. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Haus schließlich verkauft und vom neuen Besitzer abgerissen.
Haus Bruwering
Auch Haus Bruwering (in der Asche) war eine kaiserlich privilegierte Immunität im Stadtgebiet. Die Ursprünge der Privilegierung sind unsicher. Vermutlich diente das Haus ursprünglich als Gruethaus des Bischofs, als dieser noch das Monopol zum Bierbrauen besaß und eine Abgabe auf die Gruet – eine Bierbraumischung – erhob. Ein Bezug zur Brauerei wird auch im Namen Bruwering gesehen. Allerdings verkaufte der Bischof das Gruetmonopol und damit die Rechte zum Bierbrauen 1278 an die Stadt, seither wird das Areal anderweitig genutzt. Besitzer waren u.a. das Erbmannengeschlecht von der Tinnen und die Familie Ketteler zu Harkotten, die die vier direkt am Bült gelegenen Gademen, also kleine, einräumige Häuschen oder Buden, und das zurückgesetzte Hauptgebäude aber nicht selbst nutzten, sondern verpachteten.
Interessant ist, dass wir in diesem Fall Hinweise darauf haben, wie der rechtliche Sonderstatus im Stadtraum markiert wurde: Mitte des 16. Jahrhunderts ließ Jakob von der Tinnen einen Reichsadler als Zeichen seiner kaiserlichen Realfreiheit am Giebel des Haupthauses aufmalen. Das änderte nichts daran, dass die Stadt im 16. und 17. Jahrhundert immer wieder mit Erfolg Steuern von den Bewohner:innen erhob und versuchte, die Immunität ganz zu kassieren, ja dies sogar vor dem Weltlichen Hofgericht der Bischöfe einklagte. Aus dem Prozess, den die Stadt um 1630 anstrengte, wissen wir, dass zu dieser Zeit zumindest noch gelegentlich ein Schild mit einem geschnitzten Reichsadler am Haus hing. Zugleich finden sich aber auch die Aussagen, dass „vorbeygehende Bauren und sonst frembde Leute, wan sie den Adler gesehen [. . . ], sich verwundert und gefragt, waß magh daß fur ein Vogell sein“ (zit. nach Weidner, Bd. 2, 1085). Doch auch wenn die innerstädtische Immunität offenbar für Dritte kaum als solche erkennbar war, wurde ihr rechtlicher Status 1647 und noch einmal 1685 und 1710 bestätigt.
Ulrike Ludwig
Zum Weiterlesen
Marcus Weidner: Landadel in Münster 1600-1760. Stadtverfassung, Standesbehauptung und Fürstenhof, Münster 2000.