Forschungsansatz & Methode
Das ausgewählte Handschriftenkorpus umfasst Abschriften von Übersetzungen arabischer und persischer Werke, die im östlichen Mittelmeerraum mehrfach und in unterschiedlichen regionalen und soziokulturellen Netzwerken ins Osmanisch-Türkische übertragen, tradiert, rezipiert und ggf. rückübersetzt wurden. Der jeweilige übergeordnete Gattungsbegriff der untersuchten Werke wird hierbei nicht unreflektiert übernommen, sondern vielmehr als Bedingung der Produktion und Interpretation von Bedeutung und Ausdruck einer sozialen Situation kontinuierlich hinterfragt.
Bei der Analyse von Handschriften werden neben textuellen Bestandteilen wie Vorwort, Kapitelstruktur, Nachwort oder Kolophon mit dem Ansatz der material philology die in diesen enthaltenen paratextuellen Elemente systematisch ausgewertet und die einzelne Abschrift einer jeweiligen Übersetzung philologisch, historisch und prosopografisch kontextualisiert. Hierzu werden paratextuelle Bestandteile wie Besitzstempel und -vermerke, Stiftungs-, Lese- und Ausleihvermerke, Kommentare oder Korrekturen in die Analyse miteinbezogen, die auf Teile der Leserschaft einer Handschrift zurückgehen. Aus diesen soll rekonstruiert werden, welche Akteure an den Prozessen der Produktion und Zirkulation eines Werkes beteiligt waren.
Die komparative Analyse von Handschriften wird es ermöglichen, auf den soziokulturellen Status von Auftraggebern zu schließen, wodurch literarisch-kulturelle Trends (Patronage: Was wird wie und warum in Auftrag gegeben und kopiert?) und weitere Aspekte von Buchproduktion und Lesekultur (Verweise auf Bibliotheken; Eingriffe in den Text durch Kopisten und Leser) deutlich werden. Miteinbezogen werden auch mögliche Hilfsmittel wie Grammatiken, Wörterbücher und Glossare oder Kommentare (šarḥ/şerḥ) zu einzelnen Werken, die im Falle der Letzteren teilweise selbst Übersetzungen darstellen und zu „eigentlichen“ Übersetzungen in Beziehung gesetzt werden müssen.