Call for Papers (for English version see below)
Falsafa. Jahrbuch für islamische Religionsphilosophie – Religion und Aufklärung, 3. Band
Die dritte Ausgabe der Publikation falsafa. Jahrbuch für islamische Religionsphilosophie möchte sich in besonderer Weise dem Themenverhältnis Religion und Aufklärung widmen. Diese Widmung ist nicht nur darin begründet, dass spätestens nach dem 11. September 2001 das Selbstverständnis der Religion des Islam zum omnipräsenten Aushandlungsgegenstand in verschiedenen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskursen geworden ist. Zudem geben etwa Massenproteste gegen Karikaturen des Propheten Muhammad das breite und emotionale Mobilisierungspotential im Kontext religiöser Identitäten und Verständnisse zu erkennen. Auch das Aufkommen des sogenannten Islamischen Staates und die damit zu verzeichnende Inhumanität und Irrationalität, hat die Standortbestimmung des Islams als Weltreligion zu einer immer brisanter werdenden Frage avanciert, deren Beantwortung es noch zu erarbeiten gilt. Anhand dieser Entwicklungen wird schließlich die kaum zu überschätzende Bedeutsamkeit offenkundig, die die religiöse Identität und deren Integrität für das Selbstverständnis und die Handlungsorientierung von Menschen in einer globalen Welt besitzt. Dass dieses Potential leicht für Gewaltaktionen manipuliert werden kann, ist evident. Können sich, so stellt sich die Frage, religiöse Überzeugungen und deren Motivationskraft vor solch einer Manipulation nachhaltig schützen? Kann die menschliche Vernunft hier eine Wächter- und Richterfunktion im Selbstbehauptungsprozess religiöser Überzeugungen ausüben? Oder ist die ihnen eigene Motivationskraft im Grunde nicht doch rationalitätsresistent? Hat sich der Islam tatsächlich aus den Fängen des Mittelalters emanzipiert? Oder hat er die Aufklärung noch vor sich? Wie lässt sich der Islam ideengeschichtlich in einer pluralistischen, postsäkularen Gesellschaft verorten?
Solche und ähnliche Fragen werden nicht erst durch moderne Phänomene des Terrors aufgeworfen. Sie begleiten die Geschichte von Religionen und deren innere Auseinandersetzungsprozesse seit jeher. Wie lässt sich die religiöse Selbstauslegung mit der Autorität weltlicher Wissenschaften und den Prämissen des Verfassungsstaates, die letztlich in profaner Moral gründen, zusammendenken? Hat der Islam als Religion in Europa ein destruktives Potential, wie die rechtspopulistischen Parteien wissen wollen? Benötigt nicht der Islam, sowie auch einst das Christentum, eine grundlegende Aufklärung? Die Aufklärung stellt letztlich keine flüchtige Epoche der Geistesgeschichte dar, deren Wirksamkeit verklungen und deren einziges Relikt unsere Erinnerung an sie ist. Vielmehr ist die Aufklärung eine Kultur, weil sie Menschsein kultiviert, ins Zentrum des Ganzen rückt, von seiner Würde, seiner Unbedingtheit, seiner Freiheit, seiner Selbstbestimmung in der Weise spricht, dass wir niemals mit ihm fertig werden. Doch inwiefern ist die Aufklärung, die es als gleichbleibendes Phänomen nie gegeben hat, universell? Wie kann die intellektuelle Geistesbewegung, die sich im Zuge der neuzeitlichen Philosophie einstellte, mit der Aufklärung erblühte und in der französischen Revolution gipfelte, den „Richterstuhl der Vernunft“ als alleinigen Maßstab definieren und dabei dem Bereich des Religiösen nicht die Existenzberechtigung verwehren? Muss sich somit, vor allem in der heutigen Zeit, ein Islamverständnis restlos der „bestverteilten Sache der Welt“ unterordnen, um existenzfähig und zeitgemäß zu sein? Kann und muss es überhaupt einen Ausgang für die Muslime aus ihrer „selbstverschuldeten Unmündigkeit“ geben? Oder hat der Islam womöglich die europäische Aufklärung mitvorbereitet? Kann es eine spezifisch-islamische Aufklärungstradition geben, die aus der inneren theologischen Verfasstheit des Islams zu bestimmen wäre? Kann aus dem Islam eine dezidierte Aufklärungskritik erarbeitet werden, die der Verklärung der Aufklärung, der Totalisierung der Aufklärung (Adorno/Horkheimer) und der „Erpressung zur Aufklärung“ (M. Foucault) entgegenwirken würde?
Über das Verhältnis zwischen Islam und Aufklärung hinaus ist hier allgemein die Frage nach dem Verhältnis zwischen Religion und Aufklärung von Bedeutung. Insofern sind interdisziplinäre und interreligiöse Zugänge auch für diesen Band ausdrücklich erwünscht. Die Frage der Aufklärung und Religion sollen unter anderem in historischer, ästhetischer, phänomenologischer, erkenntnistheoretischer und existenzphilosophischer Hinsicht diskutiert werden.
Die Abstracts sollen einen Titel, die Skizze des Vorhabens mit Bezug zum Thema und einen kurzen Lebenslauf enthalten. Nur bisher unveröffentlichte Artikel werden berücksichtigt. Gespannt werden Abstracts (maximal 2 Seiten) bis zum 10.12.2019 an mansooreh.khalilizand@uni-muenster.de erwartet.
Für Rückfragen wenden Sie sich gerne an die Redaktion:
Falsafa. Jahrbuch für islamische Religionsphilosophie
Herausgeber: Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi
Redaktion: Dr. Mansooreh Khalilizand
Westfälische Wilhelms-Universität
Zentrum für Islamische Theologie
Hammerstr. 95
48153 Münster
mansooreh.khalilizand@uni-muenster.de
Call for Papers (English version)
Falsafa – Islamic Philosophy of Religion Yearbook - Volume 3 – Religion and Enlightenment
The third volume of Falsafa - Yearbook for Islamic Philosophy of Religion, is dedicated to the issue of Religion and Enlightenment and the relationship between them. Attention to this subject is of particular significance in view of the way Islam has begun to be perceived in the wake of events such as 9/11 and the way it has become an omnipresent issue in various social and scientific discourses. Phenomena such as the widespread protests in response to the publication of caricatures of the Prophet Muhammad reveal the imminent potential for mass, emotional mobilisation of Muslims, in the context of their religious identity and understanding. The emergence of the so-called Islamic State and the inhumanity and irrationality associated with it have also made the positioning of Islam as a world religion an increasingly controversial question, to which a befitting response still needs to be elaborated.
Considering such developments, the significance that religious identity and its integrity have for the self-perception and practical orientation of individuals in a globalised world becomes clearer than ever. That this potential can easily be manipulated in order to generate acts of violence is evident. The question that now arises is: can religious beliefs and their motivational force be sustainably protected from such manipulation? Can reason exercise a guardian and judicial function in the self-assertion process of religious beliefs, or is their motivational force per se resistant to rationality? Has Islam emancipated itself from the clutches of the Middle Ages or does it still need to face into Enlightenment? How can Islam be located, in a pluralistic, post-secular society?
These and similar questions are not only raised by the modern phenomena of terrorism, rather they have accompanied religions throughout much of their history and their processes of critical introspection. How can religious self-interpretation be reconciled with the authority of secular sciences and the premises of the constitutional state, which are ultimately grounded in profane morality? Does Islam in Europe have the destructive potential right-wing populists accuse it of having? Does Islam, like Christianity once did, need fundamental enlightenment? Enlightenment does not represent a transient epoch of intellectual history, the effectiveness of which fades away, leaving only our memory of it. Enlightenment in itself constitutes a culture, insomuch as it cultivates humanity, places it at the centre of the whole, speaks of its dignity, its absoluteness, its freedom, and its self-determination, so much so that we shall forever have to strive to implement its values.
But to what extent is Enlightenment, though it has not been an immutable phenomenon throughout history, universal? How can the intellectual movement, which emerged in the course of development of modern philosophy, flourished in the age of Enlightenment and culminated in the French Revolution, define the “seat of judgment of rationality” as the sole criterion, thereby not denying the religious realm’s right of existence as such? Does this mean that, especially in our times, an understanding of Islam must completely subordinate itself to the “best-disseminated thing in the world”, i.e. rationality, in order to be viable and up-to- date?
Can and should there be a way out for Muslims from their anachronistic and “self-incurred immaturity” or could it be that Islam helped bring about the European Enlightenment? Can a specific tradition of Islamic enlightenment be established on the foundations of its own theology? Is it possible to develop a firm criticism of Enlightenment from the Islamic point of view, that would be able to counter the transfiguration of Enlightenment, the totalization of Enlightenment (Adorno/Horkheimer), and the “forced Enlightenment” (M. Foucault).
Beyond the relationship between Islam and Enlightenment, the question of the relationship between religion and Enlightenment in general is of importance. Insofar, interdisciplinary and interreligious approaches will be explicitly welcomed for consideration for this volume. The question of Enlightenment and religion should be discussed, among other things, from an historical, aesthetic, phenomenological, epistemological and existential approach.
Abstracts (max. 2 pages) should be comprised of a title, a draft referring to the subject and a concise CV. Only previously unpublished articles will be considered. Abstracts should be submitted via e-mail by 10.12.2019, to: mansooreh.khalilizand@uni-muenster.de.
For further questions/queries please contact the editor:
Falsafa. Yearbook for Islamic Philosophy of Religion
Publisher: Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi
Editor: Dr. Mansooreh Khalilizand
University of Münster
Centre for Islamic Theology
Hammer Str. 95
48153 Münster
mansooreh.khalilizand@uni-muenster.de