Strategiebasiertes Textverstehen in den Fächern Französisch und Spanisch
Eine gut ausgebildete Lesekompetenz ist für die Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben sowie ein lebenslanges Lernen von essentieller Bedeutung (vgl. Garbe 2020: 7). Vor allem im schulischen Kontext wird in nahezu allen Fächern der Großteil an Informationen über schriftliche Texte vermittelt; der Umgang mit Texten gehört also zum unterrichtlichen Alltag.
Dass vielen Jugendlichen bereits das Lesen deutschsprachiger Texte schwerfällt, bestätigen Ergebnisse der jüngsten PISA-Studie aus dem Jahr 2018, laut derer 21% der deutschen 15-Jährigen im Bereich der schulsprachlichen Lesekompetenz nicht die Minimalstandards erreichten (vgl. Reiss et al. 2019: 60). Derartige Ergebnisse legen die Frage nach Möglichkeiten einer nachhaltigen Verbesserung dieser Situation nahe. Dies gilt in besonderer Hinsicht für das Lesen in einer Fremdsprache, da es zusätzliche Anforderungen wie eine fremde Orthographie, Phonologie oder Morphosyntax zu bewältigen gilt (vgl. Sobel 2012: 60).
Durch die Vermittlung und das Training spezifischer Lesestrategien zum Umgang mit fremdsprachlichen Texten können die Schülerinnen und Schüler lernen, die Texte eigenständig, zielgerichtet und systematisch zu erschließen.
Lesestrategien im Fachprojekt Französisch/Spanisch
Damit Französisch- und Spanischlernende dazu befähigt werden, „sich mittels geschriebener Texte angemessen in der Zielsprache zu informieren und [fremdsprachliche] Texte je nach Leseintention sachgerecht“ (Stahl 2006: 481) zu rezipieren, wurde im Fachprojekt Französisch/Spanisch ein Entscheidungsbaum zur Wahl passender Lesestrategien entwickelt.
Der Entscheidungsbaum ist ein Instrument, das Schülerinnen und Schülern sowohl für innerschulische Lern- und Leistungssituationen als auch für außerschulische Situationen einen konkreten, kleinschrittigen Handlungsplan an die Hand gibt, der auf Sach- und Gebrauchstexte jeglicher Art angewendet werden kann (vgl. Ehlers 2006: 34-35). In Abhängigkeit von ihren jeweiligen Leseabsichten bzw. der Aufgabenstellungen werden die Schülerinnen und Schüler durch metakognitive Fragen, die den Verstehensprozess steuern, durch die Erarbeitung des fremdsprachlichen Textes geführt.
Konkret umfasst der Entscheidungsbaum die folgenden acht Lesestrategien, wobei die ersten drei genannten übergeordnet sind, d. h. sie können jederzeit mit allen anderen Strategien des Entscheidungsbaums kombiniert werden:
- Positivlesen
- Unbekannte Wörter erschließen
- Unbekannte Wörter im Wörterbuch nachschlagen
- Den Text überfliegen
- Fragen an den Text formulieren
- Schlüssel- und Verbindungswörter markieren
- Gliedern
- Notizen anfertigen
Durch die Einführung des Entscheidungsbaums werden die Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Praxisprojekts Französisch/Spanisch also mit elaborativen Lesestrategien, wie dem Überfliegen eines Textes, und mit reduktiv-organisierenden Lesestrategien, wie dem Markieren von Schlüssel- und Verbindungswörtern, vertraut gemacht.
Die leitenden Fragen, wie z. B. „Konnte ich durch das Anwenden dieser Lesestrategie(n) meine Leseabsicht erfüllen bzw. die Aufgabe lösen?“ dienen der metakognitiven Planung, Überwachung und Regulation des Textverstehensprozesses sowie des Einsatzes der Lesestrategien.
Um die Übersichtlichkeit zu gewähren, enthält der Entscheidungsbaum selbst keine expliziten Informationen zum konkreten Ablauf bzw. zur Anwendung der Strategien. Diese lassen sich jedoch den jeweiligen Lesestrategie-Steckbriefen entnehmen, die den Entscheidungsbaum in Form eines Dossiers komplettieren. Eine Beschreibung und Erläuterung des Entscheidungsbaums und der Steckbriefe werden derzeit für eine Publikation aufbereitet. Ein entsprechender Verweis auf die Publikation wird hier zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung gestellt.