Der byzantinische Kaiser fällte alleine und autoritär eine Entscheidung, doch geschah die Entscheidungsfindung selten spontan oder aus heiterem Himmel, sondern gründete auch auf Miteinbeziehung und Konsultation von unterschiedlichen Ressourcen, vor allem Wissensressourcen, und ‚Experten‘: So ermöglichte gespeichertes und gesammeltes Wissen den Rückgriff auf verschriftlichte historische Erfahrungen (v.a. in Archiven und Bibliotheken in der Hauptstadt Konstantinopel), die beim Entscheiden dienlich sein konnten. Dazu zählten auch Handbücher und Kompendien zu Astrologie, Traumdeutung und Erklärungen von Natur-erscheinungen. Neben der Einbindung von Ratgebern am Hof konnten auch Personen, die Kompetenz in der Deutung übernatürlicher Phänomene und Zeichen bzw. den Geheimwissenschaften besaßen oder die durch göttliche Eingebung prophetisch wirkten, eine wichtige Rolle im Prozess des Entscheidens spielen, wenn es um das Abwägen von Entscheidungsalternativen und das Finden der ‚richtigen‘ Entscheidung ging.
Leitfragen des Projektes waren: In welchem Kontext und in welchen Situationen wurde auf diese Experten bzw. das von ihnen verkörperte Wissen als Ressourcen des Entscheidens zurückgegriffen, welcher Techniken bediente man sich dabei, wie konnten damit eventuell Spiel- sowie Denkräume und damit Horizonte des Entscheidens erweitert und dieses zugleich auch (nicht zuletzt gegen nachträgliche Kritik) abgesichert werden? Welchen Rang hatte der göttliche Wink? Wurde der Rückgriff auf solche Ressourcen des Entscheidens als legitim angesehen, wurde dies geheim gehalten?
Untersucht wurde, ob und wie herrschaftliches Entscheiden von der Deutungskompetenz solcher Experten abhängig war, inwieweit sich dies als ein Problem darstellte sowie ob und in welcher Form der Einbezug des Übernatürlichen in Prozesse herrschaftlichen Entscheidens öffentlich wahrgenommen und diskutiert wurde, welche Narrative dabei zum Einsatz kamen und inwieweit hierbei Spannungen zwischen Prophetie und Wahrsagerei auftraten. Im Unterprojekt A (Bearbeiter: Stefanos Dimitriadis) wurde die Rolle von Geheimwissenschaften und Wahrsagern und im Unterprojekt B (Bearbeiter: Florin Filimon) diejenige von Propheten und des ‚göttlichen Winks‘ in Prozessen herrscherlichen Entscheidens am byzantinischen Kaiserhof untersucht.