Innerhalb der jüdischen Tradition bildet die Responsaliteratur seit mehr als 1300 eine etablierte Praxis des religiösen Entscheidens. Ein Responsum ist ein Gutachten, das eine halakhische Autorität in Antwort auf eine schriftlich gestellte, zumeist religionsgesetzliche Anfrage hin verfasst. Responsa gehören damit zu den Verfahrensformen, in denen qua Autorität und Externalisierung entschieden wird. In dem Teilprojekt wurden mittelalterliche rabbinische Responsa – darunter die Responsa des Solomon ibn Adret, der geistigen Führungspersönlichkeit des spanischen Judentums im 13. Jahrhundert, – als Praxis des religiösen Entscheidens untersucht.
Im Vordergrund stand dabei die Frage, wie sich die Praxis des Entscheidens in der jüdischen Responsaliteratur des Mittelalters darstellt, welche Entscheidungstechniken angewendet werden und wie durch Responsa Entscheidungen hergestellt werden. Die Responsa waren im Mittelalter nicht nur ein Kommunikationsmedium zwischen der Gemeinde, aus der die Anfrage stammte, und dem Respondenten. Vielmehr bildeten sie ein dichtes Kommunikationsnetzwerk zwischen den Gemeinden, das sich zum Teil in geographisch weit auseinanderliegende jüdische Kulturräume erstreckte. Im Fokus des Projekts stehen daher auch die räumliche Dimension von Entscheidungsprozessen und die Frage von Medialität und Materialität des Entscheidens. Da der Respondent seine Entscheidung auf der Grundlage der Halakha trifft und dabei auf alle Quellen jüdischen Rechts zurückgreifen kann, kam zudem der Frage nach den Ressourcen des Entscheidens und ihre Bewertung im Hinblick auf den Entscheidungsakt eine zentrale Stellung innerhalb des Teilprojekts zu.