„Warum es kein islamisches Mittelalter gab“

Arabist Thomas Bauer hinterfragt die Vorstellung eines „mittelalterlichen Islams“

Buchcover
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© C. H. Beck

Der Arabist Prof. Dr. Thomas Bauer hinterfragt in seiner jüngsten Publikation mit dem Titel „Warum es kein islamisches Mittelalter gab“ historische Epochengrenzen und verbreitete Klischees über die islamische Geschichte. „Der Islam ist im Mittelalter steckengeblieben, hat Renaissance, Reformation und Aufklärung verpasst, so lautet die gängige Diagnose. Was aber, wenn es gar kein islamisches Mittelalter gab?“, so der Wissenschaftler. Er zeigt an zahlreichen Beispielen, wie in der islamischen Welt bis zum 11. Jahrhundert die Antike weiterlebte, und widerlegt damit die eingespielten Epochengrenzen und das Bild von einem reformbedürftigen „mittelalterlichen“ Islam.

„Jahrhundertelang waren im Orient die antiken Städte lebendig, mit Bädern, Moscheen und anderen steinernen Großbauten, während sie in Europa zu Ruinen verfielen.“ Ärzte hätten die Medizin des römischen Arztes Galen (130–210 n. Chr.) fortgeführt und die Naturwissenschaften und Liebesdichtung seien aufgeblüht. „Kupfermünzen, Glas, Dachziegel, Papier: Im Alltag des Orients gab es lauter antike Errungenschaften, die Mitteleuropäer erst zu Beginn der Neuzeit (wieder) neu entdeckten.“ Der Leibniz- und Tractatus-Preisträger Thomas Bauer beschreibt in seiner Studie, wie die antike Kultur von al-Andalus in Spanien über Nordafrika und Syrien bis Persien fortlebte und warum das 11. Jahrhundert in ganz Eurasien, vom Hindukusch bis Westeuropa, eine Zäsur bildet, auf die in der islamischen Welt bald die Neuzeit folgte. (sca)

Hinweis: Thomas Bauer: Warum es kein islamisches Mittelalter gab. Das Erbe der Antike und der Orient, München: C. H. Beck, ISBN 978-3-406-72730-6, 175. S., 22,95 Euro.